Es gab einmal eine wunderbare Zeit, in der beantworteten die für Öffentlichkeit zuständigen Mitarbeiter der Firma Internationale Büromaschinen jede die zukünftige Entwicklung betreffende Frage mit der schönen Sentenz: „We do not speculate about unannounced products“. Und dabei blieb es dann auch – man hatte wenigstens gefragt. Das Spekulieren übernahmen Analysten, die sich in exklusiven Eigenpublikationen oder im Wall Street Journal über die möglichen Eigenschaften kommender Produktgenerationen ausließen. Und auf der Basis dieser Spekulationen trafen Kunden dann Kaufentscheidungen in Millionenhöhe (Mark, versteht sich!).
Ja, so war das damals, in den fernen 1980er Jahren, als Benutzergruppen noch wie ein Rudel Pfadfinder durch den Anbieterwald pirschten, um den Weg zum nächsten Produktwallfahrtsort zu finden. Am Ort des „Heiligen Hollerith“ oder der „Heiligen Madonna der /360-Architektur“ ließen sich die Anwender, Analysten und Addicts einmal pro Jahr nieder, um den Botschaften von Big Blue zu lauschen – und ein Erinnerungsfoto mit nach Hause zu bringen („Da steh ich vor der Magnetkernproduktion.“). – Das nannte man dann die Pflege von Kundenbeziehungen.
Heute sind Customer Relations gar nicht mehr so einfach – denn erstens verlangen Kunden eine verlässliche Perspektive, während die Zwänge der Börsenlogik Spekulationen geradezu ausschließen. Und zweitens hat der Veranstaltungsgott neben Kunden-Jamboree, -Conference oder Convention noch zahllose Roadshows, Workshops und Meetings gestellt, an denen Anwender, Entwickler und Analysen sich synchronisieren und miteinander sympathisieren können. Und natürlich gibt es Blogs und White Papers, Webinars und Podcasts, auf denen die Kakophonie der Community abgerufen werden kann.
SAP, immerhin eine Gründung ehemaliger IBMer, kommuniziere viel zu wenig mit ihren Anwendern, beklagten jetzt die SAP-Benutzervereinigungen auf den Britischen Inseln. Da hat man nicht nur auf die Sapphire verzichtet, sondern auch sonst in der Dauerdebatte einiges schleifen lassen. „Es besteht die Auffassung, bei SAP mangele es an Innovation“, hieß es auf der UK and Ireland Conference. „Tatsächlich gibt es Innovationen tonnenweise – sie werden nur nicht kommuniziert.“
In der Tat ist da was faul. Seit Monaten lässt sich der deutsche Softwareanbieter, immerhin der weltgrößte Lieferant von Unternehmenslösungen, nahezu unwidersprochen beschimpfen und als Programmierbude verunglimpfen, der noch nicht einmal ein mittelstandgerechtes ERP-System gelinge. Da wird Business by Design zu Business by Desaster umgedichtet – und niemand in der SAP hält dagegen…
Das Ganze erinnert in gespenstischer Weise an die Schockstarre, in der sich IBM Anfang der 1990er Jahre befand, als das Unternehmen auf die 100-Milliarden-Dollar-Umsatzmarke zusteuerte und dabei vergaß, Gewinn zu machen. Fast ein halbes Jahrzehnt hatte Big Blue gebraucht, um sich selbst und damit seine Sprache wiederzufinden. SAP ist nicht mehr misslungen als die zu frühe Ankündigung eines zu anspruchsvollen Produkts. Schweigen ist in dieser Situation Blech. Reden ist Gold.