210426 Wetter

Na, geht doch!

Die Diskussion über das Klima und seine vom Menschen gemachte Veränderung ist deshalb so kompliziert, weil das, was wir tatsächlich wahrnehmen, nicht Klima, sondern schlicht Wetter ist. Und das Wetter ist schon komplex genug! Während wir gerade unter einer Kaltfront leiden, die stärker ist als die Sonneneinstrahlung, erwarten wir besseres Klima, bekommen aber schlechteres Wetter. Dabei sind die Kapriolen schon extrem genug: während es im Sommer mitunter in einem Landstrich regnet, kommt es ein Tal weiter zu Starkregen mit Bächen, die sturmflutartig über die Ufer treten und Milliardenschäden verursachen.

Nicht nur die Versicherungen interessieren sich deshalb immer mehr dafür, Wetter nicht nur global, sondern lokal vorhersagen zu können. Auch die Landwirtschaft ist mehr und mehr davon abhängig, Wetter auf den Quadratkilometer genau antizipieren zu können. Und auch die Logistik ist mehr und mehr davon abhängig, die kommende Wetterentwicklung zeitlich und räumlich möglichst genau im Blick zu haben. Die Starkregenfälle in Frankreichs Süden im vergangenen Jahr hatten verheerende Folgen. Und das Elbehochwasser in Deutschland hat 2012 sogar eine Bundestagswahl entschieden. Allein im Süden von England hat es seit 2007 jährlich mindestens eine schwerere Überschwemmung gegeben.

Deshalb kommt es nicht überraschend, das die Briten jetzt zusammen mit Microsoft den weltweit stärksten Supercomputer für Wettervorhersagen einsetzen wollen, der ab Sommer kommenden Jahres in Betrieb genommen werden soll und übrigens von Beginn an CO2-neutral operieren soll. Das Projekt, das Microsoft für 1,6 Milliarden Dollar umsetzen soll, nutzt 285.000 CPUs und weitere 10.000 Grafikprozessoren in einer Azure Cloud. Dabei wird das von Elon Musk gegründete Open AI-Konsortium, in das Microsoft insgesamt gut eine Milliarde Dollar investiert hat genutzt, um möglichst umfassende KI-gestützte Wettermodelle und Simulationsvarianten einsetzen zu können. Der Open AI-Supercomputer wurde schon auf der Microsoft Build im vergangenen Jahr vorgestellt und gehört seitdem zu den fünf stärksten Supercomputern der Welt. Dabei lässt sich das Cloud-Netzwerk künftig auch weiter ausbauen.

So geht hoch-innovative Hightech! In Deutschland existieren vom ambitionierten Daten-Cloud-Projekt Gaia-X nur Blaupausen und Diskussionspapiere, in denen gefordert wird, US-amerikanische und erst recht chinesische Internet-Spezialisten vom Konsortium auszuschließen, weil sonst die gewünschte europäische Datensouveränität nicht hergestellt werden könne. Die Briten beweisen derweil nicht nur bei der Impfstrategie und im Supercomputing unverkrampfte Hemdsärmeligkeit. Der Brexit verleiht, so scheints, Flüüügel.

Natürlich ist es allemal schöner, bei Local Heros einzukaufen und die eigene Region zu stärken. Aber Ananas wachsen nun mal nicht am Niederrhein und Hightech entsteht vor allem in den USA. Dies hat die jüngste Jahresbilanz der Boston Consulting Group noch einmal dramatisch deutlich aufgezeigt. Seit 15 Jahren bewertet BCG die innovativsten Unternehmen der Welt und kommt kontinuierlich zum gleichen Ergebnis: Mit einer einzigen Ausnahme (2019) gilt Apple als das Unternehmen mit dem größten Erneuerungspotenzial, gefolgt von Alphabet/Google und – nach rasantem Aufstieg – Amazon. Microsoft wird auf Platz vier eingestuft und Tesla ist die neue Nummer Fünf.

Die ersten fünf Positionen werden also von US-amerikanischen Unternehmen gehalten. Das ist selbst dann beeindruckend, wenn man der Boston Consulting Group eine „America First“-Attitüde unterstellen will. Aber es sind andere Zahlen, die das abgehängte Europa dokumentieren. Während die USA die ersten fünf Plätze besetzt, kann Deutschland überhaupt nur fünf Unternehmen unter den ersten 50 Ranglistenplätzen aufweisen: Siemens (11), Bosch (30), Adidas (34), SAP (40) und Bayer (50). Die deutschen Flaggschiff-Unternehmen Volkswagen, BMW und Daimler sind hingegen unter „ferner liefen“ abgeschmiert. Aber ebenso schlimm ist, dass es überhaupt nur zehn europäische Unternehmen unter die ersten 50 geschafft haben – und davon immerhin die Hälfte aus Deutschland.

Die Wahrheit ist, dass weder die „digitale Souveränität“ noch eine andere Hightech-Weltmarktführerschaft für Europa in greifbarer Nähe ist – weder in der Elektromobilität, noch beim KI-Einsatz oder im Batteriebau. Die jetzt angestrebte Vorreiterrolle bei Wasserstoff-Antrieben geht schon aus geografischen Gründen nur in Kooperation mit sonnenverwöhnten Staaten wie – in diesem Fall – Saudi-Arabien. Warum also immer wieder diese Warnungen vor Kooperationen mit den Internet-Giganten?

Dass die fünf Weltranglistenführer in Europa Steuern vermeiden, liegt an den Schlupflöchern, die ihnen gewährt werden. Dass sie unter besonderer Datenschutz-Gesetzgebung im eigenen Land liegen ist misslich, greift aber nur in seltenen Sonderfällen tatsächlich deutsche Persönlichkeitsrechte an. Dass die Fünf aber in ihren Ökosystemen mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze in Europa schaffen, wird in der Debatte völlig vergessen.

Warum also nicht auch eine deutsche KI-Initiative mit Microsoft oder Google? Auch in Deutschland gibt es einen Bedarf an präzisen Wettervorhersagen, von Verbesserungen im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Hand ganz zu schweigen. Die Briten zeigen schließlich: Es geht doch!

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