190722 IWF

Haushalten oder raushalten?

Mittelstands-Bashing gehört zu den schönsten Beschäftigungen deutscher Publizisten – nur das Groko-Bashing ist noch beliebter. Die Suada folgt in der Regel den drei großen „I“, die streng vernachlässigt würden: Inspiration, Innovation, Investition. Tatsächlich zeigen sowohl die Bundesregierung als auch die (zumeist) in Familienbesitz befindlichen mittelständischen Unternehmen große Zögerlichkeit bei Aktivitäten rund um die Digitalisierung unseres Lebens. Dabei hängt genau davon das Wohl unserer Wirtschaft und damit unseres Wohlstands ab…

Dass jetzt aber der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem jährlichen Deutschland-Bericht dem Mittelstand, namentlich den Familienunternehmen, den Vorwurf macht, an der ungleichen Verteilung des Vermögens hierzulande Mitschuld zu tragen, hat eine allgemeine Welle der Empörung gegenüber den Autoren und der Solidarität mit dem Mittelstand hervorgerufen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung etwa gewährte Brun-Hagen Hennerkes, dem Vorsitzenden der Stiftung Familienunternehmen, breiten Raum, um seinen Standpunkt klarzulegen und dem IWF – auch das ist eine gern verwendete Sottise – mangelnde wirtschaftliche Kenntnisse zu unterstellen. Andere Verbandsvertreter folgten und betonten vor allem die Wirtschaftsleistung der Familienunternehmen, die mehr Arbeitsplätze schüfen als die „anonymen Dax-Konzerne“.

Weder die IWF-Kritik, noch die Verteidiger des deutschen Mittelstands treffen allerdings den Kern des Problems. Denn unstrittig ist ja dennoch: „Die reichsten zehn Prozent der Haushalte in Deutschland besitzen rund 60 Prozent des aggregierten Netto-Vermögens der Volkswirtschaft und 40 Prozent dieses Vermögens in Form von nicht-börsennotierten Unternehmensanteilen“, wie es im IWF-Bericht heißt. Dies wirft aber weniger ein Licht auf die Unternehmer in Deutschland, als vielmehr auf die Unterlasser.

Zwar schlägt der IWF durchaus richtig vor, dass Börsengänge in Deutschland erleichtert werden mögen, um einem größeren Teil der Bevölkerung den Zugriff auf Unternehmensanteile zu ermöglichen. Doch die Wahrheit ist auch: anders als zum Beispiel im anglo-amerikanischen Raum bevorzugen die Deutschen das Festgeldkonto gegenüber dem Börsenparkett. Und als Ende der neunziger Jahre mit dem Neuen Markt zusätzliche Anreize gegeben wurden, folgte die Dot.Com-Blase. Und diejenigen, die damals nicht vom Spiel mit den Kursen kuriert wurden, wurden spätestens durch die weltweite Finanzkrise seit 2008 eines besseren belehrt.

Schwerer aber wiegt noch die Tatsache, dass die Deutschen die vermeintlich sichere Festanstellung gegenüber dem Risiko des Unternehmertums bevorzugen. Zwar erfreuen wir uns einer ansehnlichen Startup-Szene, die vor allem Berlin zu einer hippen Hauptstadt macht. Doch das zarte Pflänzchen der postmodernen Gründerjahre trocknet schon wieder aus, wie die jüngsten Zahlen der KfW nahelegen: Danach wurden im vergangenen Jahr zwar 547.000 Unternehmensgründungen gezählt – zu denen neben den vergleichsweise wenigen Startups vor allem Handwerksbetriebe, Kanzleien, Agenturen etc. gehören. Aber das sind bereits 11.000 weniger als 2017. Der Anteil der Gründer an der Erwerbsbevölkerung liegt nur noch knapp über einem Prozent. Nach der Jahrtausendwende lag die Quote bei drei Prozent.

Das liegt auch an den Bildungsplänen, die wir an den Schulen verfolgen. Es geht nicht um die Frage: Goethe oder Geld, Wissenschaft oder Wirtschaft. Neben der richtigen Initiative, die sogenannten MINT-Fächer zu fördern – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik –, muss endlich auch mehr Verständnis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge geschaffen werden. Die Erfahrung zeigt, dass Schüler, die während ihrer Schullaufbahn ein Betriebspraktikum absolviert haben oder an einer Firmen-AG beteiligt waren, häufiger gründen als ihre Mitschüler.

Es geht also nicht darum, den erfolgreichen Unternehmern vorzuwerfen, sie würden den Wohlstand auf wenige akkumulieren. Es geht darum, dass die jungen Erwerbstätigen sich lieber aus dem Wirtschaftsleben raushalten, statt unternehmerisch zu haushalten. Die IWF-Kritik sollte nicht die Familienunternehmen treffen, sondern die Bildungs-Politik. Aber auch die ist ein beliebtes Bashing-Target – leider ohne erkennbaren Erfolg.

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