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Wir müssen noch einmal zurückkehren in den Sommer 2013, als Edward Snowden die NSA-Affäre lostrat. Damals, durchaus unbemerkt von der wie immer breiten Öffentlichkeit, wurde auch der Startschuss für die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union gegeben. Und eine Reihe von Populisten hierzulande hatte damals schon gerufen: Nicht mit diesen Rechtsbrechern! Beim Handel zeigen wir den Amerikanern, was Europa unter Freiheit versteht!

Dann war das gesagt – und Snowdens Enthüllungen blieben in der öffentlichen Diskussion, die TTIP-Verhandlungen jedoch nicht.

Heute spricht kaum jemand von Snowden und der NSA-Affäre. Dagegen ist das TTIP oder offiziell Transatlantic Trade and Investment Partnership jetzt ein echter Aufreger.

Nun waren ja Handelsabkommen noch nie der große Quotengarant. Das zwischenstaatliche Geschachere um Zölle, Tarife und Marktzugänge betrifft zwar unsere wirtschaftliche Entwicklung und das, was wir in den Supermarktregalen vorfinden, es hat aber – gefühlt – weniger Brisanz als, sagen wir mal, die Aufholjagd von Borussia Dortmund.

Es musste erst das Chlorhuhn aus US-amerikanischen Chicken-Farms auftauchen, ehe die europäische und besonders die deutsche Seele ins brodeln geriet. Die abstrakte Sorge nämlich, dass über die Vereinheitlichung von Zulassungsstandards und -methoden der Verbraucherschutz und der Umweltschutz Schaden nehmen könnten, hatte plötzlich ein konkretes Schreckensmonster. Dass es umgekehrt US-amerikanischen Verbrauchern vor schimmelndem französischem Käse grauen könnte, zeigt eher, wie sehr eine transatlantische Handelsverständigung nottut. Was dem einen sein Schimmel ist dem andern sein Chlor.

Die zweite Sorge, die sich zunächst abstrakt formierte, dann aber in der Vision von geheimen Kungelkreisen manifestierte bezieht sich auf das „I“ in TTIP, denn hinter „Investment“ steht auch immer ein Investitionsschutz. Dazu sollen Schiedsgerichte nicht näher erklärter Zusammensetzung und Kontrolle vorab darüber (mit)entscheiden, ob Gesetzesänderungen ungerechtfertigte Nachteile für einzelne (ausländische) Unternehmen nach sich ziehen. Der Casus-Cnaktus ist hier wohl die Klage von Vattenfall zum Atomausstieg Deutschlands.

Ob Chlorhuhn oder Kungelkreis – die Ressentiments gegen TTIP speisen sich aus Unkenntnis und die wiederum entstammt mangelnder Transparenz. Dabei ist es durchaus valide, wenn von den Verhandlungspartnern auf beiden Seiten angemerkt wird, dass man nicht öffentlich diskutieren kann, bis zu welchem Grad man bereit ist, Zugeständnisse zu machen. Aber man könnte öffentlich diskutieren und durch Veröffentlichungen dokumentieren, in welchen Bereichen keine Zugeständnisse gemacht werden. So funktioniert es auch bei Koalitionsverhandlungen. Und nichts anderes sind im Prinzip die TTIP-Verhandlungen auch.

Denn es geht um die Gestaltung einer globalen Wirtschaft, die auf Handel, Investitionen und gemeinsam getragenen Standards besteht. Das TTIP bietet die Möglichkeit, globale Wirtschaftsspielregeln zu beschreiben, zu gestalten und als Vorbild für andere zu postulieren. Dabei werden die Rechte von 800 Millionen Konsumenten ebenso zu berücksichtigen sein, wie die Interessen von Millionen Unternehmen, die zuletzt (2013) Güter im Wert von 288,3 Milliarden Euro von Europa in die USA exportierten und umgekehrt für 158,8 Milliarden Euro importieren. Bei den Dienstleistungen waren es noch einmal 196,1 beziehungsweise 146,1 Milliarden Euro.

Es gibt fundamentalere Bedenken als die durch Chlorhuhn und Kungelkreise aufgepeppte Verbraucher-/ und Umweltschutzdebatte (die keineswegs kleingeredet werden soll). So gibt es die Sorge, dass ein stärkerer transatlantischer Austausch den innereuropäischen Handel schwächen könnte. Es gibt Zweifel, dass sich die beflügelnden TTIP-Maßnahmen nicht (oder zumindest nicht positiv) auf den Arbeitsmarkt auswirken könnten. Diese Bedenken gab es schon im Sommer 2013. Aber da hat keiner hingehört.

Dennoch gilt: das TTIP wird gestalten, was sich sonst durch das Gesetz des Kräfteausgleichs im globalen Handel von selbst – aber dann ungesteuert – regeln wird. Schon heute ist beispielsweise die Automobilindustrie in praktisch jedem relevanten Verkaufsland auch mit einem Produktionsstandort vertreten. Man könnte also fragen, wie viel „Germany“ ist denn noch in einem Auto „Made in Germany“. Dennoch, sagen Experten, könnte allein diese Branche bis zu einer Milliarde Euro an Zöllen sparen, die letztendlich vom Verbraucher aufgebracht und über die Zolleinnahmen vom Staat umverteilt werden. Diese Globalisierung wird auch die Lebensmittelindustrie treffen, die heute vor der Thüringer Bratwurst aus Kentucky warnt. Am Ende gilt immer noch das Gesetz des freien Handelns im Supermarkt. Man muss nicht alles kaufen, was angeboten wird. Es soll aber draufstehen müssen, was drin ist. Nur so als TTIP.

Industrie? Wir! Punkt!

Wenn die Politik der Energiewirtschaft vorschreiben kann, mit welchem Brennstoff sie Strom erzeugen darf beziehungsweise nicht erzeugen darf, kann man dann auch der Wirtschaft vorschreiben, wie ihre digitale Kommunikationsinfrastruktur auszusehen hat? Oder anders gefragt: Können die politischen Parteien den wirtschaftenden Unternehmen das Konzept „Industrie 4.0“ verordnen (in den siebziger Jahren hätten wir den Pleonasmus „aufoktroyieren“ benutzt…)?

Die Diskussion um die vierte Generation der Industrialisierung – kurz: „Industrie 4.0“ – nimmt in Deutschland immer skurrilere Formen an. Während Angela Merkel (zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos) „auch als deutsche Bundeskanzlerin“ sagt, wie wichtig eine technologische Weiterentwicklung der digitalisierten Fertigung für den Wertschöpfungsstandort Deutschland ist und zugleich vor einem zweiten Platz im Wettlauf mit den digitalen Propagandisten in Fernost und Farwest warnt, wird hierzulande mal wieder nichts so heiß gegessen, wie es in den Siliziumbrennöfen gekocht wird.

Dabei gibt es wohl überall einen weitgehenden Konsens darüber, wie sehr die Digitalisierung die Produktionsmethoden und damit die Produktionsstandorte verändern wird. Fünf Punkte sind es, die in der Regel genannt werden, wenn es um die Vorteile einer komplett durch die Informationstechnik revolutionierten Wertschöpfung geht:

  1. Mit ihren Aufgaben besser im Wertschöpfungsprozess eingebundene lokale Standorte können schlanker, dedizierter, flexibler, individueller und schneller agieren und zugleich auf lokale Ressourcen zurückgreifen. Sie bilden ein wohl-orchestriertes Konzert mit großen, global ausgerichteten Standorten, wo assembliert und finalisiert wird.
  2. Die zunehmende Digitalisierung (Cloud Computing, Internet der Dinge, Big Data-Analysen) versorgt die Produktion mit immer intelligenteren Objekten, die nicht nur wissen, was sie sind, wohin sie gehören und was mit ihnen geschehen soll. Sie tragen auch die Blaupause zu ihrer Vervollständigung als digitale Rezeptur oder Stückliste mit sich rum.
  3. Kollaboration und Kooperation werden weiter voranschreiten, je spezialisierter einzelne Fertigungsstätten und Forschungszentren operieren. Wenn der Aufbau einer Kommunikationskette immer leichter wird, lassen sich zunehmend situative Partnerschaften zwischen Unternehmen und Universitäten knüpfen – und wieder lösen.
  4. Während die Spezialisierung der Produktionsstätten voranschreitet, wird sich zugleich auch eine Hybridisierung der Fertigungsstätten entwickeln, in denen heute dieser, morgen jener Arbeitsschwerpunkt umgesetzt wird. 3D-Drucker und hochflexible Roboter etwa sind Beispiele für diese Entwicklung. Statt der heutigen – zumeist – starr auf eine Produktlinie ausgelegten Werkshallen sehen wir künftig Maschinenparks, deren Wettbewerbsvorteil in der Flexibilität liegt.
  5. Damit einher geht ein kultureller Wandel in der Wahrnehmung des industriellen Handelns. Industrieparks werden zu lebenden Organismen, in denen nach ingenieurmäßigen Maßstäben arbeitsteilig Wertschöpfung betrieben wird – ähnlich wie in der Softwarebranche seit den späten neunziger Jahren.

Diese Vision verlangt deutlich mehr Zeit und Intelligenz als die bloße Digitalisierung eines bestimmten Fertigungsprozesses, in dem grundsätzlich oder strukturell eigentlich nichts gewonnen wäre. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie nicht vordergründig und plakativ in „Industrie 4.0“ investieren, sondern weiterhin in Märkte, ihre Produkte und ihre Produktion. Genau das passiert derzeit. Die alle überraschenden guten Konjunkturzahlen der letzten Monate zeigen, dass das kein Irrweg ist.

Deutsche Ingenieure haben eine lange Tradition, den Technologiewettlauf zu verlieren, um den Nutzungswettlauf zu gewinnen. Der vielgeschmähte Audiostandard MP3 gilt vielen als Menetekel für die Unfähigkeit, eine vielversprechende Technologie gewinnbringend umzusetzen. Nur: Wo war eigentlich der Business Case hinter MP3? Der Niedergang der Musikindustrie ist genau der Beweis, dass sich hinter der Digitalisierung von Audiodaten kein gewinnbringendes Geschäftsmodell verbarg.

Und auch in der Digitalisierung eines Fertigungsprozesses liegt per se kein Business Case, wenn es nicht gleichzeitig einen Kulturwandel im Sinne der fünf genannten Prinzipien von „Industrie 4.0“ gibt.

Es mag sein, dass in Europa zum wiederholten Male der Wettlauf um die Entwicklung einer Technologie verloren geht. Aber die Zuversicht ist gerechtfertigt, dass die Nutzung dieser Technologie auch den alten Kontinent mit seinen Ingenieurstugenden beflügeln wird.

Industrie? Das sind wir Unternehmer. Punkt.

 

 

Partnertausch

Offensichtlich gibt es immer noch keine Klarheit darüber, wie viele Mitarbeiter IBM nun in den kommenden Wochen (oder bisher schon) entlässt. Die schockierende Zahl von 110.000 Mitarbeitern – oder gut einem Viertel der Gesamtbelegschaft – mag als zu hoch gegriffen erscheinen. Sicher ist aber, dass IBM im Zuge der letzten Restrukturierungen 2000 Partner verloren hat. Sie sind mit dem Verkauf des x68-Server-Geschäfts an Lenovo mit in das chinesische Ecosystem gewechselt.

Die Zahl nannte Ginny Rometty auf der PartnerWorld in Las Vegas, als sie das ganze Ausmaß des Transformationsprozesses skizzierte, dem sich IBM derzeit unterzieht. Im gleichen Zeitraum nämlich sind zehntausend neue Partnerunternehmen dem globalen Kanalnetz der IBM beigetreten. Statt der Büchsenschieber jetzt also Entwickler für Cloud- und Mobile-Anwendungen, Security und Analytics – vier der Mainstream-Entwicklungen, aus denen IBM künftig wieder Umsatzsteigerungen generieren will. Zusammen mit den Partnern – aber nur, wenn die sich ebenfalls einer so massiven Transformation unterziehen wie die IBM.

Denn – ob nun bei IBM, Microsoft oder SAP – mit Partnern, die über die Distribution kaum einen Mehrwert erbringen, kann kein Ökosystem in der Informationswirtschaft mehr etwas anfangen. Distribution – das übernimmt künftig die Cloud. Systemadministration – das macht die Cloud. Customer Service – da gibt’s doch auch etwas aus der Cloud. Dazu braucht es künftig keine Low-Skill-Partner mehr. Der Added Value muss her, aus Sicht der IBM am besten in Form eines mobilen Cloud-Services auf der Analyse-Basis von Watson oder der der SoftLayer-Architektur.

Dabei betreibt IBM selbst den eigenen Turnaround bis zur Unkenntlichkeit. Man sieht jetzt IBM-Berater mit Management-Präsentationen auftreten, die von einem Max abgespult werden und eindeutig die Handschrift des neuen – und offensichtlich dominierenden IBM-Partners Apple aufweisen. Immerhin zehn Apps auf dem iPad sind bereits aus der Partnerschaft mit Apple entstanden – zunächst sämtlich branchenorientierte Speziallösungen. Im laufenden Jahr sollen weitere 90 Apps hinzukommen. Die neuen Apps sollen stärker horizontal ausgelegt sein und zum Beispiel Lösungen entlang der Supply Chain offerieren. Das wiederum dürfte nur in enger Partnerschaft mit den führenden ERP-Anbietern funktionieren.

So aber soll künftig das neue Cloud- und Mobile-Geschäft funktionieren. Add-Value-Solutions von Partnern auf iPads von Apple und im Hintergrund tickt die Architektur der IBM. Dafür hat sich Big Blue nicht nur selbst eine neue Organisationsstruktur verpasst, die eine stärkere Lösungsorientierung aufweist. Auch die Partnerorganisation wird diesen Rubriken – Watson, Security, Cloud, Mobile etc. – angepasst. Und wichtiger noch: so wie die Schranken innerhalb der IBM fallen, um eine stärker horizontale Durchmischung der Lösungen zu erreichen, sollen auch die Vertriebskanäle als One Channel Team zusammengefasst und interdisziplinär interaktiv werden.

Lediglich 20 Prozent ihres Umsatzes generiert IBM derzeit durch Partner. Das klingt mau, ist aber durchaus stattlich, wenn man berücksichtigt, dass eine ganze Reihe von Lösungsangeboten – wie bislang zum Beispiel das Globale Outsourcing Business – praktisch ohne Partnervermittlung läuft. In stärker lösungsorientierten Bereichen ist der Partneranteil am Umsatz durchaus oberhalb der 50-Prozent-Marke.

Aber genau hier sei mehr drin, sind Ginny Rometty und ihr Channelchef Marc Dupaquier überzeugt. Die schlichte Formel lautet: mehr Value Add, mehr Profit. Und das soll für beide Seiten der Partnerschaft gelten. Um mehr als die Hälfte erhöhen will Marc Dupaquier als General Manager IBM Global Business Partners den Umsatzanteil, der durch befreundete Firmen in die Kassen nach Armonk strömt.

Dazu scheinen Unternehmen, die keinen Turnaround nötig haben, noch attraktiver zu sein, als im Markt aktive Unternehmen, die ihre Kraft derzeit für ihren eigenen Schwenk benötigen. Deshalb fördert IBM Startups was das Zeug hält. Unternehmen, die jünger als fünf Jahre alt sind können – den entsprechend attraktiven Business Plan vorausgesetzt – mit einer Wachstumsspritze zwischen 100.000 und 150.000 Dollar rechnen. Als Darlehen, versteht sich. Aber aus Sicht der IBM, die ja noch lange kein Liquiditätsproblem haben dürfte, könnte das ein interessanter Coup werden.

Heute schon die Partner von morgen an sich binden. Das ist Partnertausch mit Nachhaltigkeitsgarantie. Und irgendwann muss ja auch das ewige Transformieren mal wieder zu Ende sein.

Die Hana-Dynastie

Schöner kann man seine Zurückhaltung nicht in lobende Worte kleiden: „Für den Großteil der Unternehmen dürfte das Produkt noch Zukunft bleiben“, meint Marco Lenck, CIO der Döhler Gruppe, in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der Deutschen SAP Anwendergemeinde (DSAG). Das „Produkt“ ist die letzte Woche vorgestellte neue Business Suite der SAP unter dem Namen S/4 Hana. Für den Vorstandsvorsitzenden Bill McDermott ist es nichts weniger als die wichtigste Ankündigung seit 23 Jahren (als Hasso Plattner R/3 vorstellte) und zugleich „das Konzept des Enterprise Resource Planning für das 21. Jahrhundert“, das nunmehr durch SAP neu definiert werde.

So richtig Definitorisches kam allerdings noch nicht heraus bei der Ankündigung der neuen Business Suite, dessen „S/4“ als Simple Solution der vierten ERP-Generation gedeutet werden soll. Oder auch als eine konsequente Weiterentwicklung von „R/3“, wobei jeweils alphabetisch als auch numerisch weitergezählt worden ist. Klar sind freilich die architektonischen Grundlagen der neuen Business Suite: Sie nutzt die neue prozess- und ereignisorientierte Benutzeroberfläche „Fiori“ und basiert auf der speicherresidenten Datenbank Hana. Ausschließlich Hana – zumindest vorerst. Eine „echte Wahlfreiheit“ auf Datenbankebene wird jedoch schon jetzt aus den Reihen der DSAG gefordert. Und eine schrittweise Migration von der bestehenden ERP-Suite in die neue Welt ebenfalls…

So sei das nun mal, wenn man seine Innovationen in ein neues Produkte bündelt, reflektierte SAP-Aufsichtsrat und Hana-Inventor Hasso Plattner gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum „Inventor´s Dilemma“. Damit habe man zu kämpfen: „Wenn man mit einer Sache Erfolg hat, gibt es starke Strömungen in einer Firma, noch eine Runde und noch eine Runde auszunutzen, obwohl alle wissen, dass der Tag kommt, an dem man es ersetzen muss.“

Und der Tag ist gekommen. Ab jetzt regiert die Hana-Dynastie, die Anwendern nicht nur handfeste Performance-Vorteile und Erkenntnisgewinne bei der Auswertung großer Datenmengen gewährt. Sie hält auch zugleich den Wettbewerb auf Distanz: Oracle-Datenbanken – lange Zeit die Datenbasis der ersten Wahl – sind nun nicht mehr gern gesehen. IBMs DB2 kostet in der bestehenden Business Suite seit Herbst letzten Jahres schon einen Aufpreis. Hana hingegen bedient heute mit rund 5800 Kunden einen erklecklichen Teil des Neugeschäfts (1700 Kunden im letzten Quartal).

Dabei dürfte die entscheidende Innovation in der konsequent auf Prozesssicht ausgelegten neuen Suite bestehen, die durch die schnelle Datenbank befeuert, aber durch „Fiori“ überhaupt erst für mobile und immobile Mitarbeiter sichtbar gemacht wird. Ob freilich „S/4 Hana“ zunächst und wenn ja für wie lange funktional gegenüber dem bestehenden Lösungsangebot zurückstehen wird, ist vorerst noch nicht raus. DSAG-Anwendersprecher jedenfalls fürchten bereits jetzt um den rechten Migrationsweg, der vor allem die immensen Investitionen in individuelle Anpassungen berücksichtigen soll. Des einen „Inventor´s Dilemma“ ist zugleich auch des anderen „User´s Dilemma.“ Die Kunst liegt in der Abstimmung beider Interessen.

Und dann gibt es auch noch die Interessen des Mittelstands zu bedienen, für dessen Eroberung SAP schon ein knappes halbes Dutzend Anläufe genommen hat. Wie viel Business by Design in „S/4 Hana“ drin ist oder ob der Mittelstand zu jenen Unternehmen gehört, für die nach Marco Lenck das neue Produkt „Zukunft bleiben“ – also nie Gegenwart werden – wird, bleibt zu fragen. „S/4“ also doch wieder eine neue S-Klasse ohne Mittelstandeignung?

Dabei ist das nicht einmal der einzige und vielleicht auch nicht größte Schwenk, der für SAP und ihre Kunden ansteht. Zwar wird die neue Business Suite sowohl in klassischer Lizenzabgabe „On-Premise“ als auch in privater oder zentraler Cloud offeriert. Auf lange Sicht aber will SAP das Anwendungsportfolio aus der Wolke heraus pflegen und steuern. Immerhin 44 Millionen Anwender betreue man bereits aus der Cloud heraus, berichtete Bill McDermott stolz. Das sind SAP sogar Einbrüche in der Bilanz wert. Im zurückliegenden Jahr hatte SAP aus 17,6 Milliarden Euro Umsatz (plus 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 4,356 Milliarden Euro (minus 1) generiert. Die angepeilte Umsatzrendite von 35 soll jetzt erst 2017/2018 erreicht werden.

Und dabei soll das Cloud-Geschäft den Schub liefern. Der ist freilich nicht kurzfristig zu haben, denn zunächst geht der Umsatz beim Wechsel vom Lizenzgeschäft zum Mietgeschäft in den Keller. Das weiß auch Hasso Plattner: „Ein Verkauf von Lizenzen gibt den Umsätzen und oft auch dem Aktienkurs einen unmittelbaren Schub, aber strategisch ist das Vermieten besser für uns.“

Und das soll nun unter der Regierungszeit der Hana-Dynastie stetig vorangehen. Zwar werde man 2015 nicht so stürmisch wachsen wie zuletzt, als sich im Cloud-Geschäft auch die Einnahmen der Zukäufe – unter anderem SuccessFactors und Ariba – auswirkten. Aber eine Milliarde Euro Umsatz durch die Cloud sei nach Einschätzung der SAP durchaus drin. Die Hana-Dynastie wird uns wohl eine ganze Weile erhalten bleiben – fragt sich nur: wie exklusiv.