Sell in May and go away – sagen Börsenexperten und empfehlen, Ende April das eigene Depot zu überprüfen und Gewinne mitzunehmen. Aber auch Ende Mai scheint es dieses Jahr noch Anlass für eine Depotbereinigung zu geben. Denn bereits am ersten Handelstag geriet die Facebook-Aktie stark unter Druck. Nur erhebliche Stützungskäufe der Ausgabebank Morgan Stanley haben vor dem Wochenende verhindert, dass die Aktie bei ihrem Debüt unter den Ausgabekurs rutschte. Die Woche danach dürfte jetzt zeigen, ob diejenigen Recht behalten, die die Aktie ohnehin für hoffnungslos überbewertet hielten. Die Woche der Entscheidung begann jedenfalls in Frankfurt mit einem Abschlag um fünf Prozent.
Noch freilich ist Mark Zuckerberg in Feierlaune – erst Geburtstag, dann Börsengang, dann Hochzeit. Doch jetzt geht es wieder an die Hausaufgaben: Bezahlte Nachrichten, Online-Shopping, mobile Werbeanzeigen – die Freunde-Seite muss künftig einiges an zusätzlichen Umsatzquellen erschließen (und damit auch manchen Tabubruch begehen), um das massive Umsatzwachstum, auf das die euphorischen Aktienkäufer setzen, auch tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen. Denn um einen Börsenkurs zu rechtfertigen, der derzeit das Hundertfache des Jahresumsatzes beträgt, muss Facebook in den nächsten beiden Jahren kräftig wachsen – mindestens hundertprozentig. Die nächsten Schritte werden von der Börse genauestens beäugt.
So wie die Börse die nächsten Schritte von Hewlett-Packard beobachtet – und vorerst nicht honoriert. Die Ankündigung, bis zu 30.000 Arbeitsplätze auf den Prüfstand zu stellen, sollte eigentlich auch den Aktienwert heben. So will es die Börsenarithmetik, die nicht nur Wachstum honoriert, sondern auch Schrumpfen an der richtigen Stelle.
Das gilt vor allem, wenn die Maßnahmen richtig kommuniziert werden. Als der glücklose Léo Apotheker bei HP seinen Sparkurs vorstellte, sackte der Kurs weg, weil keiner glaubte, dass die angekündigten Einschnitte nötig waren. Die Konsequenz: der Deutsche musste gehen. Jetzt, wo Meg Whitman, eine weit darüber hinaus gehende Maßnahme ankündigte, kann sie das mit dem Hinweis auf das Chaos begründen, dass sie angeblich beim Amtsantritt vorgefunden habe.
Der Hieb richtet sich weniger gegen Léo Apotheker, der in seiner kurzen Amtszeit weder die Chance hatte, Chaos anzurichten, noch es zu beseitigen. Die Kritik zielt auf den bis 2010 amtierenden Chef Mark Hurd, der dem Unternehmen Perspektive genommen hatte, als er die Budgets für Forschung und Entwicklung kappte. Jetzt soll dagegen in der ohnehin schrumpfenden PC-Sparte gespart werden. Sollten hier tatsächlich 18.000 Mitarbeiter gefeuert werden, könnte dies Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Dollar bedeuten. Und sieben bis zwölf Tausend weitere Arbeitsplätze werden überprüft…
Noch freilich reagiert die Börse nicht. Am Mittwoch aber wird Meg Whitman die Bilanz vorlegen. Analysten befürchten, dass ein Umsatzrückgang von vier Prozent auf etwa 122 Milliarden Dollar ausgewiesen wird. Das wäre dann der Zeitpunkt, zu dem Meg Whitman ihre Feuer-Bereitschaft präzisieren müsste. Dazu wird sie auch eine Vision benötigen, eine Börsenstory, die die Phantasie anregt.
Doch allzu viel Phantasie an der Börse ist auch riskant. Noch feiert Facebook. Aber aus Frankfurt kommen bereits erste Warnungen. Der NASDAQ öffnet in wenigen Minuten. Wollen wir wetten?