Innovation? – In no way!

Die sechs Professoren – drei Frauen, drei Männer bilden zusammen die 2006 von der Bundesregierung eingerichtete Expertenkommission Forschung und Innovation – heizen der Politik und der Wirtschaft gleichermaßen kräftig ein: Die Reise nach Digitalien erfolgt eher im Nahverkehrstempo als mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Und die Reiseziele sind nicht breit genug gestreut. Industrie 4.0 ist nicht alles, warnen die Experten in ihrem Gutachten zur Forschung, Innovation und technischer Leistungsfähigkeit Deutschlands.

Feinsinnig machen die Professoren darauf aufmerksam, dass es nicht allein technische Neuerungen gebe, die zu mehr Leistungsfähigkeit führen können. Gerade durch die Digitalisierung des Lebensstils ergäben sich soziale Innovationen in der Art unseres Zusammenlebens und Zusammenarbeitens, die eine Gesellschaft voranbringen können. Und hier werde zu wenig getan.

„Deutschland hat bisher weder in der klassischen IKT-Branche noch in den neuen, internetbasierten Bereichen der digitalen Wirtschaft besondere Stärken aufbauen können“, heißt es in dem soeben vorgelegten Gutachten. Und: „die Politik hat es versäumt, gute Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle zu schaffen, sondern eher auf etablierte Strukturen und Modelle gesetzt.“

Kritisiert werden beispielsweise die geringen Fortschritte im Bereich eHealth. Als die Schaffung einer „di­gi­ta­len Au­to­bahn im Ge­sund­heits­we­sen“ wurde das sogenannte eHealth-Gesetz, das seit Anfang des Jahres Geltung hat, gefeiert. Tatsächlich geht es darin gerade mal um die Gesundheitskarte, dessen einzige Weiterentwicklung gegenüber den bisherigen Versicherungskarten darin besteht, ein Passfoto aufzunehmen. In einer Zeit, in der Wearables und damit verbundene Apps Fitnessdaten erfasst werden können, die von den gesundheitsgetriebenen Selbstoptimierern fernen Datenbanken auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt werden können, ist es in der Tat unverständlich, warum die Gesundheitskarte immer noch keine Patientendaten enthält, die dem Arzt Arbeit und Zeit und dem Patienten unnütze Untersuchungen ersparen könnten.

Doch mit dem – grundsätzlich nicht zu verachtenden – Argument mangelnden Datenschutzes kann man hierzulande noch jede Innovation ausbremsen. Das gilt auch für den Bereich Industrie 4.0, zu dem die sechs Professoren bemängeln, dass die nahezu ausschließliche Konzentration auf die Digitalisierung der Fertigungsprozesse eine zu eng gefasste Definition der Digitalisierung unseres Lebens sei. Schädlich sei auch, dass in dieser Konsequenz vor allem die alten Stärken und Strukturen gefördert werden, während die Chance, neu zu denken, vertan würde.

Die Sechs Technologie-Weisen machen das am Beispiel Robotik dingfest. Die deutsche Förderung konzentriere sich stark auf die Industrierobotik – dort also, wo der industrielle Mittelstand mit kollaborativen Leichtbaurobotern schnell zusätzliche Effektivitätspotentiale erschließen können. Weltweit wurden im Jahr 2014 fast 230.000 Stück dieser Arbeitskerle verkauft, was einem Gesamtumsatz von 10,7 Milliarden Dollar entspreche.

Doch zur gleichen Zeit wurden weitere sechs Milliarden Dollar mit Servicerobotern umgesetzt – weitgehend unbemerkt von deutschen Förderaktivitäten. Dabei steckt hier ein Riesenpotential, das bereits im laufenden Jahr die Industrierobotik überrundet haben wird: Zwar wurden 2014 weltweit nur wenig mehr als 24.000 Stück an Industrieunternehmen verkauft, dafür aber 4,6 Millionen (!) Roboter, die in privaten Haushalten das Staubsaugen, Rasenmähen und Aufräumen übernehmen.

In einer Prognose für die Jahre 2015 bis 2020 geht der World Robotics davon aus, dass dieser Markt explodieren wird: Knapp 26 Millionen verkaufte Einheiten für die Hausarbeit und neun Millionen für Freizeit und Unterhaltung. Dieser veritable Konsumermarkt werde in Deutschlands Förderlandschaft praktisch übersehen. Mal wieder. Die Konzentration auf Business-to-Business hat in Deutschland Tradition. Den Riesenmarkt der privaten Verbraucher überlassen wir hierzulande lieber den Experten – aus den USA.

 

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