Gute Daten, schlechte Daten

Früher, vor der digitalen Revolution der Gesellschaft, waren überraschende Erkenntnisse, die aus großen, nicht unmittelbar zusammen hängenden Datenmengen und Ereignissen gewonnen wurden, wie eine „Reise nach Serendip“. Deshalb wird die Entdeckung des Penicillins beispielsweise als Ergebnis dieser Serendipität bezeichnet. Doch, so die Warnung der Erkenntnistheoretiker, der intellektuelle Durchbruch gelingt nur dem vorbereiteten Geist. Kurz: wer nicht weiß, dass er sucht und was er sucht, findet auch bei bester Datenlage nichts.
Es sei nicht alles schlecht, was mit Big Data verbunden und gefunden werde, räumte jetzt die Kanzlerin nach dem durch Streik behinderten IT-Gipfel in Hamburg ein. Nur: „Wir müssen die Stelle finden, wo die Daten in anonymer Form mit Big Data neue sinnvolle Produkte möglich machen.“ Es müsse doch beim heiligen Hollerith möglich sein, die Wertschöpfung, die sich aus der Analyse großer Datensammlungen ergeben kann, voranzutreiben, ohne gleichzeitig Datenschutz und das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu gefährden. Kurz: Erkenntnis ohne Erkennbarkeit.
Auch der für Straßenverkehr und Datenverkehr zuständige Bundesminister Alexander Dobrindt sieht in der massenhaften Sammlung von Informationen und ihrer gewerblichen Ausschöpfung nicht notwendigerweise ein Hexenwerk, wie er der FAZ in einem Namensbeitrag anvertraute. Die Herausforderung für die Politik bestehe vielmehr darin, unangemessene Monopolstellungen zu verhindern. So wie die Monopole des Kapitals durch eine soziale Marktwirtschaft gebrochen wurden, sollte auch „Monopolen des Digitals“ eine digitale Marktwirtschaft entgegen gestellt werden. Kurz: Google ist nicht prinzipiell „böse“ – es gibt nur zu wenige davon.
Vor allem in Europa. Das soll nun aber wirklich anders werden, wurde wieder einmal bekundet. Und wieder einmal reagierte der Hightech-Verband Bitkom auf diese Ankündigung mit der Forderung nach einem flächendeckenden Breitbandausbau. Denn ohne Datenautobahn nutzen die schönsten Datensammlungen nichts. Allerdings räumte der Bitkom ein, bedeute flächendeckend nicht unbedingt flächendeckend. Kurz: Nicht jeder unbewohnte Landstrich benötigt ein superschnelles mobiles Netz.
Was wir aber brauchen, ist eine superschnelle Wirtschaftsförderung, die alten und neuen Unternehmen den Weg in die vierte digitale Revolution ebnet. Hier weiß sich die Bundesregierung einig mit der EU-Kommission unter ihrem neuen Präsidenten Jean-Claude Juncker. Denn Big Data und Industrie 4.0 sind Herausforderungen von europäischem Zuschnitt. Es wäre doch auch zu beschämend, wenn die EU – wie seinerzeit im Falle von IBM und später Microsoft – wieder ein Anti-Monopol-Verfahren anstrengen müsste, um unliebsame Alleinstellungen zu brechen…
Dass Monopole keineswegs für die Ewigkeit gemacht sind, beweist in diesen Tagen IBM mit einer weiteren Episode aus „Gute Zahlen, schlechte Zahlen“: mit 22,4 Milliarden Dollar Quartalsumsatz verfehlte der einstige Gigant die Prognosen von 23,4 Milliarden Dollar satt und setzte gleichzeitig seine sukzessive Selbstentleibung mit dem Verkauf seiner Halbleitersparte fort. Ach was: Verkauf? IBM zahlte noch 1,5 Milliarden Dollar drauf! Das vor einem Vierteljahrhundert für uneinnehmbar geltende Hardware-Monopol existiert nicht mehr.
So lange will und soll Europa nicht warten. Aber der Datendurchbruch kommt nicht allein aus der Politik. Wir brauchen Unternehmer, die sich auf die erkenntnisreiche „Reise nach Serendip“ machen – in guten und in schlechten Zeiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert