Kempf kommt wie gerufen!

Eben rufe ich im aktuellen Bonnblog nach den Transformers, da erscheint auch schon einer am Horizont. Prof. Dieter Kempf, bis zum Anfang des Jahres noch Vorstandsvorsitzender der Datev in Nürnberg und in dieser Position langjähriger Vizepräsident des BDI. Die Chancen stehen exzellent, dass Kempf am Ende des Jahres BDI-Präsident und damit Nachfolger von Ulrich Grillo sein wird. Damit stünde ein Transformer an der Spitze des Bundesverbands der Deutschen Industrie.

Kempf hat es fertig gebracht, den Riesenapparat Datev in das digitale Zeitalter zu befördern. Eine Steuerberater-Genossenschaft hat nicht unbedingt per se den Ruf, Innovationsführer zu sein. Aber die Nürnberger verfügen über die größten Rechenzentren mit 47 Petabyte Datenspeicher für 40400 Mitgliedern und deren Hunderttausende Kunden. Und sie ist noch vor der Deutschen Telekom der erste Cloud-Anbieter in Deutschland. Über ihre Cloud-Services werden mehr und mehr Buchungsvorgänge in Deutschland und im benachbarten Ausland digitalisiert und als Services angeboten.

Das ist nicht allein Kempfs Leistung, aber sie gelang unter seiner Ägide. Sie gelang, weil Kempf es versteht, mit anderen zu kommunizieren, Visionen zu vermitteln und dann die richtigen Kräfte in die richtige Richtung wirken zu lassen. Dass ihm das auch bei der Digitalen Transformation gelingen könnte, macht ihn zu einem Hoffnungsträger für die deutsche Industrie.

Ruft die Transformers!

Es läuft wie ein Mantra durch alle Managementberatungen: Die Digitale Transformation wird kommen, aber weder Gesellschaft, noch Wirtschaft, noch Politik seien darauf vorbereitet. Das stimmt – und es stimmt auch wieder nicht.

Viele Unternehmensberater sehen nämlich in dem Mantra eher ein Menetekel, ein „Gewogen-und-zu-leicht-befunden.“ Zu leicht nimmt es demnach die Geschäftsleitung mit der digitalen Herausforderung, die zwar alle kommen sehen, aber eher so hinnehmen wie die nächste Unwetterfront: keine Versicherung gegen mögliche Schäden, keine Vorkehrungen, um sie zu vermeiden; keine Veranlassung etwas zu tun, bevor es zu spät ist.

Die Übereinstimmung darüber, welche Ziele mit der Digitalen Transformation zu erreichen sind, ist zwar unter den Firmenlenkern groß, ergeht sich aber eher im pauschalen Managementsprech, wie jetzt die Beratungsfirma DoubleYUU (die sich rühmt, auch die Bundeskanzlerin zu ihren Kunden zu zählen) ermittelt hat. Demnach sehen neun von zehn Befragten in der Sicherung der Zukunftsfähigkeit das dominierende Ziel in der Digitalen Transformation. Und immerhin zwei von drei der gut 1000 Teilnehmer an diesem Online-Fragebogen suchen in der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse eine Steigerung der Kundenzufriedenheit.

Diese hehren Ziele sind so richtig wie trivial. Jede Innovation, jede Reorganisation in der Wirtschaft hat diese beiden Perspektiven. Profitabilität, Schnelligkeit, Marktführerschaft sind dabei die Zielsetzungen, die diesem Streben attestieren, sie herbeiführen, ja garantieren. Aber bei den Fragen, was genau jetzt im konkreten Transformationsprozess zu tun ist, welche Schritte die richtigen und die naheliegenden sind, da herrscht Schulterzucken. Es wird ein wenig am Status quo gebosselt oder an der ganz großen Vision gefeilt. Dazwischen, an den Meilensteinen vom Heute zum Morgen, finden sich keine wegweisenden Markierungen.

Nach Einschätzung der von DoubleYUU Befragten fehlen in der Hälfte der Unternehmen belastbare Roadmaps zur Digitalen Transformation. Das kann nicht verwundern, denn bei 58 Prozent der Unternehmen sind noch keine Gesamtverantwortlichen benannt. Die oberste Managementriege sieht sich selbst als Vorreiter, aber nur einer von fünf Mitarbeitern traut ihr die digitale Kompetenz auch wirklich zu. Da verwundert es nicht, dass nach dieser Selbsteinschätzung vier von fünf Unternehmen heute noch kaum Fortschritte bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse gemacht haben.

Es wird höchste Zeit, dass wir die Transformers rufen! Aber sucht sie nicht in der IT-Abteilung. Zwar wird den IT-Experten die höchste digitale Kompetenz zugeschrieben. Aber was hilft das schon, wenn sie in ihrer Ausbildung nicht die Kommunikationskompetenz, nicht den Blick für die Geschäftsprozesse, nicht die Hingabe an den Kunden, nicht die Innovationskraft für neue Produktangebote erworben haben. Der Transformer ist ein Allrounder, kein Eierkopf. Er ist ein Netzwerker, kein Linearbeschleuniger.

Und da krankt es in deutschen Unternehmen gewaltig. Die Kommunikationsstränge sind entlang des Organigramms ausgerichtet. Sie dienen der Durchsetzung des Managementwillens von oben nach unten und dem Reporting von Vollzugsmeldungen von unten nach oben. Doch die Abteilungen sind nach wie vor abgeteilt – deshalb heißen sie auch so. Die Ohren der Zuständigen sind ständig zu, wenn es darum geht, die Belange der anderen wahrzunehmen.

Tatsächlich geht es in der Digitalen Transformation weniger um Technik im Sinne von Maschinen und Steuerungen. Darum geht es auch. Aber in Wirklichkeit müssen die Transformer neue Kommunikationstechniken einführen: horizontal, barrierefrei und vernetzt. Das müssen übrigens auch die Unternehmensberater erst noch verstehen, die sich ans Topmanagement wenden und hier ihre Evangelien verlesen. Top-Down ist 20. Jahrhundert. Wir müssen einfach querfeldein. Ruft die Transformers!

 

Nicht nur für eine Nacht

Seit ich im November 2009 angefangen habe, zu Themen der Informationswirtschaft, zur digitalen Agenda und mehr und mehr zum Zusammenspiel von deutschem Mittelstand und Startups regelmäßig zu bloggen, sind 358 Blogposts veröffentlich worden. Dies ist der 359. Sie erreichen mehrere Hundert Leser, werden über soziale Medien und per Mail von Dritten geteilt und verursachen freundliche Kommentare. Vielleicht tragen sie auch zur Meinungsbildung bei – aber das lässt sich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zweifelsfrei messen.

Bin ich deshalb ein Publizist, weil sich Montag für Montag ein fester Leserkreis auf meine Meinung freut? Oder bin ich einfach nur ein selbsternannter Lautsprecher, der seine Meinung ungefragt über die Medien verbreitet – als Akt der Selbstdarstellung? Wie auch immer die Antworten lauten, ich trage wie Tausende andere Blogger auch in jedem Fall zur Medienvielfalt hierzulande ein Mosaiksteinchen bei. Die Steinchen, die das Gesamtbild der Medienlandschaft in Deutschland darstellen, sind naturgemäß unterschiedlich groß. Da ist die Bildzeitung mit einer verkauften Auflage, die inzwischen unter zwei Millionen gerutscht ist. Da sind die Qualitätsmedien, überregionale Tages- und Wochenzeitung mit investigativem (und zugleich) kostenintensivem Journalismus. Da sind die Fernsehsender mit ihren großen Reichweiten, die Radiosender mit ihrer treuen Hörerschaft, die News-Plattformen mit ihrer auf das individuelle Profil der Besucher ausgerichteten Nachrichtenauswahl…

Jeder bekommt in dieser neuen Medienwelt die Nachrichten, die er verdient – von jenem Nachrichtenüberbringer, dem er vertraut. Aber sechs von zehn Befragten einer Emnid-Umfrage sagen, dass sie „den Medien“ im Allgemeinen misstrauen. Das klingt paradox in einer Zeit, in der die Medienlandschaft so transparent war wie noch nie. Nicht nur kann jeder selbst bemessen, wie viel der Newsfeed, dem er sich auszusetzen wünscht, wert ist – von null Cent im Internet bis zu den knapp fünf Euro, die der Spiegel kostet, vom billigen Yellow-Press-Ramsch bis zu hochwertigen Fachmedien. Und doch sagen mehr als die Hälfte: Wir trauen dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort nicht mehr, verweigern dem gezeigten Bild unser Vertrauen.

Eine der Begründungen für das Misstrauen, die die Befragten selbst anboten, war die Unterstellung, dass Medien in jedem Fall interessensgelenkt seien. Die vorgegebene Meinung des Herausgebers, die sprichwörtliche Schere im Kopf des Berichterstatters, die im Hintergrund tätigen Kräfte der Politik, die im Geheimen wirkenden Maßnahmen der Wirtschaftslobby – all das, so die Unterstellung, führe zu einem Gesamtmedienbild, das geschönt, geformt, zurechtgerückt ist.

Die Bundeskanzlerin – in diese Pauschalkritik ja ohne genannt zu werden als Institution der Politik mit einbezogen – stimmt dieser Vertrauensverlust „unruhig“ und „besorgt“, weil sie ihn auch als Ausdruck einer auseinanderfallen Demokratie wahrzunehmen scheint. Dort, wo nicht mehr diskutiert wird, wo also durchregiert wird und Politik als alternativlos apostrophiert wird, und auch dort, wo anderslautende Meinungen im Shitstorm niedergebrüllt werden, ist der gesellschaftliche Disput als Baustein der Demokratie gefährdet.

Mit nicht weniger als dieser Sorge beschäftigten sich in der CDU medianight in der vergangenen Woche Vertreter von Politik, Medien und Wirtschaft. Wer freilich nicht zu Wort kam, war der Medienkonsument selbst. Diejenigen, die auch der serösesten Berichterstattung ihr Vertrauen entziehen, waren nur in diesen beiden Zahlen vertreten: Sechs aus Zehn. Über ihre Köpfe hinweg wurde eine halbe Nacht lang diskutiert, ihr Verhalten analysiert. Und es gab genug Platz für Product Placement, beispielsweise durch Bildzeitungs-Chefredakteurin Tanit Koch, die schon mal mit der Exklusivnachricht des kommenden Tages warb.

Die Kanzlerin freilich tat das, was sie so erfolgreich, ja so beliebt macht. Sie stand über den Dingen und mahnte. Dass es auch zu viel Medienkonsum geben könne, erwähnte sie, indem sie den Deutschen aufs Kopfkissen schaute. Dort liegt nämlich in der ersten halben Stunde nach dem Aufwachen das Smartphone und versorgt den Aufgeweckten mit Nachrichten aus seiner Community. Die Kanzlerin mahnte davor, nicht unentwegt am Tropf der Nachrichten-Infusion zu hängen – und sei es auch nur für eine Nacht…

Unternehmensgründung: Highway to Hell

Man muss schon etwas ganz besonders Blödes sagen, wenn man freitagsabends in Oliver Welkes Heute Show zitiert wird. Dass Schwedens Küste zum größten Teil aus Ufern besteht, zum Beispiel. Letzte Woche schaffte es die Bundesregierung, repräsentiert durch Verkehrsminister Alexander Dobrindt, aber auch, ohne überhaupt etwas gesagt oder getan zu haben: Denn Welke prangerte den zögerlichen Ausbau der IT-Infrastruktur in Deutschland an. Auf dem Datenhighway sei eben nicht die Hölle los. Deutschland liege im Modernisierungstempo sogar noch hinter Bulgarien und Rumänien. (Lacher aus dem Publikum.)

Tatsächlich erweckte die Bundesregierung auf ihrer eben abgeschlossenen Klausurtagung eher den Eindruck, als wolle man die Lösung der nächsten Probleme auf eine Zeit (und einen Partner) nach der nächsten Bundestagswahl verschieben. Die digitale Agenda, die daran krankt, dass sie mit Gabriel, de Maizière, Dobrindt und Maas vier Väter hat, wird nur mit mäßigem Interesse und Tempo weiterverfolgt. Des einen (Gabriel) Vorstoß sieht der andere (Dobrindt) als Verstoß im Konkurrenzgerangel. Es geht nicht um die Sache, sondern um Zuständigkeiten.

Bei seinem nächsten Vorstoß kann Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel dagegen hoffen, keinen Gegenwind aus den eigenen Kabinettsreihen zu bekommen. Denn mit der Absicht, mehr Geld für Wagniskapital und Startups aufzulegen, tingelt er in seinem ureigenen Wirtschaftssektor. Gabriel will den vom europäischen Investitionsfonds (EIF) und dem ERP-Sondervermögen finanzierten ERP/EIF-Venture-Capital-Dachfonds um eine Milliarde Euro aufstocken. In einem ersten Schritt war der Fonds bereits im vergangenen Herbst auf 1,7 Milliarden Euro angehoben worden. Neben der Ausweitung des INVEST-Programms im Jahr 2017 will Gabriel zudem einen High-Tech-Gründerfonds III mit einem Volumen von etwa 300 Millionen Euro auflegen.

Der Schritt ist löblich, denn in der Tat ist die Beschaffung ausreichender Geldmittel für den Start in die Selbständigkeit eines der größten Hürden bei der Neugründung. Und tatsächlich erweisen sich Startups, mehr noch als klassische Unternehmensgründungen, als mächtige Jobmotoren. Allein in Berlin hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in Jungunternehmen innerhalb des letzten halben Jahrzehnts auf mehrere Zehntausend Jobs vermehrt. Und nicht zuletzt sind es die von den Startups verfolgten Innovationen rund um die Digitalisierung unserer Gesellschaft, die den Wirtschaftsstandort Deutschland voran bringen.

So weit, so gut. Aber Geld allein macht nicht glücklich. Nach den jüngsten Zahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) befindet sich die Gründungsstimmung jedoch auf einem Allzeittief, nachdem die Zahl der Gründungen ebenso wie der Gründungsgespräche zum vierten Mal in Folge zurückgegangen ist. Damit hat sich das Gründungsinteresse innerhalb von zwölf Jahren halbiert – auf nunmehr noch 205.000 Gespräche zu Gründungskonzepten und Geschäftsmodellen. Auffällig ist dabei, dass vielen angehenden Jungunternehmern der Sinn für den Kundennutzen abhanden geht. Sie entwickeln Konzepte, die technisch hip sein mögen, aber kaum eine Zielgruppe finden.

Da hilft dann auch kein Gründerfonds. Tatsächlich ist der in seinem Mittelstandsbauch vom Maschinen- und Automobilbau geprägte Standort Deutschland zu lange überheblich mit der Digitalen Agenda umgegangen. Statt Neues zu denken wurde Bewährtes optimiert. Gleichzeitig wachsen Kinder und Jugendliche mit einer größtmöglichen Wirtschaftsferne auf. Sie können zwar, wie unlängst eine Kölner Abiturientin medienwirksam reklamierte, Gedichte in fünf Sprachen analysieren, aber keine Steuererklärung ausfüllen. Und sie können auch keine Geschäftsmodelle entwickeln. Ja – fragt man Schulabgänger, dann ist sogar der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn nur diffus vermittelt worden.

Da helfen weder Geld noch gute Leitungen. Wenn der IT-Ausbau in Deutschland nicht gleichzeitig mit dem Ausbau von IT- und Wirtschafts-Skill erfolgt, ist die Digitale Agenda nur ein Kalenderblatt der Geschichte. Ohne Gründergeist gefährden wir den Wirtschaftsstandort Deutschland gleich doppelt: Dem Mittelstand fehlen die Nachfolger und den Startups die Ideen. Dann wäre wirklich die Hölle los.

Um beide – Mittelstand und Startups – zusammenzubringen, organisiert der Bundesverband Deutsche Startups im Europa-Park Rust vom 15. bis 17. Juli unter dem Motto „Mittelstand von Morgen“ eine Großveranstaltung zum Thema. Dort wird auch das zusammen mit Florian Nöll entstandene Buch „Heute Startups – morgen Mittelstand“ vorgestellt. Hier geht’s zu Anmeldungen und Programm.