Wer ist ITiger im Land?

„Wenn du auf die Jagd nach Tigern gehst“, sagt ein indisches Sprichwort, „solltest du damit rechnen, Tiger zu finden.“ Gemeint ist wohl, dass man Gefahr läuft, plötzlich selbst der Gejagte zu sein.

Als Deutsche Messe eine CeBIT als internationales IT-Gipfeltreffen nicht nur in Hannover, sondern jetzt erstmals auch in Bangalore, der Hightech-Hauptstadt Indiens zu organisieren, könnte durchaus ein Risiko gewesen sein, das einer solchen Tigerjagd gleichkommt. Denn der indische ITiger ist bereits mächtig. Und weiter mächtig im Kommen. Der indische Fachverband National Association of Software and Services Companies (Nasscom) prognostiziert ein Umsatzplus von 14 Prozent für das laufende Finanzjahr 2013/14. Mit diesen Wachstumsraten ist Indien für IT-Anbieter von großem Interesse.

Und er ist auch mächtig selbstbewusst. Bis 2020, so hieß es auf der CeBIT India Exhibition and Conference letzte Woche, werde man das Silicon Valley in seiner Bedeutung als Inkubator für neue, innovative Unternehmen abgelöst haben. Diese Nachricht kam gerade richtig zu einer in Deutschland geführten Diskussion über die Innovations- und Gründungskraft der deutschen Wirtschaft, die durch Vorveröffentlichungen einer vom CDU-Wirtschaftsrat in Auftrag gegebenen Studie der Boston Consulting Group losgetreten wurde und sich insbesondere um die Bedeutung des Wirtschaftsstandortes Berlin rankt. So würden im Silicon Valley mehr als zwölf Mal so viele Start-ups gegründet wie in Berlin, heißt es in der noch unveröffentlichten Studie. Zudem dürfe man die Silicon Wadis in Israel nicht übersehen. Und überhaupt, tönte es aus dem enervierten Gründerforum NRW: Zwar liege man mit 9,1 Prozent bei der Selbständigenquote zwei Punkte unter dem Bundesdurchschnitt – aber mit zehn Millionen Verbrauchern sei hier das beste Umfeld.

Als ginge es um die Schneewittchen-Frage: „Wer ist itiger im ganzen Land?“ Solange sich im föderalen Deutschland die selbsternannten Zentren gegenseitig kleinreden können sich die Silicon Valley, Wadis oder eben das indische Bangalore getrost zurücklehnen und auf ihre Stärken schauen.

Ohne die Schwächen außer Acht zu lassen. Es war ausgerechnet der bei der deutschen SAP zu Ruhm und Ehre gekommene jetzige Infosys-Vorstandschef Vishal Sikka, der seinen indischen Landsleuten bei aller Zukunftseuphorie ins Gewissen sprach – per Teleschalte. Der Technologie-Guru musste kurzerhand seine Keynote für die CeBIT India per Video-Einspielung halten, weil er seinen Ministerpräsidenten ins australische Brisbane begleitete, wo er wiederum mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über IT-Gipfel und andere Technologiethemen plaudern konnte.

„Der IT-Dienstleistungsbereich sollte sich nicht darauf konzentrieren, die gleichen alten Sachen weiter anzubieten, sondern sich auf Neues fokussieren“, sagte er per Video-Leinwand und meinte offensichtlich, dass die Zeiten des guten alten Body-Leasings, des Off-Shore-Developments, beendet werden müssen, wenn der Entwicklungsplan „Make in India“ (siehe Blog der letzten Woche) Wirklichkeit werden soll. „Was wir brauchen, sind neue Ideen und eine neue Art, sie zu verwirklichen.“

Das klingelt in den Ohren angesichts der Aufbruchsstimmung, die sich ohnehin weltweit im Lichte von Mobile und Cloud Computing, Big Data oder Social Media breit macht. Als wäre dies nicht „Gamechanger“ genug, fordert Sikka radikales Umdenken. Nicht nur, aber vor allem für sein Land. Anstelle höherer Qualität gebe es eine starke Betonung der Suche nach günstigerer Arbeit. Genau das aber würde den Tiger schwächen.

Beispiele für neue Ideen, Innovationen und „Gamechanger“ gab es indes auf der CeBIT India zuhauf. Denn unter den rund 600 Ausstellern waren erfreulich viele Global Player aus Deutschland – beziehungsweise fast schon als Synonym zu verstehen: aus der Automobilindustrie. So zeigten Daimler, Bosch und Co. wozu das Auto fähig ist, wenn die IT, Cloud Computing und das Internet der Dinge zusammenspielen. Autonomes Fahren zum Beispiel war eines der Paradestücke, die von der Automobilindustrie auf der CeBIT India präsentiert wurde. Die Message, die die deutschen Aussteller auf der CeBIT India bereithielten, war deutlich: Der ITiger der Automotive-Industrie sitzt immer noch in Deutschland und er schläft nicht. Aber er ist sich sehr wohl bewusst, dass die Frage, „Wer ist itiger in der ganzen Welt?“ auch für die deutsche Automobilindustrie von nachhaltiger Bedeutung ist.

Da kann die CeBIT India positive Impulse für die CeBIT und sogar für die Hannover Messe in Deutschland liefern. Denn wenn IT als Querschnittstechnologie uns alle und in allen Branchen berührt, dann ist das ein Universalitätsanspruch, der insbesondere auch in Deutschland Geltung hat. Startups plus Automotive plus Industrie 4.0 plus Big Data – das ist das Erfolgsrezept, um den nächsten IT-Gipfel noch itiger zu machen.

Small is the new Big

Als Seth Godin seinen inzwischen legendär gewordenen Blogeintrag über die Vorteile des Kleinteiligen mit der Überschrift „Small is the new Big“ versah, verwandelte er ein Paradoxon in ein sprechendes Paradigma. Er läutete sozusagen das Ende der alten US-amerikanischen Militärveteranen ein, die wie selbstverständlich nach ihrer Karriere auf der Brücke eines Flugzeugträgers in die Vorstandsetage einer Fortune-500-Company wechselten: big Business und big Salary.

Jetzt hat Indiens Premierminister Narendra Modi diesen Begriff übernommen, um ein neues Paradigma für sein Land auf dem Weg in die „Digitale Ära“ zu entwickeln. Denn ähnlich wie in Deutschland, wo 99 Prozent der Unternehmen klein oder mittelständisch geprägt sind, zeichnet sich auch auf dem Subkontinent die Erkenntnis ab, dass ebenso wie die Großkonzerne des Landes, die an weltumspannenden Strukturen arbeiten, es die kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen sind, die das Rückgrat des Landes bilden. Immerhin 60 Prozent der überhaupt in Unternehmen arbeitenden indischen Bevölkerung sind bei Small-and-Medium-Firmen angestellt. Immerhin 40 Prozent des gesamten indischen Exports wird hier produziert.

Und dieser Anteil soll sich weiter steigern, wenn es gelingt, die mittelständischen und kleinen Unternehmen am digitalen Fortschritt teilhaben zu lassen. Das freilich ist eine Herkulesaufgabe, blickt man allein auf die gigantische Fläche von 3,3 Millionen Quadratkilometern, die es mit Breitbandzugängen zu versorgen gilt. Das ist, wie die Diskussion um die Umsetzung der „Digitalen Agenda“ hierzulande bereits zeigt, nur mit äußersten finanziellen Anstrengungen und Anreizen zu stemmen. Aber: Während die indischen und internationalen Global Players ihre Infrastruktur rund um die großen Bevölkerungszentren Indiens aufgebaut haben, befindet sich der größte Teil des indischen Mittelstands in den ländlichen Strukturen dazwischen.

Sie und die rund 250.000 ländlichen Kommunen können nur mobil aus dem All versorgt werden. Allein in diesem Jahr sollen die ersten 50.000 Gemeinden an das National Optical Fibre Network angeschlossen werden. Bereits heute ist Indien der drittgrößte Mobilfunkmarkt der Welt – nach den USA und China. Aber erst zehn Prozent der indischen Bevölkerung nutzen ein mobiles Endgerät. Folglich existiert hier ein schier unvorstellbares Marktpotenzial von rund 900 Millionen Smartphones, Tablets oder Laptops.

Dabei soll gleich alles auf einmal errungen werden: private Personen soll die Teilhabe am Mobile Computing, Kleinunternehmen der Schritt in Richtung „Industrie 4.0“ ermöglicht werden. Beides, so sind sich die Verantwortlichen in Indien einig, bedeutet einen gewaltigen Veränderungsprozess, an dessen Ende eine erstarkte Wirtschaft stehen soll. „Make in India“ (www.makeinindia.com) heißt das nationale Programm, das praktisch keinen Wirtschaftszweig auslässt – vom Automobilbau und Maschinenbau über Hoch- und Tiefbau bis zu Food, Pharma und Chemie, Medien und Unterhaltung. Die Zahlen, die für jeden dieser Sektoren aufgehäuft werden, sollen in- und ausländische Investoren locken. Und sie sind in der Tat beeindruckend: allein der Gesundheitsmarkt wird auf umgerechnet sechs Milliarden Euro geschätzt. Er ist damit viermal so groß wie der IT-Sektor, der immerhin aus 15.000 Unternehmen – 14.000 davon mittelständisch geprägt – besteht.

Da nimmt es nicht wunder, dass die Deutsche Messe, die bereits hierzulande den deutschen Mittelstand mit der CeBIT für die Informationstechnik und mit der Hannover Messe für moderne Produktionsmethoden interessiert hat, ihr Engagement auch nach Indien ausweitet. Derzeit startet in der indischen Technologiehauptstadt Bangalore die CeBIT India 2014 als Kombination aus Ausstellung und Konferenz. Sie setzt die bereits tiefen Beziehungen zwischen dem indischen Hightech-Verband NASSCOM und seinem deutschen Pendant BITKOM fort. Neben den aktuellen Trendklassikern wie Big Data, Mobile Computing, Cloud und Social Business ist eine eigene Session für Startup-Companies vorgesehen. Denn bei „Make in India“ geht es nicht allein darum, die bestehenden kleinen und mittleren Unternehmen ans Netz zu bringen und ihre Produktionsmethoden zu revolutionieren. Indien sucht neue Firmengründer, die das Land mit neuen Ideen überschwemmen. Wenn diese kleinen Unternehmen ins Leben treten, dürfte das in der Tat die nächste große Sache werden. Deutschland sollte vielleicht nicht das Silicon Valley zu kopieren versuchen, sondern „Make in India“. „Made in Germany“ hat schließlich schon mal ganz gut geklappt.

Vereinigte Taten von Europa

Erst wohnte die Kanzlerin der Zustimmung für den „eigenständigen Antrag“ des CDU-Verbands Rheinisch-Bergischer Kreis bei, nach dem die Union sich nunmehr dafür einsetzen will „dass die Zeitumstellung in Europa abgeschafft wird und zukünftig wieder eine einheitlich ganzjährige Zeit gilt“, – dann brach sie nach Hannover auf, um dort die nächste europäische Zeitenwende auszurufen: Die Rückgewinnung der Innovationsführerschaft in der Informations- und Kommunikationswelt.

Die soll vor allem durch die Digitalisierung der Fertigung erreicht werden. Und durch mehr Datensicherheit. Und durch die Umsetzung der Energiewende. Für alle drei Einsatzgebiete werden vor allem intelligente Lösungen gesucht – und erste Exponate sind auf der Hannover Messe Industrie im April, dem 4.0ten Monat des Jahres, zu sehen: Dort gibt es Maschinen, die mit den Werkstücken kommunizieren und dann den nächsten Arbeitsschritt auswählen. Auf diesem Weg zur Einzelfertigung werden die Automaten auch in der Lage sein, eventuell benötigte Werkzeuge oder Materialien anzufordern, mit den vorgelagerten und nachgeordneten Arbeitsstationen zu kommunizieren und damit zu neuer Flexibilität im Herstellungsprozess kommen. Und zu sehen sind auch erste intelligente Verteil- und Speichernetze, die dabei helfen können, Strom dann und dort zur Verfügung zu stellen, wann und wo er gebraucht wird. Neue Apparate, mit denen Strom gespart werden kann, werden in Hannover ebenso gezeigt wie effizientere und günstigere Maschinen, mit denen Strom erzeugt wird.

Die Europäer denken diese Innovationen von der Maschine her – dort wo das Ingenium des Ingenieurs fürs Drehen, Fräsen, Bohren, Spanen, kurz für Handhaben mit bestem Erfolg eingesetzt wird, sollen Software und die Vernetzung nun den nächsten Innovationsschub bringen. Das ist eine sehr deutsche Vorgehensweise, von der nun ganz Europa profitieren soll – allen voran die Briten (Gastland auf der CeBIT) und die Niederländer (Gastland auf der Hannover Messe). Alleingänge soll es auch bei der Energiewende und der Datensicherheit nicht geben. Die Vereinigten Taten von Europa zusammen mit den Vereidigten Daten von Europa – das ist die politische Vision.

Da überrascht es ein wenig, wenn die fürs Zaudern und Aussitzen bekannte Bundeskanzlerin ausgerechnet zur Eröffnung der Industrie-4.0-Messe die Wirtschaft ermahnt, hier nun mal endlich in die Schuhe zu kommen und zu liefern. Zwar habe man hierzulande in der Fertigungsautomation einen Vorsprung von knapp zwei Jahren. Doch gleichzeitig besteht ein massives Defizit in der Informations- und Kommunikationstechnik. Fähigkeiten und Fertigkeiten, für die Europa einmal gestanden hat, müssen zurückerlangt, Meinungs- und Marktführerschaften zurückgewonnen werden.

Dabei sind die Anstrengungen schon dann gewaltig, wenn es nur darum ginge, die jetzige starke Position zu halten. 90 Prozent des Wirtschaftswachstums entwickeln sich außerhalb Europas, mahnt die Kanzlerin. Mehr als zehn Prozent der Aussteller in Hannover kommen aus China – nach Deutschland das zweitstärkste Ausstellerland. Und in den USA werden derzeit im großen Stil marode Industrielandschaften erneuert – unter dem Primat der vernetzten Software.

Die Anstrengungen lohnen sich, wie der Bitkom zur Industrie-4.0-Messe ausrechnete: Produktivitätssteigerungen von 78 Milliarden Euro seien in den sechs hierzulande wichtigsten Industriezweigen innerhalb der nächsten Dekade drin, heißt es. 2025 soll dann beim Auto- und Maschinenbau, in der Chemie, der Elektro- und ITK-Branche sowie in der Landwirtschaft eine Wertschöpfung von 422 Milliarden Euro erreicht werden.

Das ist schön, aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist die, dass es den Europäern gelingen sollte, mit der Fertigungsdigitalisierung auch die weltweiten Standards zu setzen. Das hat nicht nur etwas mit Marktmacht zu tun, sondern auch mit der Durchsetzung der Sicherheitsstandards, die in Europa erwünscht, in der Welt bislang aber vernachlässigt werden. Es muss vermieden werden, dass künftig nicht „nur“ Kanzler-Handys ausgespäht werden, sondern Fertigungs-Knowhow direkt von der Maschine abgegriffen werden kann.

Tatsächlich investieren vor allem China und die USA massiv in die Aufholjagd um Industrie 4.0. Sie werden das Rennen sicher nicht verlieren – schon allein der großen nationalen Märkte wegen, die sie mit eigenen Lösungen versorgen können. Europa kann und wird hier nur mithalten, wenn mehr Gemeinsamkeit gelingt, wenn Taten und Daten im europäischen Kontext gesehen werden.

Insofern stehen auch Industrie 4.0, auch die intelligent umgesetzte Energiewende und nicht zuletzt die Datensicherheit im Internet zur Wahl, wenn wir am 25. Mai an die Urnen gehen. Nationale Alleingänge wären ein sicherer Schritt in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit – egal welche Zeit dann gerade gilt.

Endlich ein Politikum

Es ist schon absonderlich: das Internet ist 45 Jahre alt, das WWW 25 – aber erst jetzt rücken die Herausforderungen der Digitalisierung in den Mittelpunkt des Regierungsinteresses. Mindestlohn, Rentenalter, (Steuer)Schulden, ja sogar Autobahn-Maut und Kita-Plätze haben jahrelang die innenpolitische Agenda bestimmt. Erst jetzt – angesichts zunehmender Entfremdung gegenüber den dominanten US-amerikanischen Herstellern und ihrer Bundesbehörden – wird der Politik deutlich, wie sehr Wirtschaft und Gesellschaft vom „Netz der Netze“ abhängig sind.

Und plötzlich stehen Infrastruktur und Sicherheit einer digitalisierten Welt ganz oben auf der politischen Agenda – kurz Digitalen Agenda, für die in Deutschland ein allerdings auffällig schweigsamer Bundesverkehrsminister zuständig zeichnet. Auf der – wahrscheinlich auch relevanteren – europäischen Ebene geht es seit geraumer Zeit nicht nur agiler, sondern auch prominenter zu. Einen „Weckruf der NSA-Affäre“ nannte es jüngst Neelie Kroes, als Vize-Präsidentin der EU-Kommission zuständig für die Digitale Agenda, was künftig unter dem Rubrum der Internet-Sicherheit zu einem Wettbewerbsvorteil für Europa werden könnte. Europa, so meinte die EU-Kommissarin auf der CeBIT in Hannover, müsse seine Ambitionen deutlich verstärken.

“Die EU ist Anfang 2013 mit einer Strategie für Cybersicherheit und der Richtlinie zu Netzwerk- und Informationssicherheit auch gesetzgeberisch tätig geworden. Ein freiwilliger Ansatz ist nicht mehr genug”, sagte Kroes und knüpft daran die Hoffnung, noch in diesem Jahr eine Einigung zwischen den Regierungen und EU-Parlament zur Richtlinie zu erreichen. Doch dann ist erst der Rahmen geschaffen, in dem nationale Politik und die Wirtschaft aktiv werden können. Die Rechnung lautet simpel, ist aber anspruchsvoll: Mehr Sicherheit bedeutet mehr Vertrauen, mehr Vertrauen bedeutet mehr Geschäft, mehr Geschäft bedeutet mehr Innovationen.

Es wäre in der Tat neu, wenn nicht die Technologie, sondern die Ethik zur treibenden Kraft eines wirtschaftlichen Aufschwungs führen würde. Aber warum auch nicht angesichts niederschmetternder Umfragezahlen: 60 Prozent der Deutschen bekunden Bedenken gegenüber US-Providern. Skeptisch sind Privatpersonen, aber auch Firmen aller Größenordnung: Der BITKOM hat über seinen Research-Arm ermittelt, dass ein Viertel der befragten Unternehmen die Cloud-Aktivitäten entweder noch in der Planungsphase zurückgestellt oder aber schon wieder aufgegeben hätten. US-Anbietern gehen nach Einschätzung der gemeinnützigen Information Technology and Innovation Foundation 35 Milliarden Dollar an Cloud-Umsatz durch die Lappen.

Der Schock sitzt auch im Jahr Eins nach Snowden tief – und er sitzt tiefer in Europa als weltweit. Es wäre allerdings ein absolutes Novum, wenngleich begrüßenswert, wenn erstmals aus einem Technologieschock ein Innovationsschub erwachsen würde. Der klassische Reflex hingegen ist zunächst einmal mehr Reglementierung. Danach klingt auch zunächst einmal die geplante EU-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit (NIS).

Doch im Detail könnte Hoffnung auf Erneuerung keimen. Zu den fünf NIS-Prioritäten gehört auch die „Entwicklung der industriellen und technischen Ressourcen für die Cybersicherheit“. Neue Systeme zur Verteidigung gegen Cyberangriffe, zur Verschlüsselung und zum Schutz gegen Cyberkriminalität könnten in der Tat eine konjunkturelle Wirkung erzielen. Methoden zur Stärkung von Qualität und Sicherheit, wie sie in anderen Bereichen – zum Beispiel im Gesundheitswesen – längst üblich sind, sollten ebenfalls zur Entwicklung und Festigung eines ganzen Wirtschaftszweigs beitragen: „Betreiber kritischer Infrastrukturen in bestimmten Bereichen …, Betreiber zentraler Dienste der Informationsgesellschaft …, und öffentliche Verwaltungen müssen Risikomanagementmethoden einführen und große Sicherheitsvorfälle in ihren Kerndiensten melden“, heißt es in der NIS-Richtlinie. Am Ende steht die Hoffnung auf ein Qualitätsprodukt Made in Europe.

Je stärker der deutsche Mittelstand auf die Digitalisierung seiner Fertigung im Sinne von „Industrie 4.0“ setzt, je intensiver Organisationen und Unternehmen soziale Medien zur Kommunikation mit ihrem Markt oder ihrer Klientel benutzen, je mehr Daten wir dem Internet und der Cloud anvertrauen, umso mehr Sicherheit benötigen wir.

Die CeBIT 2014 markiert insofern gewissermaßen einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie wir über Internet-Technologien und Internet-Geschäftsmodelle denken. Plötzlich wiegen ethische Werte ebenso schwer wie Function and Features. Das Internet ist endlich ein Politikum.