Der außerordentlich milde Winter in Europa vergällt einem einen der schönsten Gründe, zur Consumer Electronics Show nach Las Vegas zu fahren: Wenn in Deutschland hier und da die Biergärten geöffnet haben, gibt es kaum noch einen nennenswerten Temperaturunterschied zum Wüstenklima in Nevada.
Aber es gibt ja noch einen zweiten Grund, warum Technikfreaks die CES im Januar nicht auslassen sollten. Dank der unübersehbaren Abwesenheit von Apple und Microsoft kann man sich mal auf die schönen Nebensächlichkeiten der elektronisierten Welt stürzen: Hausgeräte, HiFi, TV, Autos, Kameras.
Ja, natürlich auch Smartphones und Tablets unter Android – zum Beispiel von Samsung oder Sony. Aber darüber zu schreiben, macht erst nach den nächsten Announcements von Apple und Microsoft wieder Spaß.
Es ist ja nun ein schöner Gemeinplatz, wenn man feststellt, dass nahezu alles, was der Mensch heutzutage herstellt, durch Elektronik zusätzliche Funktionen erhält – und damit auch für kurze Zeit einen Wettbewerbsvorteil. Aber wenn eines auf diesen 33 Fußballfeldern deutlich wird, die die diesjährige CES umfasst, dann ist es die unglaubliche Diversität, die Consumer Electronics inzwischen darstellen – Elektronik ist immer und überall. Noch das geschmackloseste Kuscheltier hat irgendwo Intel Inside – oder einen anderen Chiphersteller.
Aber es gibt Gemeinsamkeiten – sozusagen einen globalen Trend: Keine Elektronik ohne die drei großen C: Content, Connectivity, Community. Es scheint, als wollten die CES-Aussteller beweisen, dass der neue IPv6-Standard für 3,4 mal 10 hoch 38 Adressen möglichst bald ausgeschöpft werden sollte. Doch keine Sorge: Der Adressraum ist groß genug, um jeden Quadratmillimeter der Erdoberfläche mit 665 Billiarden IP-Adressen zu versehen. Diese Dichte wird auf dieser CES doch noch bei weitem verfehlt.
Dennoch zeigt sich, dass die wichtigsten Zusatzfunktionen inzwischen aus der Cloud kommen. Kameras mit Geodaten, TVs mit Web- und Touchzugang, und sensorbeladene Fahrzeuge – sie alle erhalten zusätzliche Lebensfunktionen durch die Interaktion mit der Webgemeinde und die Kommunikation mit Info-Plattformen. Nichts, was nicht binnen Sekundenbruchteilen der ganzen Welt bekanntgegeben werden könnte.
Und irgendwie hat man ja drauf gewartet: Das einzige, was Tablets bisher nicht konnten war – völlig überraschend – Telefonieren! Mit den Phablets (Phone and Tablet) ist dieser Gebutsfehler nun endlich behoben. Gleichzeitig zeigt sich aber auch der gegenläufige Trend: Wenn Tablets alles können, warum dann nicht ein Mobile Phone bauen, das nichts anderes kann als genau das: Telefonieren.
Ähnlich verläuft die Konversion zwischen TV und PC – und damit der Stellungskrieg zwischen Wohnzimmer und Arbeitszimmer. Ob Set-Top-Boxen den Fernseher cloudfähig machen oder ultrahochauflösende Bildschirme den PC fernsehbrillant ist noch lange nicht entschieden. Da werden noch einige CESons ins Land gehen, ehe dieser Krieg der Konzepte entschieden ist.
Inzwischen freuen wir uns an niedlichen Displays, die man biegen kann ohne sie zu brechen. Rollen freilich kann man die weichen Screens noch nicht, falten schon gar nicht. Aber es ist immerhin ein Anfang.
Schöne Wintergrüße von der CES wünscht Heinz-Paul Bonn – CESons Greetings