Realwirtschaft und Albtraumpolitik

Der 99. Bonnblog erscheint nicht nur wegen des Tags der deutschen Einheit früher, sondern auch wegen des (gewesenen) Tags der deutschen Industrie. Es muss einfach raus, was mich und viele andere Unternehmer in diesem Lande umtreibt: die bittere Erkenntnis, dass die Realwirtschaft das Opfer der Finanz- und Währungskrisen ist, die dieses Land, diesen Globus seit über drei Jahren krisenschüttelt und verschiffschaukelt.

BDI-Präsident Hans-Peter Keitel hat es in offenen Worten an die Bundeskanzlerin klar ausgesprochen: bei aller Dramatik und Drangsal, die die Geldkrisen erzeugen, sind es die ewigen Adhoc-Hilfsaktionen, Sanktionsbeschlüsse und Milliardenprogramme, die in der Wirtschaft inzwischen das Gegenteil ihrer ursprünglichen Zielsetzung erreichen. Statt Sicherheit Beliebigkeit, statt Verlässlichkeit Realitätsferne. Es wird nicht schwieriger, Unternehmen durch raue Zeiten zu navigieren – schwierig war es schon immer! Inzwischen aber ist es unmöglich, verlässlich zu planen, weil die Regeln und Mutmaßungen, auf die sich Unternehmensentscheidungen stützen müssen, schon nach wenigen Monaten keine Grundlage mehr darstellen. Ja, mehr noch: wir brauchen in der Regel keine neuen Regelungen, es würde reichen, wenn die bestehenden Regeln endlich eingehalten würden – regelmäßig und regelgemäß, sozusagen.

Die Realwirtschaft hat keine Krise, aber sie wird durch Albtraumpolitik um ihren Erfolg gebracht. Dies muss man sagen, auch wenn im zweiten Jahr in Folge das Bruttoinlandprodukt um 3,7 bzw. 3 Prozent zunimmt; auch wenn 41 Millionen Menschen in Arbeit die Sozialbudgets entlasten und dem Fiskalstaat neue Spielräume gewähren. Drei Viertel dieses Wachstum entstammt der Leistung der Industrie und der industrienahen Dienstleister. Die Politik der Beliebigkeit riskiert nicht etwa nur einzelne Unternehmen, sie zerrüttet dieses komplette wirtschaftliche Fundament.

Es bringt genügend unternehmerische Herausforderung mit sich, wenn man sich auf globalen Märkten bewähren will. Wie kaum eine andere Branche bringt die Informationstechnologie Chancen und Risiken der Globalisierung in jedes Unternehmen. Sie bietet mit dem Web und der Cloud einerseits die weltumspannende Infrastruktur für ein globales Angebot. Sie bietet aber auch mit ihren Netzen das Nervensystem, in dem gewagte Finanztransaktionen im großen Stil in Sekundenbruchteilen zu neuen Situationen führen. Sie bildet mit ihren Services die Plattform für internationale ausgelegte Geschäftsprozesse der Real- und Finanzwirtschaft.

Zum ersten Mal haben nun Groß und Klein, Mittelständler und Monopolist vergleichbare Chancen – etwa durch globales Sourcing, etwa durch internationalen Support. Der – sicherlich weiterhin signifikante – Unterschied besteht in Skaleneffekten, in der Economy of Scale. Dennoch gilt: die mittelständischen Macher haben den gleichen Set an Mitteln und Möglichkeiten wie Konzern-Kapitäne.

Das bietet eine lange Zeit unbekannte Dimension des New Deal in einem globalen Maßstab. Es ist entsetzlich mit anzusehen, wie diese Chancen der Realwirtschaft durch Albtraumpolitik behindert werden.

Dieser Blog macht sich gegen die Blockade aus der Politik Luft.

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