180618 CEBIT

Der Muff aus 30 Jahren

Alle reden von der neuen CEBIT – die jetzt mit großem E auftritt, weil sie – wie die Deutsche Messe selbst betont – jetzt erwachsen geworden ist. Dabei ist die entscheidende Nachricht die, dass die CEBIT wieder jung geworden ist, frisch, fröhlich und frei – jedenfalls draußen auf dem Freigelände.

Doch wir müssen zunächst von der alten CEBIT reden, ohne deren Verständnis der Wagemut der Messemacher rund um CEBIT-Chef Oliver Frese gar nicht zu würdigen wäre. Zwar sagt er selbst, dass draußen, auf dem zehn Fußballfelder großen Campus Festivalstimmung herrschte, während drinnen, in den (vergleichsweise wenigen) Hallen konkretes Geschäft lief. Also Ergebniswelt und Erlebniswelt in einem! Aber tatsächlich konnte man in den altbackenen Cubicals und Null-Acht-Fuffzehn-Ständen den Muff aus 30 Jahren riechen. Das war Alte CEBIT at its worst.

So hat die CEBIT ihre eigene Wandlung zur Schau gestellt. Das SAP-Riesenrad vor Halle 27 steht dabei beispielhaft für den frischen Wind, der übers Gelände fegte. Denn die Riesensause war ja eine Botschaft auf mehreren Ebenen. Das Spielgerät war erstens selbst ein Beispiel für Lösungen rund um das Internet der Dinge. Zweitens hat es dem berühmten Elevator-Pitch, der kurz-knappen Alleinstellungs-Message eine Plattform gegeben. Und drittens signalisierte es schlicht und schön: Hauptsache, Ihr habt Spaß!

Drinnen aber konnte man erleben, warum die Messe in den letzten Jahren so sehr an Attraktivität verloren hatte. In den meisten Hallen ist sie noch immer ein Spiegelbild jener muffigen mediokren Welt der Software- und Systemhäusler, der Hardware-Schrauber und Strippenzieher in ihren altbekannten dunkelblauen Vertreter-Anzügen. Nur die Krawatte abzunehmen, macht noch keinen Gründergeist.

Den gab es in Halle 27, die mit SCALE11 erfrischend anders war. Großflächig wurde hier ein Startup-Bazar eröffnet, in dem die Grenzen zwischen Ausstellern verschwanden. Für gegenseitige Besuche musste man keine Schwellenangst überwinden, wie das bei den klassischen Messeständen der Fall ist, die mit Stufe, Teppichboden und Tresen den Eindruck erwecken: Noch ein Schritt und du bist mir als Aussteller erbarmungslos ausgeliefert.

Dabei haben die großen Aussteller wie Microsoft oder die Deutsche Telekom, die sich entschieden haben, der CEBIT fernzubleiben (aber Werbung rund um die Fußball-Weltmeisterschaft zu schalten), mit Recht mehr Schlagzeilen gemacht, als die 2800 Aussteller, die sich für den Gang nach Hannover entschieden haben. Und natürlich haben wir wieder gezählt, wie viele Besucher die CEBIT anlockt. Während es in früheren Jahren hieß: „Turnschuhe unerwünscht!“, geht es in diesem Jahr darum, mit der CEBIT der Spiegel der gesamten Gesellschaft zu sein. Die Turnschuhträger von gestern sitzen heute in den Vorstandsetagen der Startups oder Systemhäuser oder sind selbst Chief Digital oder Chief Information Officer.

Der Snobismus der Fachbesucher und Aussteller ist gottseidank vorbei. Jetzt setzen wir auf Popularität und Ubiquität. Nicht nur ist jeder ein User und damit auch ein Experte für seinen persönlichen Beitrag zur Digitalisierung. Jeder ist auch selbst eine Datenquelle. Und jeder ist Teil mindestens einer Community. Egal, ob es sich dabei um Facebook-Freunde, Open-Sourcerer, SAP-Anwender, Car-Sharer, eSports-Gamer, Startup-Gründer, Lehrstuhl-Inhaber, IT-Leiter, Internet-Influencer oder Video-Freaks handelt.

Das ist der Geist, den wir von der CEBIT erhofft haben. Dass die Verantwortlichen rund um Oliver Frese dem Zeitgeist nachzuspüren verstehen, haben sie schon früher mit CEBIT-Slogans wie „Shareconomy“ oder „d!conomy“ gezeigt. Aber ein solches Messe-Motto wirkte immer ein bisschen aufgesetzt. Aufgesetzt auf den Muff aus 30 Jahren. Jetzt aber weht frischer Wind. Es war noch kein Sommermärchen wie bei der Expo2000. Aber ein verheißungsvolles Frühlingserwachen. Die CEBIT verdient eine zweite Chance nächstes Jahr. Die Aussteller haben ein Jahr Zeit, ihre langweiligen Messekonzepte zu überdenken, und die Ausstelller, die dieses Jahr nicht da waren, haben die Chance, davon zu lernen und nächstes Jahr wohl vorbereitet wieder auf der CEBIT auszustellen.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert