190909 Pitch

Pitch as Pitch Can

Rund 60.000 Startups gibt es in Deutschland. Diese überraschend hohe Zahl ermittelte die KfW in einer aktuellen Studie, die allerdings auf Zahlen aus dem Jahr 2017 basiert. Doch weniger werden es kaum geworden sein, auch wenn die Gründerquote hierzulande bedauerlicherweise wieder zurückgeht. Das gilt sowohl für die Startups im engeren Sinne, die mit digitalen Geschäftsmodellen neue Branchenregeln aufstellen, als auch für Jungunternehmen im Allgemeinen – also Handwerksbetriebe, Ladengeschäfte oder Dienstleistungsunternehmen wie Kanzleien und Agenturen. Der Deutsche sucht seinen Arbeitsplatz unverändert bevorzugt beim etablierten Mittelstand und in internationalen Konzernen.

Dabei sind Startups inzwischen selbst ein ernstzunehmender Arbeitgeber. Mit mehr als durchschnittlich zwölf Mitarbeitern, das bestätigen sowohl KfW als auch der von der KPMG zusammen mit dem Deutschen Startup Verband herausgegebene Deutsche Startup Monitor, beschäftigen die digitalen Jungunternehmen rund 75.000 Mitarbeiter. Allerdings ist die Suche nach zusätzlichen Fachkräften auch eines der drei größten Wachstumshemmnisse. Denn digitales Knowhow ist dünn gesät in Deutschland. Und Konzerne zahlen nun einmal höhere Gehälter. Diese Entwicklung ist durchaus bedenklich, denn so geht dem digitalen Wirtschaftsstandort Deutschland ein großes Innovationspotential verloren.

Das andere Wachstumshemmnis sind übrigens – wenig überraschend – die Suche nach Anlauf- und Wachstumsfinanzierung und die Suche nach Kunden. Dafür pitchen die Gründer im Durchschnitt jeden zweiten Tag! Das sind im Durchschnitt 121 Präsentationen pro Jahr und Unternehmen. Diese völlig verrückte Zahl ermittelte der Hightech-Verband Bitkom, der bei den sogenannten Scale-Ups, die schon eine gewisse Größe – nämlich mehr als 20 Mitarbeiter – und Marktbedeutung sogar auf 260 Pitches kommt. Das wäre dann „Pitch as pitch can“ an jedem Arbeitstag.

Dabei erfolgen drei Viertel aller Präsentationen vor potenziellen Geschäftskunden, nur jeder sechste Pitch gilt den Venture Capitalists. Und trotzdem klagen sowohl mittelständische Unternehmer als auch Startup-Gründer über den mühsamen Dialog miteinander. Man versteht sich einfach nicht. Und auch bei dieser Sprachlosigkeit geht dem Wirtschaftsstandort Deutschland ein großes Innovationspotential verloren.

Das ist beim produzierenden Mittelstand, der ohnehin bei der digitalen Transformation nachsitzen müsste, schon gefährlich. Aber besonders eklatant ist die gegenseitige Verständnislosigkeit dort, wo das gesamte wirtschaftliche Geschehen ineinander greift – in der Logistik. Obwohl Startups gerade das Transportwesen mit Online-Bösen, innovativen Lieferdiensten, Mobilitätskonzepten und Sharing-Angeboten neu aufstellen, hat nur ein von zehn Unternehmen, die sich mit Logistik-Prozessen befassen, bislang eine Kooperation mit Startups gesucht. Dabei bestehen gerade in der Optimierung von Lieferprozessen durch künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologien und Big Data Analytics unverändert große Einsparungspotentiale, die dem Wirtschaftsstandort Deutschland verloren gehen.

Kein Wunder, dass die Gründer inzwischen selbst mehr oder minder skeptisch in die Zukunft blicken. Aktuell sagen nur noch 39 Prozent der vom Bitkom Befragten, dass sich die Situation für Startups in den vergangenen zwei Jahren verbessert habe. Vor zwei Jahren war es noch mehr als die Hälfte – nämlich 54 Prozent – der Antworten, die eine positive Sicht auf die Dinge wiedergaben. Vor allem bestehen Zweifel an den Ankündigungen der großen Koalition im Bund. Beinahe vier von fünf Startup-Gründern haben den Eindruck, die Politik wolle sich nur mit den digitalen Jungstars schmücken. „Das erklärte Ziel der Politik, Deutschland zu einer Startup-Nation zu machen, ist aber kein Selbstläufer“, kommentierte Bitkom-Präsident Achim Berg die Entwicklung. „Die negative Entwicklung in der Einschätzung der eigenen Lage durch die Startups ist ein Warnzeichen.“

Vielleicht sollten Startups häufiger vor den Parlamentariern pitchen. Freitags  vormittags wäre dafür ein guter Zeitpunkt. – Das wäre dann der „Friday for Future“-Pitch.

 

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