Zehn oder die Kunst der Kundenpflege

Jetzt wissen wir es also: am 29. Juli ist D-Day: Download-Tag für Windows Zehn. Seit heute erhalten Benutzer, die Windows 7 oder 8.1 einsetzen, den Hinweis, dass sie sich für den Download bereithalten und registrieren sollen. Ein Jahr lang, so heißt es, kann dann die Welt das Upgrade runterladen und für die Lebensdauer des Geräts kostenfrei nutzen.

Schon im April hatte Microsoft mit dem Updatepaket 3035583 einen mutmaßlichen Window-10-Downloader auf allen registrierten Systemen installieren lassen. Ausgenommen sind freilich Enterprise Editionen, für die es kein kostenfreies Upgrade gibt, und RT-Installationen, für die es nicht einmal ein kostenpflichtiges Update gibt. Oder doch? Gerüchten zufolge wird Microsoft zumindest XP-Kunden ein kostenpflichtiges Upgrade für 35 €uro anbieten.

Der Termin gilt allerdings nur für PCs und Tablets. Smartphone-Inhaber müssen wohl noch ein wenig warten. Der unterschiedliche Termin dürfte in dem Versprechen liegen, eine über alle Systeme portierbare Windows-10-Version zu erhalten. Wer also eine App auf dem Smartphone installiert, soll sie auch auf dem Desktop nutzen können – natürlich bei voll synchronisiertem Datenbestand. Wer dies nutzt (und wer sollte das nicht wollen), ist schon mal per se Microsofts Cloud-Kunde. Gleichzeitig kommen Updates und Features jeden Patchday frei Haus – ob man will oder nicht. Für Consumer ist das okay. Für Unternehmen aber nicht.

Deshalb hat Microsoft ein kompliziertes Service-Modell für „Windows as a Service“ entwickelt, das Kunden in unterschiedliche Nutzer- und Nutzungskategorien einteilt. Für Unternehmen wird aller Voraussicht nach der Patchday zur Vergangenheit gehören. Updates werden danach aufgespielt, sobald sie verfügbar sind. Das sollte für Sicherheitsfeatures nicht uninteressant sein. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, Updates nicht auf jedes einzelne Endgerät, sondern auf einen zentralen Server zu schicken, von wo aus sie weiter distribuiert werden können. Das sollte die Netze deutlich entlasten. Und schließlich können Administratoren entscheiden, ob sie lediglich Sicherheits-Updates und Fehlerkorrekturen oder auch neue Funktionen installieren wollen.

Kunden sollten sich deshalb künftig gut überlegen, ob sie bei der Microsoft-Registrierung als „Consumer“ oder als „Company“ eingestuft werden wollen. Diese Option gilt insbesondere für kleinere Unternehmen, Handwerkbetriebe oder Freiberufler. Sie sollten ihr „Verhältnis zur Cloud“ dadurch klären, dass sie sich als Unternehmen outen und damit besondere Sorgfaltspflichten in Anspruch nehmen.

Für Microsoft steht dahinter eine interessante Geschäftsoption: (zu) viele nutzen Windows unter dem Mantel einer Privatperson längst betrieblich. Wo bisher die Lizenz im Wege stand, könnte künftig der Service den Weg zur Enterprise Edition ebnen.

Denn für dieses Betreuungsniveau braucht Microsoft keine Partner mehr – das Installieren neuer Updates von exklusiven Gold-Master-Scheiben ist eher ein Relikt des vergangenen Jahrtausends. Die Gelegenheit, während der Installation einen Kaffee mit dem Kunden zu trinken und sich nach nächsten Betreuungsmöglichkeiten (also: Geschäftschancen) zu erkundigen, ist ebenfalls passé. Das macht man jetzt durch moderne Marketing-Tools und Social Media. Den Ersatz sozialer Kontakte durch technische Interaktion nennt man Fortschritt…

Aber je mehr Kunden ihren Status als „Schein-Konsument“ zugunsten eines „Echt-Betriebs“ aufgeben, desto intensiver kann Microsoft sein Klientel bedienen. Das wird immer wichtiger angesichts der Tatsache, dass jedem User inzwischen mehrere Systeme zugeordnet werden müssen. Wer einen PC nutzt, hat wahrscheinlich auch ein Smartphone. Wer ein Tablet im Einsatz hat, greift vielleicht auch auf einen Windows Server zu. Diese Welten will und muss Microsoft mit Windows 10 und einer besonderen Kundenpflege einfangen. Der “Zehn-Buddhismus“ führt in eine neue Art der Kundenpflege. Windows 10 ist deshalb einerseits ein neues Betriebssystem, andererseits ein neues Betreuungssystem.

Allerdings sei auch angemerkt: Willkommen im Club, Microsoft. Die GUS Group verfolgt diese moderne Form der Kundenbetreuung mit ihrer Update-Philosophie rund um die GUS-OS Suite schon seit Jahren. Aber wir haben ja auch keine Privatkunden…

Nadellas Fenstersturz

War was? Eigentlich könnte man zur Tagesordnung übergehen. Microsoft hat Office für Apples iPad freischalten lassen. Na und?

In den Jahren ohne Office auf einem Tablet haben wir uns wunderbar anders beholfen und siehe da: der Mensch lebt nicht nur von Word allein.

Office war auch nie Grund genug, sich für ein „Surface-Book“ zu entscheiden. Oder gar für Windows 8. Microsoft ist irgendwie nicht mehr – äh, sagen wir mal: „geil“.

Und doch. Es ist nicht nur der Wechsel von „adipös“ zu „asketisch“, wenn nun statt Steve Ballmer Satya Nadella die Strategien des Konzerns aus Redmond präsentiert. Es ist auch das mit Bedacht gewählte goldene Einfallstor zum Silicon Valley – San Francisco nämlich –, wo Nadella einen ersten Einblick in die Zielsetzung „mobil zuerst, Cloud zuerst“ gewährt. So soll verlorenes Terrain wettgemacht werden. Doch die Ankündigung von Office fürs iPad letzte Woche war keineswegs schon der ganze Angriff, sondern eher nur eine Blendgranate, mit der Weltaufmerksamkeit auf die nächsten Einschläge geweckt werden soll: Windows ist nicht mehr das Maß aller Dinge – und schon gar nicht die Plattform fürs Web.

Die Plattform der Zukunft heißt Account. Nicht das System zählt, auf dem Anwendungen und Services genutzt werden, sondern das Konto, über das die Leistungen integriert und – das ist ja schließlich auch in der Internet-Welt nicht illegitim –abgerechnet werden. Denn wer vollen Nutzen aus Office fürs iPad ziehen will, der soll sich bei Office365 anmelden. Nur so funktioniert der Office-Dreisprung: Create, Edit and Store. Denn in einer mobilen, auf die Cloud setzenden Gesellschaft, heißt der Dreiklang ohnehin: Create, Edit and Share.

Allein die Öffnung von Office für das iPad könnte eine interessante Umsatzwelle in die Microsoft-Kassen spülen. Während im vergangenen Quartal 26 Millionen iPads verkauft wurden, interessierten sich gerade einmal 500.000 Kunden für das Surface-Tablet. Oder anders gerechnet: mit den jetzt im Markt verbreiteten 60 Millionen iPads stünde Microsoft ein Umsatzpotential von fünf Milliarden Dollar offen – vorausgesetzt, die Anwender entscheiden sich für die Bezahlvariante von Office.

Doch Microsoft zielt vor allem auf Geschäftskunden  und jene Webworker, die in arbeitsteiligen Communities agieren, vom Austausch der Ideen, der Kooperation und Kollaboration, den Prämissen der Shareconomy. Für die zählt nicht, welches Betriebssystem im Einsatz ist, sondern welche Sicherheitsfeatures realisiert sind. Es zählt auch nicht, von welcher Plattform aus operiert wird, sondern dass sie immer und überall verfügbar und erreichbar ist.

„Wir werden sicherstellen, dass Office auf jedem Tablet, jedem Smartphone, jedem PC und im Internet verfügbar ist“, sagte Nadella in San Francisco vor Analysten. Aber er sagte auch: „Die nächsten zehn bis 15 Jahre werden nicht mehr durch die Form von Computern geprägt werden, die wir schätzen und lieben gelernt haben.“ Blumiger kann man nicht umschreiben, dass der PC als Plattform ein absterbender Ast ist. Und auf diesem Ast sitzt Windows.

Das Geschäft rund um das Betriebssystem geht für Microsoft kontinuierlich zurück. Nur noch ein Drittel des Gewinns zieht Microsoft aus der direkten Windows-Welt. 2010 war es noch knapp mehr als die Hälfte. Und es ist abzusehen, dass dieser Trend sich ohne eine Richtungsänderung fortsetzen würde – in die Bedeutungslosigkeit.

Deshalb wird Satya Nadella jetzt die Stärken neu sammeln. Der ehemalige Bing-Entwickler wird Windows nicht killen, sondern zusammen mit Office, OneDrive und Azure für den Web-Betrieb optimieren. Im Hintergrund wird dazu heftig geplant und gefeilt. Bereits in den nächsten Tagen sollen auf der Entwicklerveranstaltung „Build“ Innovationen rund um Windows und die anderen Microsoft-Kernprodukte angekündigt werden. Nichts Geringeres als der Fenstersturz für Windows wird erwartet. Dann gilt: „Build dir deine Meinung!“

 

Die Schlüssel-Messe

Das Paradoxon der diesjährigen CeBIT wurde gleich zur Eröffnung überdeutlich sichtbar: Die beiden wesentlichen Trends, die hier in Hannover präsentiert werden, sind zugleich die Antipoden einer global vernetzten Datenwelt: Entschlüsselung und Verschlüsselung.

Und nirgendwo wurde das deutlicher als im Eröffnungsvortrag des Volkwagen-Vorstands-Vorsitzenden Martin Winterkorn, der das Cockpit der Zukunft nicht nur mit der nötigen Wahrnehmung und Rechenkraft ausgestattet sieht, um Autos autonom durch den Verkehr steuern zu lassen. Die Werkzeuge dafür sind auch gleichzeitig bestens geeignet, den selbst steuernden Fahrer in seinem Handeln zu überwachen – zu seinem Besten natürlich.

Schneller kann man in das gesellschaftspolitische Grunddilemma der heutigen Zeit gar nicht einfahren: So viel steuernde Erleichterung wie nötig bei so wenig Einschränkung der Selbstbestimmung wie möglich. Die Informationstechnologie mit ihren Überwachungs- und Überraschungsmöglichkeiten steht gewissermaßen am Scheideweg.

Insofern ist die CeBIT in diesem Jahr ganz gewiss eine Schlüssel-Messe. Sie weist nicht nur auf die Trends der kommenden Zeit, sondern auch auf ihre gesellschaftlichen Konsequenzen hin.

So zeigte sich denn auch die Kanzlerin skeptisch, als sie nach Martin Winterkorn die CeBIT-Bühne betrat und immerhin einen positiven Aspekt der VW-Vision abringen konnte: „Herr Winterkorn hat Menschen, die nie eine Fahrerlaubnis machen wollten, eine Perspektive gegeben“, scherzte Angela Merkel, nicht ohne hinzuzufügen: Vor allem aber gehe es um die „Selbstbehauptung des Menschen“. Wenn sich „Big Data“ auf „Big Brother“ reimt, sind Selbstbehauptung und Selbstbestimmung gefährdet.

Dabei ringt die CeBIT unter dem Motto „Datability“ vor allem darum aufzuzeigen, wie die „Lebensqualität des Menschen“ gerade dadurch erhöht werden könne, dass große Datenmengen ausgewertet und zu neuen Erkenntnissen führen können. Zum Beispiel solchen, mit denen Anbieter besser und genauer auf individuelle Bedürfnisse eingehen können. Oder wie bislang nicht erkannte Zusammenhänge zum Beispiel in der Medizin zu einer besseren Gesundheitsversorgung führen. Oder wie eine verbesserte Übersicht über Verkehrsströme – und dies auch noch in Echtzeit – weniger Staus und Gefahrenpunkte im Straßenverkehr ermöglichen.

Die Zahl derer, die sich auf der CeBIT mit Big-Data-Lösungen der Entschlüsselung solcher Rätsel widmen, hält sich mit jenen, die sich auf der Messe mit der Verschlüsselung von Daten befassen in etwa die Waage. Nirgendwo sonst kann man den Wettbewerb zwischen digitaler Aufrüstung und digitaler Abrüstung so gut beobachten, wie auf der CeBIT in Hannover.

Die Computermesse hat damit in der Tat ihren Charakter verändert. Sie ist gesellschaftlich relevanter geworden – und das ausgerechnet in einem Jahr, in dem erstmals nur Fachpublikum aufs Messegelände gelassen wird. Dabei allerdings mag noch unsicher sein, wie man in einer offenen Gesellschaft den arrivierten Fachanwender vom bloßen Hobbycomputisten unterscheiden mag. Das Unterscheidungskriterium „Turnschuhe“ ist schon seit den achtziger Jahren unzuverlässig. Und Firmenzugehörigkeit lässt noch lange nicht auf Fachkompetenz schließen.

Auch hier macht die CeBIT in ihrer Dialektik durchaus ein Grundparadox deutlich: So sehr es wünschenswert erscheint, die Daddel- und Sammel-Experten außen vor zu lassen, so sehr ist es gleichzeitig erwünscht, dass junge, aufstrebende Firmengründer, innovative Freaks und App-Designer ihren Weg in die Messehallen finden und jenen Schub in die Informationswirtschaft bringen, der einen Gegenpol zur US-amerikanischen Start-up-Gesellschaft abgeben soll.

Von kaum etwas anderem als dieser jungen Generation der innovativen Entrepreneure sprach denn auch Großbritanniens Premierminister David Cameron in seiner Eröffnungsrede. Er lobte nicht etwa die Cyber-Experten im Government Communications Center in Cheltenham, sondern die Jungunternehmer am „Silicon Roundabout“ in Londons altehrwürdiger Old Street. Start-ups, so lautete das gemeinsame Credo von Bundeskanzlerin Merkel und Prime Minister Cameron, sind der Jungbrunnen der europäischen IT-Industrie und die einzig richtige Antwort auf die US-amerikanische Herausforderung. Und womit sollen sie sich beschäftigen? Mit der Entschlüsselung von Rätseln und der Verschlüsselung von Daten.

Die CeBIT ist in diesem Jahr wahrlich ein Schlüssel-Ereignis.

 

 

Spioniert ihr noch oder klaut ihr schon?

Es ist ja in Blogs, Posts und News jeden Montag eine gute Übung, das am Wochenende in TV-Talkshows Abgehörte zu kommentieren. Wir wollen da auch nicht länger zurückstehen mit unserem Fazit: Für Verschwörungstheoretiker herrscht Hochkonjunktur! Geht es nach den Talkrunden, dann verheimlichte uns bis vorgestern die katholische Kirche den Milliardenreichtum ihrer Bistümer und bis gestern verheimlichte uns die US-amerikanische Botschaft in Berlin das Vorhandensein ihrer Ausspäheinrichtungen.

Mal abgesehen von der Frage, welchen Unterschied im Grundrechtanspruch es eigentlich machen soll, ob das Handy der Kanzlerin oder meins ausgespäht wird, bleibt zu diskutieren, wie ein von Kontinentaleuropa ernst genommenes Grundrecht im internationalen Maßstab gegen die Möglichkeiten der Technik und die mangelnde Ethik der Technologie-Supermächte gewahrt werden soll. Mehr Kryptografie, wie es die Telekom will? Mehr europäisches Engagement in IT-Technologie, wie es der geschäftsführende Wirtschaftsminister will? Oder mehr Aussperrung für Ausspäher, wie es der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar Sonntagabend bei Günther Jauch wollte?

Seine Einlassung zu Ausweisung amerikanischer Technologie-Unternehmen sollte eigentlich das Eröffnungsstatement für die nächsten Talkshows zur Ausspähaffäre werden. Denn die Hilflosigkeit, mit der die Europäer, offensichtlich allen voran die Deutschen, gegenüber den negativen Folgen der globalen Digitalisierung reagieren, ist fast schon beschämender als die ohnehin schon schändliche Tatsache, dass der Technologiewettlauf ins Internet hoffnungslos verloren gegeben worden ist.

Spioniert ihr noch oder klaut ihr schon? Sich gegen Ausspähung nicht zu wehren, ist selbstmörderisch – für den Rechtsstaat ebenso wie für die Wirtschaft. Denn neben der Intimsphäre jedes einzelnen Menschen ist das Insiderwissen jedes einzelnen Unternehmens das schützenswerte Gut eines Gemeinwesens. Beides ist jetzt gefährdet. Und während das Ausspähen von Kanzlerworten ein Vertrauensbruch ist, ist das Klauen von Know-how schlicht Diebstahl. Und beides ist ein Rechtsbruch.

Dagegen gibt es Mittel: Gesetze taugen nur so viel, wie zu ihrer Durchsetzung auch unternommen wird. Wenn die Kanzlerin jetzt eine Resolution in die UN-Vollversammlung einbringen will, wonach Ausspähung und Datenklau im Stil des 21. Jahrhunderts geächtet werden soll, dann ist das eine Initiative. Wenn die künftige Bundesregierung eine europäische Technologie- und Wirtschaftsoffensive lostreten würde, mit deren Hilfe wir uns aus dem Technologiediktat befreien könnten, dann wäre das die andere, wesentlichere Initiative. Mit „Industrie 4.0“ gibt es immerhin einen Ansatz für eine solche Aufholbewegung. Doch fehlt ihr bislang der politische Impetus.

Die Informations- und Kommunikationstechnik führt uns in den kommenden Jahren unweigerlich in die Cloud. Inwieweit wir Europäer bei ihrer Gestaltung mitreden oder nur abgehört werden, liegt an uns. Wir brauchen kein Lamento auf der Fernseh-Couch, sondern einen handfesten Plan zur Wiedererlangung europäischer Technologieführerschaft. Wer führt, wird nämlich nicht angeführt – nicht einmal von Freunden.

Und deshalb ist es auch das schädlichste Signal, als Technologieunternehmen öffentlich darüber zu sinnieren, seinen Firmensitz in die USA und sein Marktzentrum nach China zu verlagern. Aber darüber zu reden, ist ja nur noch eine Plattitüde…

Diskutieren Sie mit mir über die Auswüchse der digitalisierten Welt – am 8. November beim Thementag Cloud Computing in Köln. Weitere Informationen,  Agenda und Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier.