Unnötige Anglizismen wie das CeBIT-Motto „Shareconomy“ oder der modernistische Gattungsbegriff Cloud Computing werden 1966 nicht in den feierlichen Reden zitiert worden sein, als Information Technology noch Angewandte Datenverarbeitung (ADV) geheißen hat. Aber genau das hatte Heinz Sebiger und 64 weiteren Steuerberatern aus dem Kammerbezirk Nürnberg vorgeschwebt, als sie eine Genossenschaft für die elektronische Verarbeitung von Daten ins Leben riefren und damit praktisch die erste IT-Community hierzulande – oder gar weltweit? – gründeten. Heute zählt die Datev-Community erstmals mehr als 40000 Genossen.
Ihr oberstes Markenzeichen müsste eigentlich jeden Marketing-Manager zur Verzweiflung bringen: Sicherheit! Puh. Buchungsbelege! Geht’s noch? Kann man sich was Angestaubteres denken? Und doch: Die Datev ist so ziemlich das Angesagteste, was auf dem deutschen IT-Markt zu finden ist. Das nach Umsatz gerechnet viertgrößte deutsche Softwarehaus ist mit 760 Millionen Euro, unverändert satten Wachstumsraten und einem Mitarbeiterbestand von 6000 Beschäftigten ein Aushängeschild für so manches Markenzeichen wie „German Cloud“, „Software made in Germany“, „Deutscher Datenschutz“ – die Datev ist kein Marktbegleiter, kein Wettbewerber, sondern eine Instanz: Wenns die Datev macht, kann es nicht grundfalsch sein…
Zum Beispiel Cloud Computing: Die Datev ist der ideale Beweis dafür, dass Software und Services on Demand alles andere als ein neues Konzept darstellt – es ist vielmehr der Gründungsgedanke der Genossenschaft, die 1969 ihr erstes eigenes Service-Rechenzentrum für ihre Steuerberater-Dienste einweihen ließ – durch keinen geringeren als den damaligen Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß. Heute heißt „Cloud Computing“ im Datev-Idiom immer noch ganz unaufgeregt „Digitale Zusammenarbeit“. Das klingt beileibe nicht so sexy wie „Shareconomy“ – ist aber unheimlich erfolgreich.
Ein paar Zahlen: Täglich holt die Datev 800.000 Kontoauszugsdaten ein – der Service wächst monatlich um 6000 Konten, deren Belege gesichtet und gesichert werden. Rund 1000 Unternehmen entscheiden sich Monat für Monat zusätzlich dafür, ihre Belegverwaltung der Datev anzuvertrauen. Derzeit sind es 65000 Unternehmen, die zusammen ein Volumen von 5 Millionen “Belegbildern“ generieren – monatlich wohlgemerkt. Und nicht zuletzt: 80 Prozent der rund 3,14 Millionen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen haben Finanzbuchhaltungsdaten bei der Datev gespeichert.
Die Datev-Community aus nunmehr 40.000 Genossen hat einen gemeinsamen Nenner – Sicherheit. Sie ist möglicherweise die wichtigste Währung, über die das Nürnberger Unternehmen verfügt. So sicher wie die Bundesbank und so flexibel wie die Bundesregierung!
Dass sich auch die Datev immer wieder neu erfinden muss wird gerade jetzt unter der Ägide des Sebiger-Nachfolgers Dieter Kempf deutlich: Digitale Zusammenarbeit ist mehr als Services rund um Belege und Steuerberatung. Es ist steuern und beraten. Kein Wunder, dass die Datev im Zeitalter des Cloud Computings nicht nur auf die Daten schaut, sondern auch auf die Anwendungen, mit denen sie produziert werden.
Es dürfte nicht überraschen, wenn die Datev nicht nur für die Sicherheit der Daten als Marke herhalten könnte, sondern auch für die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsprozesse im und zwischen Unternehmen. Die Datev als Anwendungs-TÜV – das wäre, das ist ein Exportschlager, der im europäischen Ausland auch schon erste Blüten treibt. Neben Industrie 4.0 ist „Security 4.0“ ein wichtiger Exportschlager. Genossen, schafft für mehr Sicherheit.
Übrigens: Heinz Sebiger wurde in diesen Tagen 90. Gratulation.