190923 DataCenter

Nerds-Revolution

In jedem größeren Unternehmen gibt es sie – und viele von ihnen wirken wie ihre eigene Karikatur: Nerds – die eigenbrötlerische Spezies von Computerexperten, die mit einer goldenen DVD versehen von Computer zu Computer huschen und Updates aufspielen. Oder vielmehr: in vielen Unternehmen gab es sie, denn mehr und mehr werden die Nerds durch die Cloud abgelöst. Updates kommen per wöchentlichem Download auf den Rechner, die Server-Anwendungen und Unternehmensdaten werden längst in Cloud-Rechenzentren verwaltet. Dort werden sie noch gebraucht, die Nerds. Aber dort sieht sie keiner.
Sterben die Nerds aus? Wohl kaum – aber ihr Bild in der Öffentlichkeit wandelt sich zusehends: die Nerds von heute sind entweder Hipster und gründen ein Startup oder sie entwickeln völlig neue Kompetenzen, die im Cloud-Zeitalter besonders gefragt sind. Und mit den Nerds wandeln sich auch die Systemhäuser, die völlig neue Dienstleistungen erbringen. Unter der Cloud bieten sich völlig neue Geschäftsfelder:
Cloud-Consulting: Während Amazon und Microsoft sich ein spannendes Rennen um die Weltherrschaft im Cloud-Business liefern, haben beide Anbieter – wie auch ihre weiteren Marktbegleiter – ein zentrales Problem: Ihnen fehlt es an Manpower, um die Geschäftschancen, die sich beim Wechsel der internen IT in die Cloud ergeben, auch tatsächlich sachgerecht zu betreuen. Deshalb bauen beide massiv ihr Partner-Netzwerk aus, um mehr Cloud-Consulting betreiben zu können. Dieses Geschäftsfeld ist für Systemhäuser und Nerds äußerst lukrativ angesichts der Tatsache, dass der Mittelstand erst jetzt so richtig auf den großen Treck in die Cloud aufspringt. Denn ob Private-, Public, Hybrid-, Mixed- oder Multi-Cloud-Strategie für das einzelne Unternehmen besser passt, ist eine äußerst individuelle Frage, die von Unternehmen zu Unternehmen, Geschäftsmodell zu Geschäftsmodell beantwortet werden muss.
Managed Services: So paradox es klingen mag – je komplexer die Cloud-Infrastrukturen werden, desto notwendiger werden die Kümmerer. Zwar lassen sich zwischen On-Premises, On-Demand, Cloud- und Mobile Computing viele Prozesse automatisieren – erst recht, wenn man dabei künstliche Intelligenz zur Hilfe nimmt –, doch verlangen Wartung und Pflege, Anpassung und Ausbau der verteilten Infrastruktur ständige Aufmerksamkeit. Das gilt vor allem dann, wenn nicht nur die innerbetriebliche IT, sondern auch die Software in den Produkten zum Gegenstand der Cloud-Strategie wird. Schon heute ist jeder fünfte Euro, den Systemhäuser umsetzen, auf Managed Services zurückzuführen. Ihr Anteil am Systemgeschäft wird aber weiter steigen.
Integration und Automation. In diesen komplexen Infrastrukturen werden auch die Anwendungen immer komplexer. Wenn Volkswagen seine 122 Werke rund um den Globus vernetzen will, besteht ein hoher Aufwand an Integration, Automation und Vereinheitlichung. Zwar sind diese Projekte bei den meisten Unternehmen einige Nummern kleiner – doch das Geschäft mit Durchgängigkeit heterogener Anwendungswelten blüht. Dabei besteht der Integrationsbedarf nicht nur bei den Anwendungen. Auch die Daten müssen so vereinheitlicht werden, dass Analysen und Automatisierung reibungslos gelingen. Und schließlich bedarf es auch der Prozessintegration über viele Instanzen hin – erst recht, wenn im Internet der Dinge viele Geräte hinzukommen, die Daten produzieren und in die Geschäftsprozesse eingebunden werden.
Schnelle Eingreiftruppe. Dass Amazon und Microsoft derzeit im Wettstreit um die hellsten Köpfe unter den Nerds liegen, zeigt, wie sehr Digitalisierung und Automatisierung durch den Fachkräftemangel gebremst werden. Auf 80.000 IT-Experten wird die Zahl der unbesetzten Stellen allein in Deutschland geschätzt. Viele Positionen im Mittelstand können schon deshalb nicht besetzt werden, weil die Nerds hohe Gehaltsforderungen haben, die nur von internationalen Konzernen bezahlt werden können. So wird der Fachkräftemangel zu einem weltweit verzahnten Problem, weil sich die globalen Anwender ihre Spezialisten auf jedem Arbeitsmarkt suchen können. Systemhäuser sind hier immer häufiger als schnelle Eingreiftruppen für den Mittelstand im Einsatz, wo sie in Projekten die Aufgaben erfüllen, für die die internen Kräfte fehlen.
Der menschliche Faktor: Bislang weitgehend unerfüllt ist die Hoffnung, dass die Cloud erfolgreich Software-Vertrieb leisten kann. Zwar funktioniert das Geschäft mit einfachen Cloud-Services und Apps, die in Web-Malls oder App-Shops heruntergeladen werden, doch die komplexen Anwendungen, für die eine erfolgreiche Vertriebsstrategie über die Cloud umgesetzt wurde, sind nach wie vor rar. Auch SalesForce, das mit seiner CRM-Lösung zu den Pionieren bei Software as a Service gilt, beschäftigt immer noch einen beachtlichen Stab an Vertriebsmitarbeitern. Für Systemhäuser ist deshalb der Vertrieb von SaaS-Lösungen in Verbindung mit Managed Services und Integrationsangeboten wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
Dazu allerdings müssten die Nerds mehr Kommunikationskompetenz aufbauen und das Reden nicht allein den Vertrieblern überlassen. Das wäre dann die eigentliche „Nerds-Revolution“.

Ein Gedanke zu „Nerds-Revolution“

  1. Und wieder einmal ein erfrischend leichter, klarer Blick auf die Dinge. Ich finde es auch nicht ganz überraschend, dass Unternehmen heute mehr als einen Cloud-Service nutzen. Damit brauchen Sie Aufmerksamkeit und Konzepte, um die Dinge miteinander ins Spiel zu bringen. Orchestrierung. Einen verlässlichen Berater, der die Wirtschaftlichkeit versteht und die Technik beherrschen kann.

    Für Nerds mit Kommunikations-Fähigkeiten wird dann höchste Zeit… :)… das sehen wir auch so. Danke, lieber Heinz-Paul Bonn!

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