Jetzt ist es amtlich – oder doch halbamtlich: Gartner´s aktuelle Verkaufszahlen für Personal Computer weisen auf das sich abzeichnende Ende eines Marktes hin, der seit drei Jahrzehnten eine ganze Industrie in Reichtum gebracht hat. 87,5 Millionen PCs wurden weltweit in den Monaten April bis Juni verkauft. Das sind etwa 850.000 Stück weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Damit oszillieren die Absatzzahlen seit drei Jahren rund um die 90-Millionen-Marke. Die Wachstumsraten aus Brasilien, Indien und China können offensichtlich die Rückgänge in den Industrieländern gerade noch ausgleichen. Die Musik spielt indes woanders.
Denn nach der strengen Gartner-Nomenklatur gelten Tablet-PCs und damit das erfolgreichste Einzelprodukt, der Apple iPad, nicht als PCs im engeren Sinne, sondern als mobiles Endgerät. Dennoch hat der iPad einen unmittelbaren Einfluss auf den PC-Markt. Denn kaum war er im Frühjahr 2010 auf dem Markt, rasten die Verkäufe mit sogenannten Netbooks in den Keller. Die kleinen Internet-PCs für unterwegs sollten eigentlich den nächsten Wachstumsschub für den PC-Markt bringen. Tatsächlich werden sie nun zum Symbol für ein veraltetes Paradigma.
Damit haben zunächst einmal die vier großen Hardware-Anbieter, HP, Lenovo, Acer und Dell, zu kämpfen. Der Verkauf der PC-Sparte an Lenovo war der letzte Akt der Restrukturierung von IBM. Hewlett-Packard steckt mitten in dieser Phase fest – der seinerzeit von Léo Apotheker in Angriff genommene Verkauf der Sparte ist vorerst zurückgenommen worden. Dafür gibt’s Entlassungen. Auch Acer und Dell haben die Neuausrichtung noch vor sich.
So sehr die gegenwärtige Stagnation die PC-Hersteller in die Klemme bringt, noch stärker in der Tinte sitzt Microsoft, dessen Hauptprodukte – Windows und Office – von diesem erstarrten Markt abhängen. Kein Wunder, dass Microsoft-Chef Steve Ballmer von der World Partner Conference in Toronto gleich zur großen Office-Produkt-Ankündigung nach San Francisco jettet. Office 2013 – in den bisherigen Spekulationen auch Office 15 genannt – soll ganz auf die Metro-Oberfläche von Windows 8 ausgelegt werden. Das dürfte ganz neue Ergonomie-Ergebnisse für die weltweit erfolgreichste Personal-Productivity-Software bringen – denn die klassische Maus wird durch Gestensteuerung ersetzt.
Microsofts Plan für die eigene Zukunft (und die Rettung des klassischen PC-Markts) basiert auf Touchscreens. Steve Ballmer schwebt vor, dass wir künftig alle wie Theo Koll in der Wahlnacht vor übergroßen Flatscreens turnen, drücken und deuten, wählen und wischen. Die PCs der Zukunft haben jenen gewissen Touch, dem die mobilen Tablets heute schon ihren Markterfolg verdanken. Neun von zehn PCs haben heute Office geladen – das soll auch in der Touch-Ära so bleiben, meint Microsoft.
Deshalb überlässt Steve Ballmer hier nichts dem Zufall. Zusammen mit der Ankündigung von „Office Touch“ wird Microsoft auch die Übernahme von Perceptive Pixel thematisieren. Das New Yorker Unternehmen ist führender Anbieter großformatiger Touchscreens, wie sie in Fernsehsendungen mit interaktiven Präsentationen bereits gang und gäbe sind. Doch weniger die heutige Hardware-Produktion als vielmehr die knapp ein Dutzend Patente des Unternehmens sind für Microsoft zukunftsentscheidend. Angesichts des Patentstreits zwischen Apple und Samsung über Gestentechnologie setzt Ballmer wohl auf die Vorwärtsverteidigung. Erst die Patente, dann die Produkte – und dann keinen Prozess.
Bleibt noch eine Herausforderung: die neuen Touchscreen-PCs müssen massenmarktfähig werden. Die derzeitigen hochpreisigen Flatscreens werden schrumpfen – im Preis und in der Größe.