So stellt man sich das vor. Universitätsabschluss, Unternehmensgründung; Umsatzwachstum, Übernahme. 2007 gründete David Karb den Blog-Dienst Tumblr, baute ihn vor allem unter Jugendlichen zu einem rasch wachsenden Internet-Angebot aus – und verkaufte das Jugendwerk jetzt für 885 Millionen Euro – rund 1,1 Milliarden Dollar! – an den Internet-Ureinwohner Yahoo! Die Ex-Google-Managerin Marissa Mayer nimmt dafür rund ein Fünftel des gesamten Firmenvermögens in die Hand.
Es ist schon faszinierend, wie das Web seine eigenen Kinder frisst – wenn sie in die Jahre gekommen sind. Yahoo startete weit vor Google und liegt jetzt weit hinter der weltweiten Search Engine zurück. CEO Mayer will bei der Verjüngungskur für den Internet-Oldie nicht nur andere Oldies hinter sich lassen – zum Beispiel die Partnerschaft mit Microsoft Bing. Sie will auch weitere Frischzellen dazukaufen – zum Beispiel den Videodienst Hulu. Und sie sucht den Schulterschluss mit Apple (nun allerdings so etwas wie der Mick Jagger des Internets) bei iPhone und iPad.
Es geht was ab im Silicon Valley. Dort werden Jungunternehmen mit schicken Ideen gegründet, finden Risikokapital, bauen ihr Geschäftsmodell auf und werden dann von alteingesessenen Unternehmen aufgekauft, die ihr Geld global von Anwendern und Werbetreibenden abschöpfen. Eine ebenso Ideen sprühende wie Geld umverteilende Gesellschaft hat sich in Kalifornien etabliert. Und dorthin reisten Pfingstsonntag Bundeswirtschaftsminister Phillip Röser (FDP) nebst 50 jungen Start-up-Unternehmen und einigen etablierten Softwareunternehmern – unter anderem mit mir.
Wir sind auf Schnupperkurs im Silicon Valley, treffen Venture Capitalists, besuchen die großen Internet Companies, wallfahren zum Campus der Stanford University und versorgen eine Reihe von Hightech-Journalisten mit interessanten Einsichten, damit die Initiative in Deutschland möglichst viele Fans und Nachahmer findet. Denn zwei Ziele sind es, die wir hier unter der sengenden Sonne Kaliforniens gebacken bekommen wollen: Mehr Kultur für Risikokapital in Deutschland – hier gibt es bereits eine durch Minister Rösler eingeleitete Initiative. Und bessere Connections ins Silicon Valley – zu den Think Tanks und Venture Banks.
Spät aufgewacht? Fragen die Medien, um kritische Haltung bemüht. Haben wir nicht schon seit Jahrzehnten über dieses Mekka der Hightech-Industrie berichtet? Haben nicht die Wirtschaftsnachrichten aus dieser Erdenregion schon seit den Gründungszeiten von Hewlett-Packard und Intel den Verdacht nahegelegt, dass es im Tal südlich von San Francisco eine Bewegung gibt, die nicht nur die Ökonomie, sondern die Weltkultur verändert.
Ja, muss man sagen: Es ist das Versäumnis der heutigen Silberrücken der deutschen Software-Industrie, dass es ihnen nicht gelungen ist, eine vergleichbare Gründungsszene auch im Zentrum von Europa zu etablieren. Zwar ist alles, was Rang und Namen hat in der deutschen Hightech-Welt auch mit einem Standort im Silicon Valley vertreten. Sogar der TÜV Rheinland hat hier eine Prüf- und Lernstation errichtet. Auch die Hightech-Verbände haben mit schöner Regelmäßigkeit Bildungsreisen ins Tal der unbegrenzten Möglichkeiten organisiert, ohne dass bislang die lodernde Glut (Stoiber) ins Isar-Tal der Lederhosen und Laptops angefacht worden wäre.
Minister Rösler hat eines erkannt – mit den Etablierten ist der Geist des Silicon Valleys in Deutschland nicht zu wecken. Er sucht jungen Unternehmergeist, der hier seine Kenntnisse, Kontakte und seine Konten auffrischen soll. Ob es diesmal klappt? Wird die Initiative über den 22. September hinaus wirken? Dem Standort Deutschland und der Industrie 4.0 wäre es zu wünschen. Ein Stühlerücken unter den Altvorderen, den Silberrücken der deutschen IT-Industrie wäre dann die wünschenswerte Nachwirkung.
Für mich als Unternehmerin hat sich der Zweck der Reise schon allein mit dieser Einsicht erfüllt:).