Blackhole by Design

20 Millionen Euro Umsatz pro Jahr aus einem einzigen Softwarepaket – das ist für ein mittelständisches Softwarehaus, von denen es in Deutschland Zehntausende gibt, eine feine Sache. Für SAP, das heute einen Quartalsumsatz von mehr als vier Milliarden Euro ausweisen wird, sind es die berühmten Peanuts. Alles andere als Erdnüsse dagegen sind die nach unterschiedlichen Quellen auf drei Milliarden aufgelaufenen Investitionen, derer es bedurfte, um die erste (nahezu) komplette Cloud-Software fürs Enterprise Resource Planning, Business by Design, zu entwickeln, mit einer Cloud-Infrastruktur zu versehen und schließlich zu vermarkten.

Nur um die Dimensionen zu verdeutlichen: Würde sich nichts ändern, brauchte SAP  150 Geschäftsjahre, um mit By Design Umsätze in der Größenordnung der mutmaßlichen Investitionen zu erreichen. Kein Wunder, dass Produkt- und Technologie-Vorstand Vishal Sikka dieses Schwarze Loch aus seinem Kosmos entfernen will und jetzt das Aus für die Cloud-Software verkündet hat, wie am Wochenende nahezu alle Wirtschafts-Plattformen in Prints und Posts verkündeten.

Aber hat er das wirklich getan? Die offizielle Welt der SAP rotierte am Wochenende, um diese Fehlinterpretation zu korrigieren. Und die Medien schwenkten um: Nicht Business by Design werde eingestellt, sondern die Technologieplattform, auf der es beruht, wird runderneuert – mit der In-Memory-Datenbank Hana als neue Basis.

Zwei Grundprobleme, mit denen SAP seit der vollmundigen bis vorlauten Markteinführung von Business by Design 2007 zu kämpfen hatte, sollen behoben werden.

Erstens: die Nachfrage in der Cloud konzentrierte sich nicht auf monolithische Großanwendungen wie ERP, sondern auf Teilbereiche wie CRM, Projektmanagement, Finanzen, die als Cloud-Services in Ergänzung zu bestehenden standortgebundenen IT bereitgestellt werden, sowie auf hochspezialisierte Apps, die für den mobilen Nutzer zur Verfügung stehen. Deshalb kaufte SAP die Cloud-Spezialisten SuccessFactors und Ariba, die solche Teilaspekte bereits ideal abdeckten.

Zweitens: Die Kommunikation zwischen Anwendungsserver und Datenbankserver entpuppte sich als Flaschenhals in der Cloud, der für Wartezeiten sorgte, die an den Beginn des Internet-Zeitalters erinnerten. SAP hatte dies zunächst mit Zusatzinvestitionen in die Rechenzentrumskapazität auszugleichen versucht. Doch dann kam Hana, die die nervigen Datenbankaufrufe massiv beschleunigte.

Es ist nur konsequent, wenn SAP jetzt für Business by Design ein technologisches Revirement beschließt, und die SAP Hana Cloud Platform als Performance-Fundament für alle Zukunftsprodukte des Unternehmens – also eben auch für Business by Design – in die Architektur einziehen will. Das soll jetzt geschehen. In der Zwischenzeit bekommen ByD-Kunden ein weiteres Release – mit alter – beziehungsweise im Marketingdeutsch: bewährter – Technik.

Wenn SAP intern von Echtzeit in „Google-Geschwindigkeit“ spricht, dann offenbart sie, wer im Markt die eigentliche Standardkerze ist, an der SAP künftig die eigene Strahlkraft messen will. Es sind weniger die anderen ERP-Boliden wie Microsoft, Oracle oder Infor – es sind die Internauten der dritten Generation wie Facebook, SalesForce oder eben Google, an denen sich SAP messen lassen will. Das hatten schon die angekündigten Wachstumsraten anzeigen sollen: 10.000 Kunden und eine Milliarde Umsatz waren für das Jahr 2010 angekündigt worden. Doch das stürmische Cloud-Geschäft blieb aus – auch weil sich SAP – anders als ihre Web-Idole – technologisch an die Vergangenheit geklammert hatte.

Das soll jetzt anders werden: Und zwar erst einmal im Alleingang. Partner dürfen Add-Ons entwickeln wie bisher. Der Weg zu einer echten offenen Plattform, auf der andere ihre Lösungen aufsetzen und gemeinsam mit SAP vermarkten ist noch weit. Aber das ist kein Wunder. Erst muss mit Hana das Schwarze Loch gestopft werden.

 

Ein Gedanke zu „Blackhole by Design“

  1. SAP hat sich mit alter Technologie verzockt!

    Bussines By Design war der richtige Gedanke – die Umsetzung ist nur grotten schlecht gelaufen. Dies gilt weniger für die betriebswirtschaftlichen Inhalte, auch wenn diese beispielsweise in Bereichen wie der Kosten- und Leistungsrechnung hinter dem gewohnten Niveau zurück bleibt. Aber der Funktionsumfang ist sicherlich gut und kann auch bei Bedarf weiter ausgebaut werden. Dieses ist für SAP nicht das große Problem.

    Nein, die technologische Basis ist einfach schlecht. Hier hat man auf „Altbewährtem“ aufgesetzt – wie kann man nur? Wer tut denn so etwas, in der Informationstechnologie des 21ten Jahrhunderts auf „Altbewährten“ aus dem 20ten Jahrhundert bei Investitionen in Milliarden Höhe aufsetzen?!? Da haben einige, die Mrd.-Investitionen verantworten, die Weitsicht eines alternden Professors der noch grade so weiß, wie es damals funktioniert hat.

    Cloud Computing bedarf modernster Technologien. Hier müssen zeilen- und spaltenorientierte Datenbanken eingesetzt werden, Big Data-Strukturen beherrscht werden und Cloud DMS Anwendungen in ERP Anwendungen verschmolzen werden. Auch benötigt man eine Entwicklungsumgebung die sehr schnelle und sichere hoch funktionale Anwendungen ermöglicht. Da darf man nicht auf Microsoft Silverlight setzen und wenn so etwas geschieht und man den Fehler feststellt, dann muss man sofort handeln. Nicht erst nach zig Jahren die Anwendung radikal vom Markt holen.

    Wenn man dann noch im Konzern mit SAP One eine eigene starke Konkurrenz auf baut, die überraschend gute Funktionalität und Stabilität beweist, dann brauch man sich über das Fiasko nicht zu wundern.

    Hasso Plattner will Deutschland nicht deswegen den Rücken kehren, weil hier die Innovation unmöglich ist, sondern weil er seinem Management nicht zutraut, in den verkrusteten Strukturen seines Konzerns aufzuräumen. SAP hat das Innovationsproblem, nicht Deutschland.

    Wir die Scopevisio AG aus Bonn zeigen wie Innovation im Bereich der Cloud Unternehmenssoftware mitten in Deutschland funktioniert – sehr gut! Schauen Sie selbst: https://www.scopevisio.com/business. Eine Blamage für SAP.

    So geht das, liebe übermächtige und alte SAP.

    Jörg Haas
    Gründer Scopevisio AG, Bonn

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