SAP: Was ist bloß mit dieser Firma los?

Ein Wort wird umgehen in den kommenden Tagen: was bedeutet es, eine „happy company“ zu sein. SAP-Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner brachte das Wort in die Telefonkonferenz am Tag Eins nach dem – für Außenstehende – überraschenden sofortigen Rücktritt des SAP-Vorstandsvorsitzenden Léo Apotheker. Die Mitarbeiterbefragungen, so gestand Plattner auf Rückfragen zu, haben keine besonders guten Ergebnisse erbracht: Bei internen Unternehmensprozessen sowie der Vermittlung der Unternehmensstrategien sei es nicht gelungen, die Mitarbeiter einzubinden und zu motivieren. Schlimmer noch: der sogenannte Employee Engagement Index, also der Orientierungswert, der die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen signalisiere, ist offensichtlich signifikant gesunken und liege nun „nur“ noch im Durchschnittsbereich der attraktivsten 25 Prozent der Unternehmen. Dem Aufsichtsrat scheint hier der Geduldsfaden mit seinem Vorstandsvorsitzenden gerissen zu sein.

Man wolle nun wieder „die Produktinnovationen mit den Kundenanforderungen“ zusammenbringen, hieß es in der eilig am Sonntag formulierten Erklärung. Diese Zielsetzung ist ebenso trivial wie essenziell. Die Pauschalität des Statements offenbart allerdings ein tiefes inneres Zerwürfnis. Als öffentlich gehandeltes Unternehmen muss SAP die Profitabilität hoch halten. Als Unternehmen, das mit seinen traditionellen Server-Lösungen leicht, aber eben doch kontinuierlich Marktanteile gegen jüngere und innovativere Anbieter verliert, ist aber ebenso Innovation gefordert. Das eine sollte durch die Anhebung der Wartungsbeiträge, das andere durch OnDemand-Angebote erreicht werden. Beides ist bislang nur beinahe erreicht worden. Offensichtlich hat der Aufsichtsrat auch hier das Ende des Langmuts erreicht.

Auch sonst werden mit Léo Apothekers Amtszeit Gesten in Verbindung gebracht, die alles andere als glücklich wirken: das Friedensangebot an Oracles Larry Ellison beispielsweise, das ein wenig hilflos und unmotiviert daherkam. Auch wenn der scheidende CEO die rechtlichen Auseinandersetzungen um TomorrowNow kaum alleine verantworten muss. Gelöst hat er sie auch nicht.

Knallen jetzt die Korken bei der SAP? Das Unternehmen ist mit 45.000 Mitarbeitern und einer vierzigjährigen Produktvergangenheit so beweglich wie ein Tanker unter Volllast im Suezkanal. Wenden ist nicht möglich – schon gar nicht in einem knappen Jahr. Aber Vollgas geben ist eine Alternative zum bisherigen Stop-and-Go: Großankündigung von Business by Design! Dann ein Jahr Pause zum Business Redesign. Vollgas bei der Wartung! Dann Rücknahme der Ankündigung. Das sind nicht unbedingt die Nachrichten, aus denen Anwender die Zuversicht für künftige Investitionsentscheidungen ziehen. Partner übrigens auch nicht.

Die personellen Entscheidungen lassen erkennen, dass SAP wieder stärker über Technologien auf ihren Markt einwirken will. Hasso Plattner machte vor allem auf die voraussichtliche Verfügbarkeit der In-Memory-Datenbank zur Sapphire in Orlando aufmerksam. Sie wird von dem Aufsichtsratsvorsitzenden seit langem mit aller Macht vorangetrieben. Ihre technologischen Hintergründe hatte nicht etwa Léo Apotheker auf der Influencer Conference in Boston gegenüber Analysten dargestellt, sondern Vishal Sikka, der als Chief Technology Officer nunmehr Vorstandsrang erhält. Und mit der Doppelspitze Jim Hagemann Snabe (Produktentwicklung) und Bill McDermott (Vertrieb) beendet SAP das Experiment, eine vertriebsgetriebene Company zu sein: Denn auch der Technologe Hasso Plattner wird sich künftig wieder stärker engagieren. Dann sind die Entwickler „happy“. Werden es Kunden und Partner auch?

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