Größe ist doch wichtig

Das neue „Body-Maß“ im mobilen Computing beträgt ganze 22,86 Zentimeter. Unterhalb dieser Bildschirmdiagonale von neun Zoll gibt es künftig die mobile Variante von Windows „für umme“. Null €uro Lizenzgebühr für Smartphones oder Tablets unterhalb dieser Messgröße – das ist ein Beispiel, wie Microsoft im hart umkämpften Markt der mobilen Endgeräte aufholen will. Wer auf Stückzahlen kommen will, so die Erkenntnis, die zu einem fundamentalen Wechsel im Geschäftsmodell der Windows-Company führt, muss vor allem im Markt für Kleingeräte erfolgreich sein.

Und fürs Hochpreissegment gibt’s ja die neuen Nokias – inklusive dem neuen Windows Phone 8.1, das mit Cortana (dem AI-Charakter aus dem Videospiel „Halo“) jetzt über einen Sprachassistenten verfügt. Und es gibt rund 500 neue Apps pro Tag im Windows Store. Allein 75.000 Start-up-Companies arbeiten weltweit an der neuen Identität, die Microsoft unter Satya Nadella annehmen will.

Die wichtigste Änderung dabei, die den Entwicklern auf der Build-Konferenz in San Francisco angekündigt wurde, ist in der Tat ein Durchbruch: Apps sollen künftig identisch auf PCs, mobilen Devices oder am Fernseher (über Xbox One) laufen. Bisher waren Code-Anpassungen für alle drei Plattformen notwendig. Aus Anwendersicht funktioniert diese Form der Plattformdurchlässigkeit ebenfalls: eine einmal erworbene App (zum Beispiel auf dem Smartphone) soll auch für den PC gelten.

Das Ziel ist klar: Microsoft muss und will seine Lösungen auf allen Endgeräten über die Cloud zur Verfügung stellen und dabei auch Marktführerschaft zurückgewinnen. Insofern ist Nadellas Strategie des „Mobile first, Cloud first“ durchaus eine Modifikation von Steve Ballmers Strategie des „all Devices first“. Aber es gibt doch einen entscheidenden Unterschied. Wo Ballmer Rückzugsgefechte focht, präsentiert Nadella die Vision vom nächsten großen Ding, das es zu erobern gilt. Und dieses große Ding ist klitzeklein. Dafür aber künftig millionenfach im Web aktiv.

Das Internet der Dinge ist das Zielgebiet, in dem künftig Microsofts Mobillösungen für Furore sorgen sollen. Zehn Jahre nach dem Fehlversuch mit SPOT sind Internet-Uhren, aber auch Web-Brillen und andere „Wearables“ eine Zielmenge, für die Microsoft mit seinen Entwicklern und Partnern künftig Apps entwickeln will. Auch im Auto will Microsoft mit Windows (Phone) 8.1 weiter vordringen. Neueste Beispiele wurden ebenfalls in San Francisco gezeigt. Hinter den auto-mobile Devices verbirgt sich ein Riesenmarkt. Aber zusätzlich sollen Windows-Apps künftig sowohl im Maschinenpark von Produktionsunternehmen ticken als auch in den Haushaltsgeräten daheim. Die nächsten Märkte, die Digitalisierung der Fertigung („Industrie 4.0“) und Heimvernetzung („Internet der Dinge“), sind in den Fokus der Redmond-Entwickler gerückt. Die Xbox One steuert dann nicht nur die Spiel- und Sportaktivitäten der ganzen Familie, sondern auch den Kühlschrank in der Küche und den 3D-Drucker in der Werkstatt.

Für all diese neuen Endgeräte im Internet der Dinge wird Windows aller Voraussicht nach nicht weiter lizenzpflichtig sein – das besagt die Neun-Zoll-Regel, die jetzt in San Francisco verkündet wurde. Denn Windows verschwindet als Plattform im Hintergrund, während die Cloud mit Windows Azure die Regie übernimmt. Denn eine Vision hat Nadella in San Francisco klar durchblicken lassen: Je kleiner (und zahlreicher) die Devices, desto größer die Cloud.

Dazu ist die Durchgängigkeit der Lösungen entscheidend. Denn im Wettrennen mit Google, Apple, Facebook oder Amazon sollen Windows-Apps die Welt von morgen überall steuern. Ob sie dann noch Windows-Apps oder nicht doch vielmehr Microsoft-Apps heißen werden, wird viel darüber aussagen, welche Marke in Redmond als stärker angesehen wird – jetzt schon heißt die Schlussfolgerung aus „Mobile first, Cloud first“ logischerweise „Microsoft first“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert