Alle reden vom Wetter – und keiner geht hin

2010 haben wir Mobilisten so ziemlich alles erlebt: Vulkanasche im europäischen Luftraum, einstürzende Straßen und unterspülte Brücken, ausgefallene Klimaanlagen und Hitzeschocks, Eisklumpen an ICE (sic!) Zügen,  Schlägereien auf Flughäfen, Streusalzarmut auf deutschen Straßen und an internationalen Flugzeugen. An den wenigen Tagen, an denen das Wetter keine Kapriolen schlug, streikten wechselweise Lokführer, Piloten, Fluglotsen oder es ging – wie in Frankreich – gleich gar nichts mehr. Geschäftsreisen, diese auf die Minute durchgeplanten Kurzurlaube zwischen Frühstück und Abendessen, sind praktisch undurchführbar geworden. Aber man hat ja Facebook, Twitter, Skype und fürs Sightseeing Google Streetview.

Viele meinen ja, GreenIT wäre, wenn wir mit unseren Computern und Electronic Systems weniger Strom verbrauchen könnten oder anderen dabei helfen, weniger Strom zu verbrauchen. Der wahre Nutzen aber hat sich im vergangen Jahr erstmals so richtig bewährt: Green IT ist, wenn man die Reise gar nicht erst antritt und somit seinen CO2-Fußabdruck auf Schuhgröße 36 reduziert. So gesehen war übrigens der Ausbruch des isländischen Eyjafjallajökull die erste CO2-neutrale Eruption. Statt Flugreisen also Conference Calls, statt Zugfahrten Facebook, statt Autobahn Twitter. Wir ersetzen Miles&More ganz einfach durch die Flatrate.

Insofern müssten wir auch gar nicht zur CES nach Las Vegas reisen, um die künftigen Tablet-PCs zu bestaunen, die den 95prozentigen Marktanteil von Apples iPad am weltweit 17 Millionen Stück großen Markt angreifen sollen. Wir Europäer leisten unseren Beitrag am Klima-Accord durch Fernbleiben statt Fernreisen. Schließlich kommen die Amerikaner ja auch nicht zu unserer CeBIT.

Aber dank GreenIT  müssen wir auch nicht mehr reisen – selbst dann nicht, wenn gerade kein Vulkan die internationalen Flugrouten lahmlegt oder das Enteisungsmittel wieder in Fülle verfügbar sein sollte. Auf der heute beginnenden Computer Electronics Show in Las Vegas werden durch die Bank TV-Geräte,  Smartphones und Touchpads vorgeführt, die uns dabei helfen, nicht nur Formate und Content beliebig miteinander zu verknüpfen, sondern vor allem Menschen zu verbinden.

Eine ganze weltumspannende Content-Architektur hat im CES-Vorfeld Cisco angekündigt. Dass der Netzwerkspezialist endlich in das Rennen um den Multimilliardenmarkt für Social Media einsteigen würde, war lange erwartet worden. Mit Videoscape zeigte Cisco-CEO am Messevorabend jetzt eine „Connect-Everything-with-Everything“-Strategie, die es Medienunternehmen, Diensteanbietern und Elektronikherstellern möglich machen soll, die letzten Barrieren zwischen Internet und Fernsehen, zwischen IP und TV, zwischen Narrowcasting und Broadcasting zu überwinden. Und das Beste: auch nicht-digitale Fernsehgeräte aus dem letzten Jahrtausend sollen eingebunden werden. Aber warum sollten wir die noch benutzten wollen?

Videoscape wird seine Jahre brauchen, bis ein weltweit harmonisierter Standard es uns erlaubt, alles und jedes miteinander zu verknüpfen. Aber die Vision ist so naheliegend wie technisch anspruchsvoll: selbstproduzierte Videos vom letzten Familienfest oder der jüngsten Produktankündigung werden über IPTV ebenso zielgruppengenau verbreitet wie die jüngsten TV-Serien – egal, ob auf dem Fernseher, dem Smartphone oder Applet-PC. Zusatzinformationen können sofort aus dem Videocontent aufs Handy verschoben werde. Und Kommentare zu den aktuellen Ereignissen lassen sich gleich dazu posten. Wozu also noch hingehen, wenn man auch mit IPTV hautnah dabei ist.

Natürlich ist Videoscape zugleich eine Plattform für Videokonferenzen, soziale Netzwerke und Videoblogs. Wir interagieren nicht mehr per Maus, sondern über die Fernbedienung. Nein, die gute alte Remote Controll hat auch keine Zukunft mehr – auch das ist ein klarer Trend der CES. Die Gestensteuerung kommt, da kann man sich drehen und wenden wie man will. Was in Nintendos Wii und Microsofts Xbox Kinect derzeit nur Wohnzimmereinrichtungen gefährdet, wird künftig auch unser Geschäftsleben revolutionieren. Gesten sagen ohnehin mehr als tausend Worte.

Bei so viel Interaktion kann man sich in der Tat fragen: Warum noch reisen? Investieren wir lieber in Facebook, dessen Community 2011 auf eine Milliarde Freunde anwachsen könnte – ganz ohne Reisetätigkeit. I like it: Daumen hoch – auch eine Geste.

Ein Gedanke zu „Alle reden vom Wetter – und keiner geht hin“

  1. Gut gebrüllt Löwe. Was den Co2 Fußabdruck angeht, stimme ich voll zu. Ich glaube aber, was die CES 2011 an Trends erkennen läßt, geht weit über das Gesagte hinaus. Nach meiner Beobachtung ist die CES ein Meilenstein in der Prozessorarchitektur. Ob Nvidia, Intel, AMD, ARM, alle Halbleiterhersteller kombinieren Grafikchip und Prozessor und ermöglichen eine weitere Miniaturisierung von Devices. Und in diesem Zusammenhang ist die Ankündigung von Microsoft, mit der nächsten Version von Windows sogenannte System on a Chip (SoC) Systeme zu unterstützen wegweisend. Man wird sich künftig nicht mehr mit Kompromissen a la iPad zufrieden geben müssen. Viele Grüße aus Las Vegas 🙂

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