Im Zweifel für den Anwender

40 Jahre sind kein Leben! Es reicht bei der heutigen durchschnittlichen Lebenserwartung gerade mal für ein halbes. Aber in der Informationstechnik, in der wir nach dem „Mooreschen Kalender“ in 18monatigen Einheiten der Verdopplung von Leistung und Kapazität leben, entsprechen 40 Jahre immerhin 27 Verdopplungszyklen. Da wird dann schon mal aus einer Eins eine 134.217.728!

Vor 40 Jahren erschien die erste Computerwoche. Und rund 2000 Computerwochen später bereitete sich die IDG-Publikation selbst ein berauschendes Fest – in Berlin und nicht in München – und schuf mit einer eigenen Hall of Fame gleichzeitig einen virtuellen Ehrenhain für um die Branche verdiente oder zumindest in der Branche verdienende Unternehmer. Auch mein Name steht auf dieser Ehrenliste, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanke…

1974 – das klingt in einer stark auf das Hier und Jetzt fokussierten Informationsgesellschaft nach grauer Vorzeit. Doch große Meilensteine der (wie wir das damals nannten) Angewandten Datenverarbeitung waren schon an den Weg gesetzt, als die Computerwoche das Licht der Welt erblickte:

  • die /360-Architektur der IBM beispielsweise war schon ein halbes Jahrzehnt in der Welt,
  • die rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen IBM und den Steckerkompatiblen mündeten schon im großen Antitrustverfahren
  • fünf IBM-Mitarbeiter hatten schon erfahren, wieviel Geld IBM für eine Programmierstunde berechnete, und deshalb beschlossen, künftig Selber Anwendungen Programmieren zu wollen – kurz SAP,
  • und der sagenhafte Aufstieg der Heinz Nixdorf Computer AG als Antithese zur allmächtigen IBM war schon vollzogen.

Es ist kein Zufall, dass in den vier Beispielen der Ereignisse vor 1974 immer IBM genannt wurde. Die Marktdominanz dieses Unternehmens war wirklich brutal und in der heutigen, so sehr transparenten Welt fast nicht mehr vorstellbar. Nicht einmal Google hat heute eine so marktbeherrschende Stellung wie es IBM zu Zeiten der Gründung der Computerwoche hatte. Und es war nur konsequent, dass sich einem Anbietermarkt wie der Computerindustrie gegenüber eine kontrollierende vierte Macht entwickelte.

Und es war in der Tat eine der guten Gaben, die der Computerwoche in die Wiege gelegt wurden, dass sie mit dem internationalen Netzwerk der amerikanischen Mutter IDG auch einen Horchposten in die Entwicklungslabors der großen US-Hersteller besaß. Damals, Mitte der siebziger Jahre, war der Atlantik noch sehr viel breiter als heute, wo das Silicon Valley auch nur noch einen Mouseclick entfernt ist.

Mitte der siebziger Jahre war auch die Zeit, in der der deutsche, der europäische Computerbau allmählich erodierte. Nixdorf, Siemens, Bull, Olivetti – das allmähliche Hindämmern der Anbieter wurde Computerwoche für Computerwoche beklagt. Denn es war doch noch fast alles Hardware, was das Blatt füllte. Software hingegen war ein Thema für die hinteren Seiten oder für Spezialblätter wie ÖVD, die Organisationsprogrammierern die Richtlinien der ordnungsgemäßen Buchhaltung nahebrachten und erste Geschäftsprozesse festzurrte.

Es ist durchaus faszinierend, dass der Niedergang der deutschen Computerszene beklagt wurde, während der Aufstieg der deutschen Softwareszene zunächst beinahe unbemerkt blieb. Aber ich möchte den (damaligen) Redakteuren der Computerwoche keineswegs vorwerfen, hier einen Trend verschlafen zu haben. Im Gegenteil: In den 40 Jahren ihres Bestehens hat die CW-Redaktion viele Trends gesetzt – und zu so mancher Marketingblase ausgerufen: „Der Kaiser ist nackt!“

Dabei war und ist die Computerwoche immer ein Blatt gewesen, das zwar den Computer im Titel trug, aber den Anwender im Blick hatte. Da wurde nie hofberichterstattet. Dafür wurde oft genug gewettert – gegen Wartungskosten, Knebelverträge, gegen das deutsche Fernmeldewesen im Allgemeinen und gegen Btx im Besonderen.

Gegenüber Btx hat die Computerwoche in meiner Erinnerung eine kritische Haltung eingenommen, weil es sich im Urteil der Redaktion nicht um einen internationalen Standard, geschweige denn um einen offenen Standard gehandelt hatte. Und dieser Standpunkt, das Eintreten für Offenheit, Transparenz und verfügbare, verlässliche Standards, ist gewissermaßen ein Grundthema der Computerwoche: Im Zweifel für den Anwender.

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