Zweiundvierzig

Alle zwei Jahre ermittelt das Aachener Beratungshaus Trovarit die Antwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und überhaupt allem“ in der Welt des Enterprise Resource Plannings. Die Erkenntnisse der Studie zur Anwenderzufriedenheit unter dem Titel „ERP in der Praxis“ sind für Anwender, mehr noch aber für Anbieter außerordentlich hilfreich, wenn es darum geht, einerseits die eigene Standortbestimmung vorzunehmen, sich andererseits im Vergleich zum Wettbewerb zu sehen und darüber hinaus die Handlungsaufforderungen für die Zukunft in gewichteter Form vorzufinden. Karsten Sontow und sein Team leisten hier Beachtliches.

Bemerkenswert ist beispielsweise die Erkenntnis, dass Anwender – erstmals danach befragt – erheblichen Nachholbedarf beim „Mobile Computing“ sehen, während sie das von den Anbietern seit Jahren propagierte Thema „Cloud Computing“ entweder immer noch nicht zur Kenntnis nehmen oder immer noch nicht richtig einordnen können. Praktisch jedes dritte der 2700 befragten, meist mittelständischen Unternehmen sieht sich noch nicht zu beurteilen in der Lage, welches Cloud-Konzept genutzt wird oder werden soll. „So wähnt sich ein Großteil der Anwender von SAP Business by Design in der Private Cloud, was eigentlich im Widerspruch zur Betriebscharakteristik der Software steht“, schreiben die Marktforscher aus Aachen. Und insgesamt erkennen nur 5,7 Prozent der Befragten im Cloud Computing überhaupt eine Relevanz. Entsprechend ist auch das Geschäftsmodell unverändert vom Lizenzkauf dominiert (94 Prozent). Fünf Prozent mieten ihre ERP-Software und das verbleibende Hundertstel zahlt nach Nutzung.

Bemerkenswert ist auch, dass die Anwender zwar insgesamt zufrieden sind mit dem Einsatz ihrer Lösung – das zeigen die häufig genannten Nutzenargumente „Effektivitätssteigerung“ und „Transparenz“. Dort, aber wo sie nicht nur Informationen in ihr ERP-System hineinstopfen, sondern als Analyse herausholen wollen, fällt das Urteil deutlich schlechter aus. Seit Jahr und Tag sind es vor allem die aus Anwendersicht mangelhaften Fähigkeiten der Systeme, schnell und flexibel Auswertungen und Reports zu erzeugen und Formulare zu generieren, die das Schlusslicht auf der Bewertungsskala bilden. Sie wären es auch in diesem Jahr gewesen, wenn Trovarit nicht erstmals auch nach mobilem ERP-Einsatz gefragt hätten, der von Anwendern als „katastrophal“ bis „mäßig“ bewertet wurde und damit das neue Schlusslicht in der Bewertungsskala bildet.

Insgesamt fordern die Anwender mehr „Usability“ für ihre ERP-Systeme ein – will sagen: Benutzerfreundlichkeit, Ergonomie, flexiblere Anpassung, geringere Kosten bei der Implementierung und im Betrieb und nicht zuletzt: besser Auswertbarkeit der in den ERP-Systemen vorhandenen Daten. Diese Bewertungen aber sind für ERP-Anbieter Warnung genug, die technologische Weiterentwicklung in Richtung „Usability“ im Sinne von „Business Intelligence“ und „Mobile Computing“ voranzutreiben.

Die Trovarit-Studie offenbart zudem einen nicht zu übersehenden Wandel in der Wechselwirkung zwischen Marketing und Markt. Bislang waren es die Anbieter, die ihren Kunden die nächsten Trends und damit Investitionsbaustellen aufzeigten. Und die Anwender folgten auch mit einer knappen Dekade Abstand diesen Marktauguren. Jetzt aber zeigt sich, dass die Anwender mündig genug sind, bei „Cloud Computing“ den Daumen nach unten zu halten und das Thema als  – zumindest vorläufig – für irrelevant zu erklären. Gleichzeitig fordern sie aber die Software-Hersteller auf, bei der Unterstützung mobiler Endgeräte etwas mehr Gas zu geben.

Mir scheint, der ERP-Markt emanzipiert sich vom Diktat der Anbieter. Und das ist auch gut so.

Das aufzuzeigen, ist ein Verdienst der Trovarit-Studie, die sich hier auf eine belastbare – wenn auch nicht im strengen Sinne repräsentative – Datenbasis berufen kann. Aber genau darin liegt auch die Schwäche der Studie, die vor allem von den Anbietern selbst verschuldet wird. Es ist durchaus eklatant, dass zwar 160 ERP-Systeme von beinahe so vielen Software-Herstellern aufgefordert wurden, ihre Kunden aktiv an der Studie zu beteiligen und damit eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Es war dann aber nur ein Viertel der Anbieter –42! –, die tatsächlich genügend belastbares Datenmaterial aus Kundensicht beisteuern konnten. Es scheint, als würden die Marketiers am Feedback ihres Marktes so brennend gar nicht interessiert sein. Oder ist die Angst vor schwachem Abschneiden größer als das Interesse an der Marktmeinung?

Das sollte ein Aufruf an alle Anbieter sein, 2016 mehr und repräsentativer an der nächsten Trovarit-Studie teilzunehmen. Denn „das Leben, das Universum und überhaupt alles“ in der ERP-Welt wird uns weit in Atem halten – und auch bei Atem.

 

Mobilmachung für den Decision Day

 

Jetzt mal unter uns gesprochen: Das Thema Cloud Computing wäre längst tot, wenn es nicht eine viel mächtigere Bewegung gäbe, die die Cloud unverzichtbar macht: Mobile Computing.

Denn während sich die Unternehmen nach wie vor nur zögerlich mit ihrem Bedarf nach Daten, Anwendungen und Rechenpower der Cloud anvertrauen und auch angesichts der juristischen Unwägbarkeiten der Datensicherheit auch kaum noch Gründe für ein solches Vertrauensverhältnis entwickeln können, ziehen die Besitzer von Smartphones und Tablets mit wehenden Fahnen in die Wolke. Sie leben nach dem Grundsatz, alles immer und überall verfügbar haben zu wollen – seien es private Daten und Apps, Zugänge zur Unternehmens-IT oder die Kommunikationsmöglichkeiten mit Partnern, Lieferanten oder einfach mit der ganzen Welt.

Mobile ohne Cloud – das geht gar nicht.

Aber Cloud ohne Mobil geht auch nicht. Denn dann bräuchte die Cloud kein Mensch. Das haben nahezu alle großen IT-Anbieter in den knapp zehn Jahren, seit die Idee von den weltumspannenden Rechenzentrumsdienstleistungen durch die Marketing-Materialien geistert, schmerzhaft gelernt. SAP hat sich mit Business by Design ein Milliardengrab geschaufelt. IBM hat beim Wechsel von der benutzerorientierten Hardware zu cloud-basierten Services einen Schuldenberg aufgehäuft. Microsoft verstrickt sich in juristischen Grabenkämpfen. Facebook verlor lange Zeit Marktanteile, weil es nicht gelang, Freunde auch mobil zu liken.

Das Problem mit dem Cloud Computing war und ist, dass ein im Prinzip gut funktionierendes Geschäftsmodell – das der Lizenzverkäufe nämlich – durch ein noch nicht austariertes Mietmodell abgelöst werden soll. Sicher ist dabei nur eines: ein Tal der Tränen von mindestens drei Jahren, in denen die Mieteinnahmen langsamer steigen als die Lizenzeinnahmen einbrechen.

Im mobilen Business ist das anders. Hier wird kein altes Geschäftsmodell abgelöst, weil es vor Apples iPhone überhaupt kein Geschäftsmodell für das Mobile Computing gab. Das ist das große Versäumnis der Telekom-Provider, die immer nur die Leitung gesehen haben, aber nicht die Leistung.

Niemand hat die Herausforderung, die sich aus der Kundenmobilität ergibt, besser erkannt als Google, das mit Android heute 80 Prozent der Neukäufe an mobilen Endgeräten beherrscht. An dieser Vormachtstellung wird sich auch in vier Jahren, wenn laut IDC der Anteil auf 77 Prozent zurückgehen soll, nicht wirklich etwas ändern. Da wirkt sich die mit der Nokia-Übernahme teuer erkaufte knappe Verdopplung bei Windows Phone geradezu lächerlich aus – von derzeit 3,5 Prozent der Neukäufe auf 6,4 Prozent. Apple verteidigt seine Nische derweil mit rund 14 Prozent Marktanteil für iOS. Wenn hier – und nicht in der Unternehmens-IT – die Cloud-Kunden der Zukunft stecken, kann es nicht verwundern, dass Google jetzt seine verschärften Sicherheitsstandards veröffentlicht. Es geht um das Vertrauen jener drei Viertel der mobilen Kunden, die Android-Smartphones nutzen.

Ganz allmählich identifizieren auch die traditionellen IT-Anbieter den mobilen Kunden. SAP schwenkt nach Jahren der auf die IT-Zentralen ausgerichteten Geschäftspolitik jetzt auf Angebote für den mobilen Anwender ein. IBM holt sich für den mobilen Anwender im Unternehmen die Unterstützung von Apple hinzu. Dass Microsoft mit dem Kauf der Handy-Sparte von Nokia allem Anschein nach einen Missgriff getätigt hat, widerlegt die These nicht, dass der mobile Kunde erst den Zugang und die Motivation zum Cloud Computing eröffnet. Niemand weiß das besser als endkundenorientierte Anbieter wie Amazon und Google. Sie haben ihre Strategie längst auf den mobilen Anwender ausgerichtet – und bieten dazu auch eine Cloud-Infrastruktur.

Ähnlich wie den Telekom-Anbietern, die beim Mobile Computing nur den Übertragungsweg sehen, aber nicht die Zielperson, könnte es jetzt auch den traditionellen Logistikdiensten ergehen, die nur auf den Stau starren und dabei den Kunden übersehen. Denn der Kampf um die letzte Meile zielt künftig nicht allein darauf ab, die Millionen Haushalte möglichst kostengünstig und zeitnah zu erreichen. Der Logistikkunde von morgen ist ein Moving Target, ein Kaufnomade, der morgens sein Frühstück nach Hause, mittags seinen Pausensnack an den (mobilen) Arbeitsplatz und abends das Gourmet-Paket zum Chill-out in die Szene gebracht haben möchte. Amazon und Google experimentieren deshalb mit Transportdrohnen, weil sie nicht nur den Stau überfliegen wollen, sondern weil sie erkannt haben, dass sie ihrem mobilen Kunden überall hin folgen können müssen. Mit digitalen Medieninhalten ist das im Mobile Computing kein Problem. Jetzt arbeiten sie sozusagen an der Cloud für alles Analoge.

Die Mobilmachung ist längst im Gange. Und es wird für die etablierten IT-Anbieter zum D-Day kommen. Der Tag, an dem sie merken, dass ihre Kunden im wahrsten Sinne des Wortes einfach davon gegangen sind.

Microsofts Bedrohung: iPhone, iPad, iBM

Vor fünf Jahren tat Microsoft einen Blick in den schauerlichen Abgrund, der sich angesichts der Weltwirtschaftskrise 2009 auftat. Damals mussten 5600 Mitarbeiter gehen, damit das Unternehmen durch die Krise kam. Heute, nach einem erneuten Blick in einen anderen, aber offenbar ebenso schauerlichen Abgrund, müssen erneut etwa 5500 Microsoft-Mitarbeiter das größte Softwarehaus der Welt verlassen. Diesmal wird die Krise durch den rapiden Wechsel vom Desktop zum mobilen Gerät bestimmt. Hatte Microsoft mit Windows im PC-Sektor gestern noch einen Marktanteil von 90 Prozent, sind es heute – seit Smartphones und Tablets in den Statistiken gleichwertig mitgezählt werden – nur noch 14 Prozent.

Jäher kann ein gefühlter Sturz kaum sein. Und er wurde auch im Vorfeld und auf der Worldwide Partner Conference (WPC) in der US-Hauptstadt Washington auch so verbalisiert: Vom „Underdog“ sprach COO Kevin Turner, vom „Herausforderer“ CEO Satya Nadella. Allerdings hoffen Analysten und Partner auch, dass sich Microsoft in einem gewandelten Markt erneut als „Disruptor“ – übersetzen wir das mal im Schumpeterschen Sinne mit „kreativem Zerstörer“ – erweisen wird. So wie der PC im Enterprise der 1980er Jahre (von IBM) zunächst nicht ernst genommen wurde, haben sich Smartphones und Tablets im Enterprise der Jetztzeit eine datenökologische Nische erobert, ein Alptraum für IT-Manager und CIOs – vor allem, wenn sie auf den Betriebssystemen iOS (Apple) oder Android (Google, Samsung) basieren.

An dieser Stelle sei für alle, die mit den Nachrichten der letzten Woche vertraut sind, eingeschoben, dass Microsoft in der Tat angekündigt hat, 18000 Stellen abzubauen. 12500 davon aber betreffen die Nokia-Handysparte, deren Integration soeben abgeschlossen wurde. Insgesamt wurden dabei 25000 Mitarbeiter übernommen – und jeder Zweite muss jetzt wieder gehen. In der unausgesprochenen Nachricht dahinter wendet sich Satya Nadella an seinen Vorgänger Steve Ballmer: Dieser Deal stinkt.

Es sei ein „guter Einstieg“ in die Neuausrichtung gewesen, kann sich Nadella in einer Mail an die Mitarbeiter im Vorfeld der WPC gerade noch abringen. Tatsächlich aber spielt die Musik für Microsoft in einer neuen Kultur – in der Entscheidungen nicht durch ein „njet“ blockiert, Berichtswege abgeflacht, Produktverantwortungen stringenter gelebt werden sollen. Deshalb öffnet sich Microsoft fremden Plattformen und wird Windows auf Fremdsystemen „für umme“ abgegeben. Windows 9 soll im kommenden Jahr gar als Basis kostenfrei und für dazu geladene Zusatzfeatures kostenpflichtig sein. Denn Microsoft, das ist die Message auf der Partnerkonferenz, sieht sich als Enabler für die Unternehmensproduktivität.

Alles wäre perfekt gewesen, wenn nicht zeitgleich das neue Traumpaar aus Virginia Rometty (IBM) und Tim Cook (Apple) ihr Aufgebot bekannt gegeben hätte: IBM wird kurzfristig rund 100 Business-Apps aus den dienstleistungsnahen, mobilitätsgeprägten Bereichen Gesundheitswesen, Handel, Reisen, Telekommunikation, Transport, Banken und Versicherungen für die jüngste iPhone- und iPad-Generation (also wahrscheinlich unter iOS 8) bereitstellen und deshalb auch Apples „i-Serien“ im eigenen Vertrieb vermarkten. Beide werden darüber hinaus Service und Support für Unternehmen ausbauen (bislang nicht unbedingt Apples Stärke). Das junge Paar will also nichts weniger sein als der Enabler für die Unternehmensproduktivität.

Microsoft, Apple und IBM drängen in wechselnden Allianzen ins „mobile Enterprise“, ein Markt, der – befördert durch zusätzliche Cloud-Angebote – die attraktivsten Wachstumsraten verspricht. Wo heute noch Wildwuchs herrscht, weil die CIOs das Management der mobilen Endgeräte nicht in den Griff kriegen, soll künftig die bewährte ordnende Hand von Microsoft oder IBM zu spüren sein. Die Geschichte des Network Computing wiederholt sich im Mobile Computing – jedoch nicht als Farce, sondern als Faszinosum. Gestern noch hatten die Marktforscher der Gartner Group ihren weltweiten Anwenderkunden geraten, die Sache mit den mobilen Endgeräten einfach laufen zu lassen. Jetzt wollen es die großen Ordnungsstifter der IT richten.

Apple hatte im Enterprise noch nie eine starke Position. Die Geräte waren einfach hipp genug für den Konsumermarkt und den darin zu schöpfenden wirtschaftlichen Wert. Jetzt kann sich Microsoft indirekt bestätigt fühlen, wenn Apple durch die neue Partnerschaft mit IBM eingesteht, dass das Service- und Systemgeschäft für Unternehmen nachhaltiger sein könnte als der schnelle Erfolg beim privaten Endverbraucher.

Aber diese Bestätigung kann teuer werden, wenn aus der Kombination aus iPhone, iPad und iBM ein total integriertes Mobilitätsangebot für Unternehmen entsteht. Der Markt hat ab heute drei Lager: Microsoft einerseits, IBM und Apple andererseits. Und dann können wir drittens auch noch auf die Reaktion aus dem Googleplex gespannt sein.

 

Moores Werk und Darwins Beitrag

Lange Zeit schien es, als würden die Naturgesetze für die Cloud nicht gelten. Die Anziehungskraft zum Beispiel, die Cloud Computing auf den Mittelstand ausüben sollte, ist seit Jahren ausgesetzt. Und auch Moores Gesetz, wonach sich die Dichte und damit Komplexität integrierter Schaltkreise alle 18 Monate verdoppelt, schien auf die Rechenleistung aus der Wolke keine Auswirkungen zu haben. Denn eine erste Ableitung aus dem Mooreschen Gesetz ist ja die erlebte Praxis, dass sich im Gegenzug die Kosten für eine und dieselbe Rechenleistung innerhalb dieser 18 Monate halbieren sollten.

Lange Zeit aber schien dieses Gesetz für die Cloud nicht zu gelten – die Infrastrukturleistungen, die aus der Wolke bereitgestellt werden, nahmen zwar kontinuierlich zu: mehr Speicher, mehr Rechenpower, mehr Übertragungsleistung. Aber der Preis für Infrastructure as a Service blieb seit einer halben Dekade erstaunlich stabil. Seit zwei Zyklen sollte Moores Gesetz auf die Kosten keinen Einfluss gehabt haben?

Doch. Seit 2013 herrscht gerade eine Preisschlacht unter den Anbietern systemnaher Cloud-Services. Nachdem lange Zeit Amazon das Preisdiktat innehatte, hat sich jetzt Google an die Spitze der Abwärtsbewegung gesetzt. Bis zu 40 Prozent weniger zahlen Googles Cloud-Kunden von einem auf den anderen Tag – und Amazon, Microsoft, IBM folgen en Suite. Wie eine Börsenkorrektur wurden die Preise praktisch auf das Plateau herabgesenkt, das Gorden Moore ihnen bereitet hatte.

Das ist durchaus eine schlechte Nachricht für jene Anbieter, die ihr margenschwaches Boxengeschäft durch ein attraktiveres Geschäftsmodell mit dem Cloud Computing ersetzen wollen – IBM zum Beispiel. Jetzt müssen es doch (nur) die Economies of Scale bringen, nach denen der Betrieb eines Rechenzentrums für viele kostengünstiger operieren kann, als viele Rechenzentren für jeweils einen.

Das ist aber auch eine schlechte Nachricht für jene Anbieter, die neben dem Cloud-Geschäft keine echte Cash-Cow außerhalb der Mooreschen Gesetzmäßigkeiten haben – Amazon zum Beispiel, deren margenschwaches Retailgeschäft zwar weltweit dominant ist und so ziemliche alles, was man kaufen kann, abdeckt. Aber der plötzliche (und diesmal nicht selbst angezettelte) Einnahmeverzicht schlägt schon ins Kontor.

Denn die Investitionen in weltweit operierende Service-Rechenzentren gehen mit den steigenden Kundenzahlen und den strenger werdenden legalen Anforderungen erheblich in die Höhe. IBM plant (wie berichtet) den Ausbau seines Dienstleistungsparks auf 40 Zentren und nimmt dafür mehr als eine Milliarde Dollar in die Hand. Microsoft hat im zurückliegenden Jahr insgesamt Investitionen von 4,3 Milliarden Dollar getätigt. Google haute sogar 7,4 Milliarden Dollar raus. Bei Amazon waren es 3,4 Milliarden Dollar. Obwohl es dank des Mooreschen Verdopplungsszenarios mehr „Bang for the Buck“ gibt, haben sich diese Investitionen in den letzten fünf Jahren praktisch verzehnfacht.

Bilanzgewinn ist nicht das Ziel im Preiskrieg, sondern Landgewinn. Es geht darum, die wachsenden Kapazitäten so schnell wie möglich auszulasten und Marktanteile überall dort hinzuzugewinnen, wo sich Nachfrage auftut – in den Industrieländern ebenso wie in den Schwellenländern wie in den unentwickelten Ländern. Denn für jede dieser Wirtschaftsregionen hat die Cloud ein eigenes Heilsversprechen: mehr Flexibilität hier, mehr Wachstum da und überhaupt Rechenleistung für alle dort.

Außerdem aber gilt es, das Terrain vorzubereiten für die wahre Königsdisziplin des Cloud Computings – die Bereitstellung von Software und Services, für Anwendungen und Analysen, für die denn auch stabilere Preise erzielt werden können. Google hat ebenso eine Office Suite im Angebot wie Microsoft – und beide wollen die Plattformen, von denen diese Cloud-Services genutzt werden, zur ubiquitären Wolkenwelt ausbauen. Apple und wiederum Google haben das gleiche Ziel auch mit Blick auf ihre App-Stores, in denen Milliarden von Kleindownloads das Geschäft stärken. Und IBM wie auch SAP verbreiten sich in der Wolke, um ihren Großkunden die Plattform der Zukunft zu bereiten. Oracle kündigt diesen Schritt für den Sommer 2014 an.

So schön diese Entwicklung für den Anwender ist, der sich nunmehr über stetig wachsende Rechenleistung bei kontinuierlich sinkenden Preisen freuen kann. Er kann seine Ressourcen für andere, mehr das eigene Geschäft betreffende Aktivitäten nutzen – und damit ein Versprechen der Cloud-Marketiers einlösen. So gefährlich ist das Spiel für die Anbieter, die immer höhere Investitionen bei sinkenden Margen nur mit mehr Effizienz kompensieren können. Der Markt freilich ist beliebig groß und angesichts von Mehrfachnutzern nicht einmal durch die Zahl der Weltbevölkerung begrenzt. Aber am Ende führt Moores Gesetz doch zu einem weiteren, noch mächtigeren Naturgesetz: Darwins „Survival of the Fittest“. Kann sein, dass wir uns erst im Mesozoikum des Cloud-Zeitalters befinden, wo Größe und nicht Hirn alles zählte. Aber dann kommen die Säuger der zweiten Cloud-Generation…