Seit ich im November 2009 angefangen habe, zu Themen der Informationswirtschaft, zur digitalen Agenda und mehr und mehr zum Zusammenspiel von deutschem Mittelstand und Startups regelmäßig zu bloggen, sind 358 Blogposts veröffentlich worden. Dies ist der 359. Sie erreichen mehrere Hundert Leser, werden über soziale Medien und per Mail von Dritten geteilt und verursachen freundliche Kommentare. Vielleicht tragen sie auch zur Meinungsbildung bei – aber das lässt sich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zweifelsfrei messen.
Bin ich deshalb ein Publizist, weil sich Montag für Montag ein fester Leserkreis auf meine Meinung freut? Oder bin ich einfach nur ein selbsternannter Lautsprecher, der seine Meinung ungefragt über die Medien verbreitet – als Akt der Selbstdarstellung? Wie auch immer die Antworten lauten, ich trage wie Tausende andere Blogger auch in jedem Fall zur Medienvielfalt hierzulande ein Mosaiksteinchen bei. Die Steinchen, die das Gesamtbild der Medienlandschaft in Deutschland darstellen, sind naturgemäß unterschiedlich groß. Da ist die Bildzeitung mit einer verkauften Auflage, die inzwischen unter zwei Millionen gerutscht ist. Da sind die Qualitätsmedien, überregionale Tages- und Wochenzeitung mit investigativem (und zugleich) kostenintensivem Journalismus. Da sind die Fernsehsender mit ihren großen Reichweiten, die Radiosender mit ihrer treuen Hörerschaft, die News-Plattformen mit ihrer auf das individuelle Profil der Besucher ausgerichteten Nachrichtenauswahl…
Jeder bekommt in dieser neuen Medienwelt die Nachrichten, die er verdient – von jenem Nachrichtenüberbringer, dem er vertraut. Aber sechs von zehn Befragten einer Emnid-Umfrage sagen, dass sie „den Medien“ im Allgemeinen misstrauen. Das klingt paradox in einer Zeit, in der die Medienlandschaft so transparent war wie noch nie. Nicht nur kann jeder selbst bemessen, wie viel der Newsfeed, dem er sich auszusetzen wünscht, wert ist – von null Cent im Internet bis zu den knapp fünf Euro, die der Spiegel kostet, vom billigen Yellow-Press-Ramsch bis zu hochwertigen Fachmedien. Und doch sagen mehr als die Hälfte: Wir trauen dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort nicht mehr, verweigern dem gezeigten Bild unser Vertrauen.
Eine der Begründungen für das Misstrauen, die die Befragten selbst anboten, war die Unterstellung, dass Medien in jedem Fall interessensgelenkt seien. Die vorgegebene Meinung des Herausgebers, die sprichwörtliche Schere im Kopf des Berichterstatters, die im Hintergrund tätigen Kräfte der Politik, die im Geheimen wirkenden Maßnahmen der Wirtschaftslobby – all das, so die Unterstellung, führe zu einem Gesamtmedienbild, das geschönt, geformt, zurechtgerückt ist.
Die Bundeskanzlerin – in diese Pauschalkritik ja ohne genannt zu werden als Institution der Politik mit einbezogen – stimmt dieser Vertrauensverlust „unruhig“ und „besorgt“, weil sie ihn auch als Ausdruck einer auseinanderfallen Demokratie wahrzunehmen scheint. Dort, wo nicht mehr diskutiert wird, wo also durchregiert wird und Politik als alternativlos apostrophiert wird, und auch dort, wo anderslautende Meinungen im Shitstorm niedergebrüllt werden, ist der gesellschaftliche Disput als Baustein der Demokratie gefährdet.
Mit nicht weniger als dieser Sorge beschäftigten sich in der CDU medianight in der vergangenen Woche Vertreter von Politik, Medien und Wirtschaft. Wer freilich nicht zu Wort kam, war der Medienkonsument selbst. Diejenigen, die auch der serösesten Berichterstattung ihr Vertrauen entziehen, waren nur in diesen beiden Zahlen vertreten: Sechs aus Zehn. Über ihre Köpfe hinweg wurde eine halbe Nacht lang diskutiert, ihr Verhalten analysiert. Und es gab genug Platz für Product Placement, beispielsweise durch Bildzeitungs-Chefredakteurin Tanit Koch, die schon mal mit der Exklusivnachricht des kommenden Tages warb.
Die Kanzlerin freilich tat das, was sie so erfolgreich, ja so beliebt macht. Sie stand über den Dingen und mahnte. Dass es auch zu viel Medienkonsum geben könne, erwähnte sie, indem sie den Deutschen aufs Kopfkissen schaute. Dort liegt nämlich in der ersten halben Stunde nach dem Aufwachen das Smartphone und versorgt den Aufgeweckten mit Nachrichten aus seiner Community. Die Kanzlerin mahnte davor, nicht unentwegt am Tropf der Nachrichten-Infusion zu hängen – und sei es auch nur für eine Nacht…