Jetzt auch in Nebraska

Eine Adresse mit Symbolgehalt: P.O. Box 286 DOS. Wer seine Bestellung an diese Adresse in Redmond, Washington schickte und 99 Dollar beilegte, bekam eine fabelhafte DOS-Erweiterung: „Windows 1.0“ hieß das Teil und die Postadresse machte schon mal allen klar, dass nur echte Nerds überhaupt Gefallen an diesem – wie es damals hieß – Advanced Operating Environment haben würde. Denn im PC musste schon der superschnelle Intel 80286 Mikroprozessor ticken, wenn man in den Genuss der ersten „grafischen“, mausgestützten Oberfläche für MS-DOS gelangen wollte.

Und was es alles dafür gab: „MS-DOS executive, an appointment calendar, a cardfile, a notepad, a clock, a control panel, a terminal clipboard, a RAM driver, AND CAN YOU BELIEVE IT, REVERSI”. Wir zelebrieren heute den 25sten Jahrestag von, na? sagt da einer Windows? ach was: vom (unserer Kenntnis nach) ersten Video-Auftritt des vermutlich größten Showtalents in der IT-Branche: Steve Ballmer. Schauen Sie mal rein (aber dann unbedingt weiter lesen): Ballmer Selling Windows

Jetzt wissen wir also, seit wann es Reversi auf dem PC gibt.

Und Windows selbst? War das der Durchbruch für Microsoft, für den PC, für die Welt? Als notorischer Spaßverderber wollen wir zunächst einmal daran erinnern, dass es der Xerox PARC war, wo schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Maussteuerung entwickelt und auch einer staunenden Fachwelt vorgestellt wurde – auf bernsteinfarbenem, monochromem Bildschirm. Und es war 1983, als Apples Lisa für schlappe 10000 Dollar die grafischer Benutzeroberfläche an den (reichen) Fachmann brachte. Xerox verpasste die Vermarktung, Lisa floppte wegen des Pricings und Windows gurkte vom Release 1.0 bis zum Release 2.11 eher vor sich hin. Der Microsoft-affine PC-Nutzer blieb bei DOS und Word mit Klötzchengrafik.

Aber dann, 1990 – also vor 20 Jahren, und das ist ja schließlich auch ein Jubiläum – folgten Windows 3.0 und 3.1 und die Sensation war perfekt – jedenfalls für den größten Teil der PC-Benutzer. Der kleinere Teil rümpfte die Nase und schwor weiterhin auf die schickere, ergonomischere und irgendwie angesagtere Macintosh-Oberfläche. Elite ist schön, aber einsam: so ging nur der kleinere Teil des GUI-Umsatzes an Apple, was schließlich zum Rechtsstreit zwischen Microsoft und Apple führte, den Steve Jobs jedoch nicht für sich gewinnen konnte, weil seine Innovationen selbst „geliehen“ waren. Es ist schon auch ein Treppenwitz der Technologiegeschichte, dass der Erfinder der Xerographie durchs Kopieren aus dem PC-Markt gekegelt wurde.

Und noch einmal fünf Jahre später – 1995 – besangen die Rolling Stones das Erscheinen von Windows 95. „Start me up“ lenkte die Aufmerksamkeit auf eine der wichtigsten Innovationen der Windows-Welt: den Start-Button, den man auch zum Ausschalten benutzt. Windows 95 war der definitive Durchbruch, der aber noch einen mit Windows 98 behobenen Schönheitsfehler hatte: die Komplettintegration mit dem Internet. Was folgte waren ganz gute Weiterentwicklungen, ehe mit Windows Vista ein Marketing-Flop produziert wurde. Von der Investitionspause und dem damit verbundenen Nachholbedarf profitiert Microsoft heute: 240 Millionen Versionen von Windows 7 sind inzwischen in der Welt.

Windows ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass nicht notwendigerweise der technologische Durchbruch die Marktführung bringt, sondern die Gesamterscheinung aus Nutzen und Marketing. Für kein anderes Produkt der IT wurden so viele Marketing-Millionen investiert wie für Windows. Aber es zahlt sich aus: fast die Hälfte des Microsoft-Gewinns entstammt heute der Windows-Produktsparte, sagen Analysten.

Als Steve Ballmer 1985 in bester Komikermanier Windows anpries, verprellte er mit einem Ulk zum Schluss die 1,7 Millionen Einwohner Nebraskas. „Außer in Nebraska“ war vor 25 Jahren eine stehende Redewendung in Commercials, weil der US-Bundesstaat in den Great Plaines die Heimat vieler Call Center wurde, die für ihre 800er Nummern die brachliegenden Telefonleitungen für das Strategic Air Command in Omaha nutzten. (Dafür hätten sie bei einem atomaren Angriff unverzüglich die Telefonleitungen freimachen müssen.) Diese Leitungen durften aber nur grenzüberschreitend, also von einem anderen Bundesstaat aus genutzt werden, womit die Nebraskaner außen vor blieben.

Der völlig unmotiviert angehängte Ulksatz bietet Stoff für Verschwörungstheorien. Das Strategic Air Command nutzte damals schließlich Unix, dessen Siegeszug von Universitäten und Behörden herbeigeredet werden sollte. Daraus wurde nichts. Heute haben 90 Prozent aller PCs, so schätzen Analysten, Windows installiert – jetzt auch in Nebraska.

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