Ballmer, gib 8

Jetzt war ja wieder Wahlabend gewesen und man konnte Theo Koll im Zweiten dabei zusehen, wie er mit dem Touchscreen kämpft. Peter Kloeppel geht es bei RTL auch nicht besser. Und man bekommt einen schönen Eindruck, wie sich die Welt verändern wird, wenn Microsofts Office künftig als Metroversion auf den Markt kommt: Statt ein durch exzessives Mausklicken verursachtes Karpaltunnelsyndrom droht dann die Schulterluxation als Bürovolkskrankheit.

Es wird noch eine ganze Reihe von Usability-Studien geben, ehe Microsoft mit einem Touch-Office die „Verkachelung“ des Bildschirms vorantreibt. Was bisher eng mit Smartphones und Tablet-PCs à la Apple assoziiert wird, soll den Gerüchten aus Redmond zufolge künftig auch das Aussehen der Bürosoftwaresuite von Microsoft beeinflussen. Denn mit dem für Frühjahr 2012 anvisierten Windows 8 soll auch die Windows-Welt allmählich auf „tile and touch“ umgestellt werden – auf kacheln und kuscheln, sozusagen. Und bis spätestens 2013 wird Office diesem Paradigma folgen. Eine erste Vorstellung können derzeit schon die (seltenen) Nutzer von Windows 7 Smartphones erlangen, die bereits auf der „Metro“ genannten Benutzeroberfläche herumtatschen.

Es scheint so, als nahte die Appleisierung der Microsoft-Welt. Windows 8 soll nicht nur Touchscreens unterstützen, sondern – die Revolution schlechthin – innerhalb von Sekunden booten! Anwendungen erscheinen nicht mehr im Window (war eh ein blöder Name, oder?), sondern als Kachel, die beliebig angeordnet werden. Und: natürlich wird es einen Windows-Acht-App-Store geben, von dem aus sich Anwendungen, Gadgets und Apps herunterladen lassen.

Ein bitterer, später Triumph für den erkrankten Steve Jobs, der nach drei Jahrzehnten strenggläubigem Alternativismus miterleben muss, wie der Mainstream umgeleitet wird. Denn mit Windows Acht will Steve Ballmer zum endgültigen Vernichtungsschlag gegen Apple ausholen, indem er Apple einfach kopiert. Windows wird zur Kachel, zum „App-igonen“.

Und gleichzeitig werden sich die Redmonder über Jahre hinaus in einem schmerzhaften Spagat zwischen der alten Klick-Welt auf dem Desktop und dem neuen Touch-Mahal auf dem Tablet stehen. Dies kommt fast der Wiederholung (oder Fortführung) des Glaubenskrieges zwischen Fat und Thin Client gleich. Es ist das innere Schisma, das sich seit der Erkenntnis durch Redmond zieht, dass die Welt sich zwischen Client/Server und dem Internet aufspaltet.

Der Schritt, den Ballmer von Windows 7 auf 8 vollziehen will, ist gigantisch. Denn künftig müssen nicht nur zwei Ergonomie-Auffassungen, sondern auch zwei Prozessoren-Welten bedient werden: hier die klassische x86-Welt, die allmählich abdankt, dort die neuen Systems-on-a-Chip. Deren ARM-Architektur hatte Microsoft 2010 lizenziert. Im mp3-Player Zune steckt sie schon drin, in der Xbox hingegen ticken (trotz Kinect) noch PowerPC-Chips. Jetzt soll also auch die Windows/Office-Welt umgestellt werden. Es sollte nicht verwundern, wenn Windows 8 (wie schon einige unselige Windows-Varianten zuvor) eine Verspätung nach der anderen überstehen müsste. Windows mit einer liegenden Acht?

Und ebenso schwer wie die technische Umstellung dürfte die ergonomische Umerziehung der halben Menschheit sein, die heute durch die Maus vereint ist. Es wird Jahrzehnte dauern, ehe der letzte Mausianer seinen Klickreflex überwindet. Im Vergleich dazu ist die Migration ins Cloud Computing eine luftige Nummer.

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