Brigitte Zypries, Heinz-Paul Bonn und 50 Startup-Unternehmer jubeln im Silicon Valley

Klassenfahrt in die Gründerzeit

Es ist in bisschen wie Buzzword-Bingo, wenn man auf einer Reise durchs Silicon Valley die Antworten auf die Frage sammelt, warum sich Unternehmen der alten und neuen Economy im Tal der unbegrenzten Möglichkeiten ansiedeln:

1. Gut ausgebildete junge Leute trauen sich was zu und brennen für ein Projekt.

2. Erfahrene Gründer unterstützen sie als Mentoren durch Beratung und Kapital.

3. Jeder hilft jedem – Vernetzung steht ganz oben.

So jedenfalls hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, die wenig überraschenden drei Top-Antworten zusammengefasst, die wir auf der zweiten German Valley Week im Silicon Valley erfragten. Geradezu wie ein Mantra wurde auch mir immer wieder die Formel von der unternehmerischen Freiheit vorgetragen, die man dort genießt. Und tatsächlich ist das Silicon Valley einzigartig – nicht nur in der Welt, sondern auch in den USA. In Boston oder New York beispielsweise finden sich auch Gründerzentren; aber dort dauert das Gründen doppelt bis dreimal so lange wie in diesem „Gretna Green der IT-Partnerschaften“,  jenem langgezogenen Tal südwestlich von San Francisco, an dessen Ende mit der Stanford University ein Think Tank und Brutkasten der Weltklasse liegt.

Nach Besuchen bei den Alten (IBM, Microsoft, SAP) den Mittelalten (Google, Facebook, eBay) und den Jungen (Eventbrite und Marin Software) mit rund 50 Jungunternehmern, die im Bundesverband deutsche Start-ups organisiert sind, und nach meinem gefühlt 100sten Besuch im Silicon Valley überhaupt kehre ich dennoch voller Enthusiasmus nach Deutschland zurück. Denn

  1. haben wir inzwischen eine deutsche Startup-Szene (klein, aber immerhin),
  2. gibt es auch hierzulande Inkubatoren von Weltruhm (warum zum Beispiel siedeln sich Unternehmen der Medizintechnik immer rund um Tuttlingen an, Maschinenbauer im Schwarzwald, gute Publikationen in Hamburg oder Chemieunternehmen im Großraum Köln und Frankfurt?),
  3. lebt das Silicon Valley auch von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, in der die Trend Scouts sich schon deshalb zum Mekka der IT- und Internet-Welt verneigen, weil es für sie einfacher ist, Ideen abzukupfern als neue zu kreieren.

Und das muss der Neid lassen: das Silicon Valley ist das Land der Ideen, die schnell umgesetzt werden, schnell Kapital finden und schnell Marktanteile gewinnen.

Aber „Land der Ideen“ – war das nicht auch eine Kampagne, die auf Deutschland passte und noch immer passt? In Deutschland hapert es ein bisschen daran, auch ein „Land der Umsetzer“, ein „Land des kalkulierten Risiko(Kapital)s“, ein „Land der unbürokratischen Entscheidungen“ zu sein. Nicht an den Ideen müssen wir arbeiten, sondern an deren Identifikation.

Die 50köpfige Delegation ist sich darin einig: Man muss nicht ins Silicon Valley auswandern, um erfolgreich zu sein. Es hilft, wenn man eine Idee hat. Aber man wird gnadenlos bestraft, wenn man keinen Ideenreichtum hat. Denn Abkupfern ist im Silicon Valley wie in allen Innovationszentren dieser Welt eine eher drittklassige Tugend. Die Ansiedlung nur wegen der Ideen anderer ist denn auch ein sehr gefährlicher Wachstumspfad.

Deshalb wäre es aber auch falsch, als einen deutschen Weg in die Gründerzeit nun kalifornische Verhältnisse schaffen zu wollen. Das Silicon Valley zu kopieren, das schaffen noch nicht einmal die Amerikaner. Auch wenn es ein Griff in den Phrasenmäher der Fußball-Weltmeisterschaft ist, so ist die Empfehlung doch nicht weniger wahr: Wir müssen nur auf uns schauen.

Vielleicht ist es das vor allem rund um Berlin derzeit durchaus erfolgreiche Konzept des „Company Buildings“, das eine echte Gründerszene nach deutschem Methodenmix hervorrufen kann. Hier werden Unternehmensgründer nicht nur mit Geld und Erfahrung ausgestattet. Sie erhalten auch über eine Art Servicegesellschaft jene Starthilfe beim Kampf mit der Bürokratie, im Finanzwesen, im Projektmanagement, im Büroservice, deren Fehlen die Gründer im täglichen Dschungelkampf daran hindert, mit ihren Ideen erfolgreich zu sein. Es ist eine Art Ausbildung zum Unternehmer.

Aber brauchen wir wirklich Start-ups, um in der Welt ganz vorne mitzuspielen? Und ob. Unternehmensgründungen sind eine Frischzellenkur für die Wirtschaft. Apple, Microsoft, Google und Amazon haben zusammen gerade einmal 112 Geschäftsjahre auf dem Buckel, genießen aber zusammen genommen einen höheren Marktwert als alle 30 DAX-Unternehmen zusammen. Und nicht wenige der deutschen DAX-Unternehmen sind alleine schon 112 Jahre alt. Als Siemens und andere gegründet wurden, war Deutschland das Silicon Valley der Welt. Jetzt sollten wir die Klassenfahrten nutzen, um die richtigen Anstöße für eine neue Gründerzeit zu sammeln. VerrEisen ja, AbKupfern nein. Nur so können wir unsere Ideen VerSilbern und die Bilanz VerGolden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert