Wenn der Partner (ab)schafft

Der ADAC hat sich wieder einmal mit dem zentralen Problem aller Autofahrer befasst: Vertragswerkstatt und teures Geld, oder freie Werkstatt und Geld sparen? Das Ergebnis des Stichprobentests ist ebenso eindeutig wie naheliegend: natürlich fährt man bei den markengebundenen Serviceeinrichtungen auf Nummer sicher. Aber was ist schon sicher? Drei von vier der im Auto versteckten Fehlfunktionen wurden entdeckt, obwohl 100 Prozent möglich gewesen wären, wenn der Mechaniker die Wartungsvorschriften des Herstellers genau befolgt hätte – und das könnte eine freie Werkstatt genau so gut wie eine Vertragswerkstatt.

Für die Automobilhersteller sind die Vertragswerkstätten ein entscheidendes Element des Geschäftsmodells – sie sichern die Markentreue der Kunden ab. Nicht das Kauferlebnis entscheidet über das Image eines Automobils, sondern die Total Costs of Usage. Der Service-Partner sichert heute schon die Markenwahl von morgen ab: Getreu dem Motto: „safe tomorrow now“. Hoppla – wir waren bei Autos, nicht bei Software.

Wer also seinen Daimler bei einer freien Werkstatt warten lässt, bei der bevorzugt Volkswagen auf dem Hof steht, sich aber darauf verlassen kann, dass die Mercedes-Wartungsvorgaben eingehalten werden, dann… Moment mal – durfte der sich jetzt die Wartungsunterlagen überhaupt downloaden oder war das schon die Verletzung geistigen Eigentums? Wenn er eine (bezahlte) Prüfung ablegt…

Es geht gar nicht darum, während eines laufenden Prozesses über Gut und Böse, Recht und Unrecht zu rätseln. Auch nicht, da die Tat ja schon eingestanden ist, über das Ausmaß von Schuld und Sühne. Es geht eher um die Frage, wie sich in einer weltweit verzweigten Ecosphäre Mitschuld und Mitverantwortung verteilen.

Bei einer weisungsgebundenen Tochtergesellschaft dürfte das recht klar sein. Aber was ist mit den indirekten Vertriebs- und Service-Kanälen, die sich die großen Leitarchitekturanbieter der Informationswirtschaft aufgebaut haben, um ihre Kunden an jedem Ort der Welt zu jedem Zeitpunkt den Support zukommen zu lassen, der für das Fortbestehen der Geschäftsbeziehung so entscheidend ist? Da betreut die eine Business Unit die Microsoft-Installationen, während die andere sich um, sagen wir: Oracle kümmert. Die einen entwickeln mit Dot.Net, die anderen mit Java – und morgen andersrum.

So unglaublich naiv, illoyal und illegal die Aktivitäten von TomorrowNow auch gewesen sein mögen – der Prozess in San Francisco entscheidet neben der Schuld und der Sühne auch über die Frage, ob Kunden einen Besitzstand darstellen. Es ist die durchaus falsche Vorstellung von einer Kundenbasis, von Bestandskunden im Sinne eines bereits eroberten und eingemeindeten Terrains, der hier mit vor die Jury gezerrt wird. Kunden gehören nämlich zunächst einmal sich selbst. Und auch Partner schaffen das am besten, was ihren eigenen Interessen nützt – das wird (leider) allzu oft am Rande der Loyalität und Legalität gehandelt.

Ein Gericht kann diese Dynamik kaum durch einen Richterspruch einfangen – zumal das Tempo der wechselnden Vertrags- und Vertretungs-Beziehungen durch die Cloud noch zusätzlich beschleunigt wird. Das muntere Platform-Hopping, der stete Wechsel von App zu App, scheint jetzt bereits bei Funktionen, die nicht gerade zu den kritischen Kernprozessen eines Anwenders gehören, fröhliche Urständ zu feiern. Eines ist dabei gewiss: das geistige Eigentum geht im Internet auf Reisen – man kann es auf lange Sicht wohl nur für sich behalten, wenn man es nicht mehr teilt.

Aber das schafft dann auch den Partner ab. Der schafft dann schon längst beim nächsten geistigen Eigentümer. Das ist zwar eine gefährliche Moral, aber eine wahre.

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