Kunden zuerst, Partner danach

Ein offener Brief an Satya Nadella

Mein lieber Satya Nadella.

Ich sitze in meinem Hotelzimmer in Orlando und freue mich auf die Eröffnung der Microsoft World Partner Conference am heutigen Montag. Die Zeitverschiebung und der Jetlag lassen mich noch keinen Schlaf finden – und auch die Gedanken an Microsofts Zukunft lassen mich nicht unbedingt ruhig schlafen…

Dabei – und zunächst – finde ich es wirklich beeindruckend, wie sich Microsoft unter Ihrer Ägide als Chief Executive Officer bereits verändert hat. Die Devise – „Cloud First, Mobile First“ halte ich im Kern für richtig – ja, ich möchte sie noch ergänzen um die Überzeugung: „Ohne Mobile kein Cloud Computing“.

Aber ich möchte auch ergänzen: Ohne eine klare Vision für die Partner in der Microsoft Ökosphäre kann es keinen Erfolg für Microsoft geben. Deshalb ist die diesjährige WPC vielleicht die wichtigste überhaupt. Denn die klassischen Umsatzströme, die sich aus dem dominanten PC-Geschäft ergaben, beginnen zu versiegen. Die von Ihnen eingeleiteten Kurskorrekturen in Richtung „Cloud First, Mobile First“ hätten nicht später kommen dürfen. Jetzt geht es darum, sie auch umzusetzen. Dazu braucht es eine gemeinsame Vision für Microsoft, Kunden und Partner.

Aber die ist nicht unbedingt zu erkennen. Jeder Partner muss derzeit für sich selbst einen Weg in die Cloud finden. Das Kartenmaterial dafür ist derzeit noch unzureichend. Eines allerdings ist sicher: Es gibt ein Hindernis auf dem Weg in die Cloud, das Microsoft ebenso wie seine Partner überwinden muss. Es ist das rund drei enttäuschende Fiskaljahre währende „Tal der Tränen“.

Denn der Weg in die Cloud ist nicht nur ein technisches, nicht nur ein marketingtechnisches Abenteuer. Es ist wegen des damit verbundenen Wechsels des Geschäftsmodells vom Lizenzumsatz zu Mieteinnahmen vor allem eine bilanztechnische Herausforderung. Denn die Mieteinnahmen können in den ersten Quartalen den Wegfall der Lizenzumsätze nicht annähernd ersetzen. Bislang waren wir alle in der Lage, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann wir den Durchmarsch durch dieses Tal beginnen. Jetzt zeichnet sich ab, dass uns der Markt diese Entscheidung abnimmt. Die sinkenden Umsatzzahlen im PC-Umfeld zeigen dies Microsoft bereits.

Aber für viele Partner – einmal vorausgesetzt, dass sie genug Rücklagen angesammelt haben, um diesen Ritt durchs Tal der Tränen zu überstehen – ist noch überhaupt nicht klar, was sie am anderen Ende des Tales tatsächlich erwartet. Wo liegen die Einnahmequellen in einer cloudifizierten Welt? Wie kann man bestehende Lösungsportfolien in die neue Welt überführen? Und damit auch die Kunden?

Darauf muss diese WPC Antworten geben. Stattdessen hören wir im Vorfeld irritierende Nachrichten. Die Preispolitik rund um SQL Server Lizenzen ist dabei ein veritables Beispiel. Allein in Deutschland haben rund 200 Software-Partner zwischen 400 und 500.000 Lizenzen des SQL Server in den Markt gebracht – in der Regel handelt es sich dabei um die kostengünstige Runtime-Variante, die für die Cloud nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Für Kunden und Partner bedeutet das, dass sie die bestehenden OnPremises-Lösungen nicht nur nicht eins-zu-eins in die Cloud verlagern können – sie müssen auch eine wesentlich teurere Variante wählen. Der Kostenvorteil, den der Weg in die Cloud bieten soll, wäre damit bereits aufgebraucht. Was wir dagegen brauchen, sind funktionale Argumente, die sich aus zusätzlichen Services aus der Cloud heraus ergeben. Aber genau hier fehlt es bislang an der gemeinsamen Vision.

Wir Partner haben deshalb ein Cloud Maturity Model entwickelt, das – ausgehend von der aktuellen Nutzungssituation beim Kunden – einen schrittweisen Weg in die Cloud vorsieht und dabei für den Anwender mit jedem Schritt zusätzlichen Nutzen bereithält. Es beginnt mit dem Wechsel von OnPremises in die Cloud – auch in Teilen als Hybridlösung. Es folgt die Ergänzung zusätzlicher Funktionalität – zum Beispiel für die mobile Nutzung – durch Cloud-Services, die von Dritten erbracht werden können. Und schließlich erfolgt der komplette Wechsel auf eine service-orientierte Architektur. Nur auf der Basis eines solchen Wachstumsmodells, das den Kunden und Partnern die Möglichkeit gibt, einen Wechsel in die Cloud überhaupt erst kalkulierbar zu machen, kann die Transition gelingen.

SAP mit Business by Design und auch IBM mit seinen Cloud-Aktivitäten sind zuletzt daran gescheitert, ihren Partnern eine vergleichbare Vision zu vermitteln. Werden wir sie von Ihnen, mein lieber Satya Nadella, nun hören? Ich wünsche es uns allen.

Wir brauchen eine Vision, die „Cloud First, Mobile First“ für die gesamte Ökosphäre umsetzt. Und dann müssen wir sie verbreiten. Erst den Kunden, dann den Partnern.

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