Am Donnerstag, dem 22. Oktober, wurde ich wiedergeboren. Am Gepäckband des Flughafens Toronto erlitt ich einen Herzstillstand und war tot. So gut wie – eine Stewardess, die neben mir stand, nahm einen Defibrillator von der Wand und holte mich zurück ins Leben. Ich wurde im Rettungswagen wieder wach – und erfuhr von meiner wundersamen Rettung.
Oder doch nicht so wundersam?
Tatsächlich wird in Deutschland etwa jeder dritte der geschätzten Hunderttausend Menschen jährlich, die einen plötzlichen Herzstillstand erleiden, wieder ins Leben zurückgeholt. Sie haben das Glück wie ich, dass jemand in der Nähe ist, der willens und in der Lage ist, mit Herzdruckmassage schnell und richtig zu handeln. Ansonsten ist der plötzliche Herztod die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt. 50 Prozent der Fälle ereignen sich in häuslicher Umgebung, 50 Prozent im öffentlichen Raum.
Dabei liegt Deutschland im europäischen Vergleich eher im hinteren Bereich. In Norwegen, wo Sofortmaßahmen zur Wiederbelebung zum Schulunterricht gehören, steigen die Erfolgschancen auf über 70 Prozent. In Kanada, wo rund 40.000 Fälle von plötzlichem Herzstillstand verzeichnet werden, sind die Erfolgschancen naturgemäß abhängig von der Region. Während in Deutschland medizinische Rettungseinsätze binnen sieben und zwölf Minuten am Einsatzort zu sein haben, sind diese Werte in den Weiten der kanadischen Provinzen nicht zu schaffen. Umso wichtiger ist hier, dass Menschen beherzt eingreifen.
So war es bei mir: Mein Glück, dass mein Herz in einem industrialisierten Land aussetzte. Mein Glück, dass dies am Flughafen in Toronto passierte. Mein Glück, dass neben mir eine bestens geschulte Stewardess stand und sofort richtig reagierte: prüfen, rufen, handeln. Mein Glück aber auch, dass mein Freund Mark Miller, mit dem ich an diesem 22. Oktober verabredet war, zu mir ins Krankenhaus geeilt ist und für mich vieles geregelt hat. Wahrscheinlich mehr, als mir tatsächlich bewusst ist. Dafür schulde ich ihm ewigen Dank. Mein Dank gilt auch meinen Lieben, die sofort aus Deutschland und den USA angereist sind. Mein Dank gilt Elke Ritschel und Stephan Michels, die von Deutschland aus alles in die Wege geleitet haben, um meine Genesung zu ermöglichen und zu beschleunigen.
Doch ich habe auch die Unzulänglichkeiten des westlichen Gesundheitswesens am willkürlichen Beispiel der Versorgung in Toronto erlebt. Ich musste bei meinem Transport ins Krankenhaus dem Fahrer mit meinem Smartphone den Weg weisen, weil sein Navi nicht funktionierte oder er eine falsche Adresse ausgewählt hatte. Die Liste meiner Medikamente war in Kanada wertlos, weil der Produktname dem Personal dort unbekannt war, während ich die Wirkstoffbezeichnung nicht auswendig wusste. Die Zusage meiner Versicherung über eine Kostenübernahme wurde nicht anerkannt – es musste erst echtes Geld fließen, ehe mir die Bypässe gelegt werden konnten.
Dies ist kein kanadisches, dies ist ein globales Problem. Wir leisten uns in unserer wunderbar vernetzten Welt eine Vielzahl von nationalen Alleingängen im Gesundheitswesen. Wir verzichten – auch wegen der Sorge um Datenschutz – auf einen schnellen und unterbrechungsfreien Informationsfluss zwischen den Institutionen im Gesundheitswesen. Und wir sind nicht in der Lage, bei lebenswichtigen Medikamenten weltweit einheitliche Namens-Codizes zu definieren.
Wir arbeiten am Internet of Things und vernachlässigen das Vorankommen beim Internet of Lives. Wenn Maschinen miteinander besser kommunizieren, hilft das, Menschenleben zu retten. Aber mehr noch müssen wir dafür sorgen, dass Menschen miteinander kooperieren, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten.
Ich möchte allen danken, die mir durch freundliche, aufmunternde Worte in den letzten Tagen geholfen haben. Alle haben zwischen zwei Gefühlen geschwankt: dem Erschrecken darüber, wie schnell „das Schicksal“ zuschlagen kann, und der Erleichterung darüber, dass „das Glück“ mir hold geblieben ist. Lasst uns, die wir in der Position sind, Dinge zu verändern, daran arbeiten, dass das Glück im Gesundheitswesen, im Leben ganz allgemein, auch seine Chance bekommt. Man muss dafür nicht erst einen Herzstillstand erleiden…
Lieber Heinz Paul,
gut von Dir live zu hören. Und dieser Stewardess sind wir wirklich dankbar.
Ich freu mich mehr denn je darauf Dich einmal wieder live in den Arm zu nehmen – ich hoffe Du verlierst nicht zuviel Gewicht.
Liebe Grüße Dein Claus
Auch von mir noch mit erheblicher Verspätung Dank an die beherzte Stewardess, sonst wäre es mit nicht vergönnt gewesen, Ihren ***** Vortrag heute in Ansbach bei unserem K3 – Treffen zu hören!
Vielen Dank RW