Er war noch niemals im Silicon Valley

Zwischen Deutschland und Kalifornien liegen neun Stunden Zeitunterschied. Zwischen Deutschland und dem Silicon Valley sind es noch einmal 18 Monate mehr – die Zeit, die nach Moores Gesetz verstreicht, um mit der jeweils nächsten Chipgeneration die Computerleistung zu verdoppeln. Diesen Zeitsprung konnte ich jetzt als einer von vier deutschen IT-Experten in Begleitung des Bundeswirtschaftsministers Philipp Rösler absolvieren.

Es war gewiss nicht meine erste Reise in das Tal der aus Silizium gewonnenen Ideen – aber es war die erste Reise eines deutschen Bundeswirtschaftsministers in die Brutstätte des IT-Zeitalters. Und das, nachdem das Tal, das weltweit führende Computerkonzerne und jährlich eine Vielzahl von Neugründungen hervorbringt, bereits mehr als 60 Jahre internationale Erfolgsgeschichte schreibt. 20 deutsche Wirtschaftsminister haben das Epizentrum der Computerrevolution prominent ignoriert.

Allein zum Staunen hatten sich Philipp Rösler und seine Delegation nicht im kleinen Luftwaffen-Airbus 319 auf den 24-Stunden-Tripp nach San Francisco, Palo Alto, Cupertino und Mountain View begeben. Vielmehr ging es dem Wirtschaftsminister darum, Deutschland näher an den Ideen-Inkubator heranzubringen. Deshalb beteiligt sich die Bundesregierung am Aufbau des German Silicon Valley Accelerators, einem Wachstumslabor, das jährlich 16 Startups aus Deutschland nach Kalifornien bringen soll, um „Investoren zu finden und dort Fuß zu fassen.“

Aber wichtiger noch ist, dass es endlich gelingt, die Business-Stimmung aus dem Valley nach Good-Old-Germany zu bringen. Deshalb wirbt der Bundesminister auch an der Stanford-University für den Standort Deutschland und die Gründerszene hierzulande. Immerhin 9000 Startups gibt’s pro Jahr in Deutschland – und 16 davon schicken wir künftig pro Jahr mit Hilfe des Accelerators ins Silicon Valley. Das sind nicht einmal zwei Promille! Na, wenn das mal kein Wettbewerbsdruck ist.

Aber wir haben ja zum Trost die SAP, jenes deutsche, nein europäische Vorzeigeunternehmen, das als einziges in die Königsklasse der IT-Adepten aufgestiegen ist. Und auch im SAP-Lab machte Philipp Rösler mit seiner Delegation Halt, um – wieder einmal – die Vorzüge der Inmemory-Datenbank Hana und die inzwischen radikal umgebauten Cloud-Strategien der Walldorfer zu hören. Es ist doch irgendwie bezeichnend, dass darin die OnDemand-Entwicklungen aus deutscher Feder ad Acta gelegt werden, während die Riege des aus dem Silicon Valley zugekauften Unternehmens Success Factor um Lars Dalgaard die künftige Marschroute bestimmt.

Aber es gibt keinen Grund, im Silicon Valley in Sack und Asche zu gehen. Wir haben ja den Maschinenbau und den Automobilbau, um den sich mit „Industrie 4.0“ die deutsche ITK-Wirtschaft der Zukunft ranken wird. In der Tat wäre es aberwitzig, hierzulande in einen weiteren SmartPhone-Produzenten zu investieren oder ein Start-up mit der nächsten Suchmaschine zu gründen. (Es sei denn, wir machten das mit Hana…) Ein deutsches Apple, also zum Beispiel ein baden-württembergisches Äpple, wird seine Geschäftsidee nicht aus Nachahmerprodukten generieren, sondern aus der konsequenten Weiterentwicklung deutscher Ingenieurkunst. Das ist das Mantra der Röslerschen Wirtschaftsförderung: Deutschland, derzeit noch auf Platz sechs der weltweiten IT-Rangliste, soll bis zum Ende des Jahrzehnts „auf dem Treppchen stehen“ – mindestens Platz drei also!

Was passierte sonst noch während des Kurztripp? Ach ja, Papst Benedikt schwinden die Kräfte. Am 28. Februar hat Deutschland ein weiteres internationales Schwergewicht verloren. War der Papst eigentlich schon im Silicon Valley?

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