Wolkige Bettgesellen

Beinahe wäre die Mission beendet gewesen, bevor sie so richtig begonnen hatte: Aus dem Lautsprecher des Stockholmer Flughafens röhrte es „Mr. Steven Ballmer, please proceed to the information counter!“ Auf einen Schlag wussten Tausende Geschäftsreisende, dass der Microsoft-Chef in Skandinavien weilte. Die geheime Mission, die den energischen Boss der Windows-Company im Januar 2011 zum nebelbedingten Zwischenstopp auf dem Weg nach Helsinki zwang, war nun alles andere als geheim – dafür sorgte das Wall Street Journal, das sofort nicht nur die Nachtigallen trapsen, sondern auch die Nokia-Handys polyphon piepen hörte.

Doch der Deal gelang. Nokia-Handys werden nunmehr ausschließlich mit Windows Phone 7 ausgestattet. Der Super-GAU, nämlich dass Google mit Android Nokias Hoflieferant werden könnte, war abgewendet. Die Marktlage ist ohnehin schwierig genug: Ende 2010 reklamierte Microsoft mit Windows Phone 7 einen Marktanteil von 3,1 Prozent bei Smartphones, Google allerdings 32,9 Prozent. Überraschend war und ist nur das Folgende: Microsoft lässt sich den Deal mit Nokia, das ja nun wirklich nicht mehr in der vordersten Reihe bei Smartphones rangiert, aber immerhin mit 400 Millionen Geräten noch der größte Handyhersteller ist, eine Milliardeninvestition in die gemeinsame Entwicklung kosten. Nokia wurde der Verzicht auf das eigene, ohnehin abgeschriebene Symbian-Betriebssystem geradezu vergoldet.

Aber was ist schon eine Milliarde an Entwicklungskosten, wenn gleichzeitig 8,5 Milliarden Dollar für den Internet-Telefondienst Skype geboten werden? Die knapp 700 Millionen Skyper sollen künftig volle Integration auf der Xbox, Kinect und Phone 7 genießen. Und Microsoft hofft, mit Skype nicht nur einen weiteren Telefonkanal zu schaffen, sondern vor allem Videokonferenzen über Outlook und Office bieten zu können. Da ist die Ankündigung, dass Microsoft nun auch in RIMs Blackberry investieren will, schon fast eine Fußnote der Geschichte. Die – nach Marktzahlen zweitklassige – Suchmaschine Bing soll künftig von den Blackberrys favorisiert werden.

Für Nokia und RIM, die beide zuletzt nicht gerade Marktstürmer waren, dürfte das parallele Investment in mobile Internettelefonie – hier Smartphones, dort Voice over IP – irritieren. Microsoft ist offensichtlich händeringend auf der Suche nach Absatzkanälen, über die den Konkurrenten Apple und Google das Marketing-Wasser abgetragen werden kann. In der Theorie klingt es vernünftig. Die Praxis aber lehrt uns, dass sich Unternehmen mit jahrzehntelangen Technologieinvestments schwer tun, alte Pfade zu verlassen.

Doch der Dreier aus Skype, RIM und Nokia ist nicht die einzige merkwürdige Bettgesellschaft, die sich unter Microsofts Wolkendecke begibt. Blühende Landschaften sollen auch auf Microsofts Azure Platform entstehen, setzte SAP auf der Sapphire nach. SAPs „Landscape Management Software“, die die Verwaltung von öffentlichen und privaten Cloud-Installationen erlaubt, soll mit Microsofts Private-Cloud-Services verknüpft werden. Wann? Weiß man nicht.

Geradezu nebulös ist die Ankündigung der SAP auf der Sapphire, künftig auf die Cloud-Services von Amazon zu setzen. Das Announcement kam wenige Tage nach dem Schwarzen Karfreitag, an dem Amazons Cloud-Services crashten. Auf diesen sind aber jetzt sowohl SAP BusinessObjects-, als auch SAP-Rapid-Development-Lösungen verfügbar. Demnächst sollen auch die ERP-Suiten hierüber genutzt werden können. Dann müssten eigentlich noch Ankündigungen zu Netweaver auf dem Blackberry und Business by Design auf künftigen Nokia-Smartphones folgen. – In der Cloud wächst auch zusammen, was nicht zusammengehört.

Ein Gedanke zu „Wolkige Bettgesellen“

  1. Tod gesagte leben länger, sagt ein altes deutsches Sprichwort. Microsoft hat in der Vergangenheit schon zweimal gezeigt, wie das geht (Internet, Spielekonsolen) und setzt nun an, seinen Platz in dem Cloud-basierten Markt für stationäre und mobile soziale Kollaboration zu besetzen. Mit etwas Glück rettet Redmond damit gleichzeitig eines der einstigen europäischen Vorzeige Hightech-Unternehmen (Personaltransfer an die Spitze hat es ja schon gegeben). Uns Kunden kann das nur Recht sein; denn jeder neue technologisch potente und finanzstarke Anbieter erweitert unsere Wahlmöglichkeiten. Gespannt kann die Fachwelt jetzt zugucken, wie sich das dereinst auf dem Desktop groß gewordene Unternehmen, für und mit Sozialen Netzen wandelt.

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