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Nachhaltiges Cloud-Geschäft

Das ist doch mal eine Ansage: Mit einem zwischenzeitlichen Rekordhoch von 60 Dollar pro Aktie honorierten die Anleger Ende vergangener Woche Microsofts Quartalszahlen. Denn nicht weniger als den erfolgreichen Turnaround vom „nicht mehr relevanten“ Anbieter von PC-Software zum „coolen“ Cloud-Player demonstrierten die vorgelegten Zahlen: Der Umsatz mit Diensten aus dem Netz stieg um acht Prozent auf 6,4 Milliarden Dollar, das Geschäft mit der Cloud-Plattform Azure verbesserte sich sogar um sagenhafte 116 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Der Erfolg spricht für Satya Nadella, der nach der Übernahme des Chefsessels in Redmond die Cloud-Strategie zur Chefsache und ihr nahezu alle Budget-Planungen unterworfen hatte. Es sieht so aus, als sollte sich diese Strategie sehr schnell auszahlen…

…wenn auch noch nicht in Deutschland, wo die Investitionen in sichere Treuhand-Rechenzentren zwar hoch sind, die Rendite aber noch ausbleibt. Das könnte daran liegen – wie Nadella jetzt dem Spiegel gestand –, dass hierzulande die weltweit bewährte Argumentation für die Migration in die Cloud nicht so gut fruchtet. Der Dreiklang, angestimmt von den IT-Musen „Kostensenkung“, „Skalierbarkeit“ und „Sicherheit“, verhallt bislang im deutschen Mittelstand ungehört. Die global operierenden Konzerne hingegen, die schon wegen ihrer weltumspannenden Aktivitäten eine Affinität für die Cloud-Infrastruktur entwickeln, tendieren eher zu ihrem Haus- und Hof-Lieferanten SAP. Dem bescherte jetzt die erfolgreich umgesetzte Cloud-Strategie eine zwischenzeitliche Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Euro.

Aber der nachhaltige Erfolg wird in Deutschland vor allem dann erreicht, wenn es gelingt, den Mittelstand zu überzeugen. Der investiert aber nur, wenn er einen direkten praktischen Nutzen und damit eine schnelle Amortisation erkennt. Der Austausch der bestehenden IT-Landschaft durch eine Cloud-Infrastruktur ohne zusätzlichen Mehrwert holt den mittelständischen Unternehmer nicht hinter seinem Schreibtisch hervor. Was er will, ist eine Verbesserung seiner Position in der Nische, die ihn ernährt.

Das scheint Microsoft jetzt erkannt zu haben. Auf der Deutschen Partnerkonferenz in Bremen, die kurz vor der Bekanntgabe der erfreulichen Quartalszahlen über die Bühne ging, wurde die Sicht auf den Markt um 90 Grad gedreht. Statt weiter der horizontalen Verkaufsargumentation zu frönen, besannen sich die Partner auf ihre vertikalen Tugenden: Branchenkenntnis, Mehrwert durch hybride Lösungen aus klassischer IT und Cloud-Services sowie Spezialisierung auf innovative Prozesse. Das Credo: Die Cloud ist einfach zu schade für „Opas Software“. Ihr Charme liegt in Lösungen, die mit der herkömmlichen IT-Landschaft nicht zu machen wären.

Und das sind insbesondere Geschäftsprozesse, die die Kommunikation mit dem Markt betreffen – mit Lieferanten, Kunden und den Kunden der Kunden. Zwar vollzieht sich die digitale Transition der industriellen Produktion und der Dienstleistungen derzeit noch mit Trippelschritten. Aber ohne die Cloud ist die Umsetzung des „Internet of Things“ einerseits, in dem Maschinen untereinander und mit dem Menschen kommunizieren, und des „Internet of Tings“, in dem Nutzer ihre Meinungen, Deutungen, ihr Kaufverhalten und ihre Produktwünsche in Freundeskreisen teilen, nicht zu haben. Dies kann aber nur gelingen, wenn Innovationen in der Cloud zu Investitionen im Mittelstand führen.

Deshalb sollen Partner auf der Basis von Dynamics 365 und Office 365 neue, zeitgemäße Lösungen entwickeln. Neue Ideen braucht das Land. Für einen internen Ideenwettbewerb wurde schon mal eine – natürlich Cloud-basierte – Sammelstelle für Partner eingerichtet. Microsoft geht es um nicht weniger als die Wiederentdeckung, wenn nicht Neuerfindung des Unabhängigen Softwareherstellers (Independent Software Vendor), der mit seinen vertikalen Lösungen den Markt für Cloud-basierte Dienstleistungen aufrollt.

Das hat in Deutschland schon immer gut funktioniert. IBM konnte über Lösungen ihr Mittelstandsystem AS/400 erfolgreich vermarkten. SAP hatte mit Partnerlösungen rund um R/3 großen Erfolg. Und Microsoft konnte seine ERP-Anwendungen durch Partnerlösungen vertikalisieren. Jetzt soll das erneut gelingen, um aus dem schnellen Markterfolg mit der Cloud ein nachhaltiges Geschäft aufzubauen. Am Ende freut das auch den Mittelstand.

 

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