220314 Lieferkette

Jetzt wäre die Stunde der Digitalisierung

Es wirkt wie ein Schlag mit einem nassen Handtuch ins Gesicht: Im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr spart die Bundesregierung offensichtlich vor allem bei den Digitalisierungsprojekten. Wie die FAZ meldet, soll allein der Haushaltsposten für Digitalisierungsprojekte im Bundesinnenministerium auf lächerliche drei Millionen Euro zusammengestampft werden. Derzeit sind es noch 377 Millionen Euro. Auch das Projekt zur Schaffung von digitalen Identitäten, mit denen sich Bürger rechtssicher im Web ausweisen können sollen, wird um ein Drittel gekürzt – auf 40 Millionen Euro. Und auch von den rund 6000 Digitalprojekten in den Behörden des Bundes, die die Vorgängerregierung unter Merkel schon in Angriff nehmen wollte, ist nur ein Bruchteil umgesetzt.

Das ist das völlig falsche Signal an die Wirtschaft, die angesichts der steigenden Herausforderungen ebenfalls damit beginnt, Digitalprojekte hintanzustellen. Dabei wäre jetzt die Stunde der Digitalisierung! Nie lagen so viele Handlungsoptionen auf dem Tisch, um die drängendsten Probleme bewältigen zu können: Mehr Nachhaltigkeit durch Energiekostensenkung, Materialeinsparung, Transportoptimierung und Digitalisierung der Kundenkommunikation ist ebenso eine Kernkompetenz der Digitalisierung wie die Umsetzung von New Work-Konzepten durch Flexibilisierung der Arbeitsplätze, teamorientierte Kommunikationsstrukturen, neue Bildungswelten zur Mitarbeiterqualifikation und Entlastung bei der täglichen Routinearbeit durch künstliche Intelligenz.

Deshalb wäre jetzt die Stunde der Tech-Konzerne wie Google und Amazon, Meta und Microsoft, ja sogar der derzeit etwas betulich wirkenden SAP, die die Lösungsbausteine für diese Herausforderungen längst bereithalten. Ihre jüngsten Quartalszahlen unterstreichen eindrücklich, dass sie weltweit auch genügend Abnehmer für ihre Digitalisierungsprodukte aus der Cloud finden. Ihre globalen Kunden fragen nicht mehr nach dem Wie, sondern nach dem Wie schnell. Nur der deutsche Mittelstand beginnt damit, sich in der Krise einzukuscheln und den Dauerregen abzuwarten.

Aber warum sollte er auch anders handeln, wenn ihm die Bundesregierung vorexerziert, wie man am falschen Ende spart. Deutschlands Verwaltung ist ein Bürokratiemonster und Grund nicht nur hierzulande für den Frust über langsame Genehmigungsprozesse, wenig durchgängige Online-Formulare und völlig unnötige Datenabfragen zu Grundsteuern oder Projektanträgen. Ausländische Investoren sehen darin einen wichtigen Hinderungsgrund, in Deutschland zu investieren. Warum sollte da ein mittelständischer Unternehmer mit Investitionen in digitale Innovationen in Vorleistung gehen?

Offensichtlich erreichen die digitalen Visionen und Tech-Perspektiven, die Business Cases und Return on Invest-Szenarien den Mittelstand gar nicht mehr. Das wichtigste Bindeglied zwischen den Tech-Konzernen und ihren mittelständischen Kunden befindet sich selbst in einer digitalen Verweigerungshaltung. Jetzt wäre die Stunde der Partner – den kleinen und mittelständischen Software- und Systemhäusern, die in den rund 62.000 Gewerbegebieten, die es in Deutschland gibt, ein und aus gehen. Sie halten den direkten Draht zu IT-Chefs und Firmeninhabern von rund drei Millionen mittelständischen Unternehmen.  Sie könnten so etwas wie Aufbruchsstimmung verbreiten, indem sie die Digitalvisionen der Tech-Konzerne in konkrete Mittelstandsprojekte umsetzen.

Bei den rund 100.000 Partnerunternehmen, die Microsoft oder SAP, Amazon oder Google unter Vertrag haben, arbeitet ein Vielfaches an Beratern für Software und Systeme, die jetzt Machbarkeitsstudien initiieren sollten, um dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, dem Mittelstand, neue Impulse zu verleihen. Doch stattdessen hecheln sie selbst dem ungeheuren Innovationstempo hinterher, das die Tech-Konzerne derzeit vorlegen.

Dabei ist es längst nicht mehr die Stunde der digitalen Vorreiter, der Early Adaptors. Es ist die Stunde des digitalen Aufbruchs. Es ist an der Zeit, ein Signal gegen falsches Sparen zu setzen.

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