Der Stichwortgeber

Eigentlich hatte Tim Berners-Lee im März vor einem Vierteljahrhundert nur die Flut der wissenschaftlichen Erkenntnisse am CERN in den Griff bekommen wollen. Dass das World Wide Web, das durch seine initialen Entwicklungen – HTML, http und den Prototyp eines Browsers – dann unser Verständnis von dieser Welt verändern sollte, ja mehr noch: die Welt selbst verändern sollte, hatte er nicht auf dem Schirm. Oder doch?

„Das Problem des Informationsverlusts mag beim CERN besonders akut sein, aber in diesem Punkt ist CERN eher ein Miniaturmodell der ganzen zukünftigen Welt“, schrieb Berners-Lee in seinem Grundsatzpapier vom März 1989. „CERN begegnet derzeit einigen Problemen, die die Welt sehr bald gewärtigen wird.“

Zu diesem Zeitpunkt waberten nicht nur die Matrix und der Cyberspace durch das SciFi-Genre. Sondern auch natur- und gesellschaftswissenschaftliche Publikationen waren längst voll von Visionen, in denen „völlig neue Formen der Enzyklopädien entstehen werden, die von einem Gewebe aus Assoziationspfaden durchzogen sind“. Das Zitat entstammt der Juli-Ausgabe des amerikanischen Fachmagazins „The Atlantic Monthly“ aus dem Jahre 1945!

Den Autor und den Artikel dazu musste ich erst im Internet recherchieren: Dr. Vannevar Bush war seinerzeit Direktor des Office for Scientific Research and Development in den USA und damit Koordinator von rund sechstausend Wissenschaftlern und deren kriegswichtige Projekte. Der Titel des  69 Jahre alten Artikels: „As we may think“ – „So könnten wir [künftig] denken“!

So optimistisch Bush in seiner Vision über den umfassend informierten, intuitiv sich auf neue Wissensfelder vortastenden, denkenden Leser in einer vernetzten Welt – die er Memex nannte – gewesen sein mag. Sie trifft zu – und trifft auch wiederum nicht zu.

In der Tat: Die Enzyklopädie verstaubt im Regal, während wir den Permalink zu Wikipedia nutzen. Wir genießen Bücher wegen der haptischen Erfahrung, wie wir heute sagen, aber nicht, weil sie unsere primäre Lesequelle sind. Wir schreiben keine Wunschzettel, sondern kreieren Wishlists auf Amazon und sorgen auf Facebook für ihre Verbreitung. Breaking News erreichen uns im Web schneller als über die Broadcasting-Medien Radio und TV. Die Kunst des Briefeschreibens verkürzt sich zum Mailing, die des Essays zum Posting.

Und hier offenbart sich die fundamentale Verhaltensänderung,  die weder Bush noch Berners-Lee vorhersehen konnten: Das mühevolle Durchlesen verkürzt sich auf die Suche nach den markanten Stichworten. Die ebenso lustvolle wie leidvolle Recherche in voluminösen Texten reduziert sich auf das Scannen von Fundstellen. Die alte Idealvorstellung vom humanistisch Gebildeten weicht im World Wide Web dem digitalen Schatzsucher, der nur noch den Spuren des Internets als Stichwortgeber folgt.

Das Internet macht uns somit reicher und ärmer zugleich. Es wäre zu überprüfen, ob diese Entwicklung, die die ganze Welt betrifft, nun auch im CERN als Miniaturmodell der Welt beobachtet werden kann. Ist der wissenschaftliche Austausch auf der Ebene der Stichwortsuche nun tatsächlich effektiver und zielführender als der anhaltende wissenschaftliche Dialog und Diskurs unter Kollegen? Die Erfahrungen mit einem verschulten, auf den Bachelor als Stichwortsucher ausgelegten Studium legen durchaus den Verdacht nahe, dass das klassische Studium zwar weniger schnell, dafür aber reicher war.

Und in der Wirtschaft? Sicher sind wir inzwischen besser verzahnt, interaktiver miteinander vernetzt, globaler und breiter aufgestellt, um in neuen Märkten mit neuen Produkten und Dienstleistungen zielgruppengenau agieren zu können. Wir teilen die Arbeit nicht nur auf Abteilungen (daher der Name) und unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten auf und konzentrieren uns auf die wenigen verbliebenen Kernkompetenzen. Dabei vertiefen wir zwar das Knowhow im Kern, verlieren aber Wissen an der Peripherie – auch hier eine Folge der Wissensaneignung, die lediglich aufs Stichwort hört.

Das ist jedoch kein Menetekel. Hier wie dort, im privaten wie im wirtschaftlichen Bereich wird die Gesellschaft sich immer mehr scheiden in die, die die Kulturtechnik der Wissensaneignung über die Stichwortsuche hinaus beherrschen (oder wieder erlernen), und jene, die sich im Chatrooms und Daddelspielen verlieren. Dies ist die wahre digitale Kluft, mit der wir in Zukunft zu leben haben. Nicht allein die Frage, wer welchen Zugang zum World Wide Web genießt, sollte uns angesichts der Tatsache beschäftigen, dass lediglich 2,7 Milliarden von 7,7 Milliarden Menschen sich im Internet tummeln können. Auch die Frage, wie wir das Internet nutzen und wie wir unser Urteilvermögen ihm gegenüber behaupten, ist künftig eine Frage der „Digital Divide“. Denn erst dann entsteht eine geistige digitale Dividende.

Die Schlüssel-Messe

Das Paradoxon der diesjährigen CeBIT wurde gleich zur Eröffnung überdeutlich sichtbar: Die beiden wesentlichen Trends, die hier in Hannover präsentiert werden, sind zugleich die Antipoden einer global vernetzten Datenwelt: Entschlüsselung und Verschlüsselung.

Und nirgendwo wurde das deutlicher als im Eröffnungsvortrag des Volkwagen-Vorstands-Vorsitzenden Martin Winterkorn, der das Cockpit der Zukunft nicht nur mit der nötigen Wahrnehmung und Rechenkraft ausgestattet sieht, um Autos autonom durch den Verkehr steuern zu lassen. Die Werkzeuge dafür sind auch gleichzeitig bestens geeignet, den selbst steuernden Fahrer in seinem Handeln zu überwachen – zu seinem Besten natürlich.

Schneller kann man in das gesellschaftspolitische Grunddilemma der heutigen Zeit gar nicht einfahren: So viel steuernde Erleichterung wie nötig bei so wenig Einschränkung der Selbstbestimmung wie möglich. Die Informationstechnologie mit ihren Überwachungs- und Überraschungsmöglichkeiten steht gewissermaßen am Scheideweg.

Insofern ist die CeBIT in diesem Jahr ganz gewiss eine Schlüssel-Messe. Sie weist nicht nur auf die Trends der kommenden Zeit, sondern auch auf ihre gesellschaftlichen Konsequenzen hin.

So zeigte sich denn auch die Kanzlerin skeptisch, als sie nach Martin Winterkorn die CeBIT-Bühne betrat und immerhin einen positiven Aspekt der VW-Vision abringen konnte: „Herr Winterkorn hat Menschen, die nie eine Fahrerlaubnis machen wollten, eine Perspektive gegeben“, scherzte Angela Merkel, nicht ohne hinzuzufügen: Vor allem aber gehe es um die „Selbstbehauptung des Menschen“. Wenn sich „Big Data“ auf „Big Brother“ reimt, sind Selbstbehauptung und Selbstbestimmung gefährdet.

Dabei ringt die CeBIT unter dem Motto „Datability“ vor allem darum aufzuzeigen, wie die „Lebensqualität des Menschen“ gerade dadurch erhöht werden könne, dass große Datenmengen ausgewertet und zu neuen Erkenntnissen führen können. Zum Beispiel solchen, mit denen Anbieter besser und genauer auf individuelle Bedürfnisse eingehen können. Oder wie bislang nicht erkannte Zusammenhänge zum Beispiel in der Medizin zu einer besseren Gesundheitsversorgung führen. Oder wie eine verbesserte Übersicht über Verkehrsströme – und dies auch noch in Echtzeit – weniger Staus und Gefahrenpunkte im Straßenverkehr ermöglichen.

Die Zahl derer, die sich auf der CeBIT mit Big-Data-Lösungen der Entschlüsselung solcher Rätsel widmen, hält sich mit jenen, die sich auf der Messe mit der Verschlüsselung von Daten befassen in etwa die Waage. Nirgendwo sonst kann man den Wettbewerb zwischen digitaler Aufrüstung und digitaler Abrüstung so gut beobachten, wie auf der CeBIT in Hannover.

Die Computermesse hat damit in der Tat ihren Charakter verändert. Sie ist gesellschaftlich relevanter geworden – und das ausgerechnet in einem Jahr, in dem erstmals nur Fachpublikum aufs Messegelände gelassen wird. Dabei allerdings mag noch unsicher sein, wie man in einer offenen Gesellschaft den arrivierten Fachanwender vom bloßen Hobbycomputisten unterscheiden mag. Das Unterscheidungskriterium „Turnschuhe“ ist schon seit den achtziger Jahren unzuverlässig. Und Firmenzugehörigkeit lässt noch lange nicht auf Fachkompetenz schließen.

Auch hier macht die CeBIT in ihrer Dialektik durchaus ein Grundparadox deutlich: So sehr es wünschenswert erscheint, die Daddel- und Sammel-Experten außen vor zu lassen, so sehr ist es gleichzeitig erwünscht, dass junge, aufstrebende Firmengründer, innovative Freaks und App-Designer ihren Weg in die Messehallen finden und jenen Schub in die Informationswirtschaft bringen, der einen Gegenpol zur US-amerikanischen Start-up-Gesellschaft abgeben soll.

Von kaum etwas anderem als dieser jungen Generation der innovativen Entrepreneure sprach denn auch Großbritanniens Premierminister David Cameron in seiner Eröffnungsrede. Er lobte nicht etwa die Cyber-Experten im Government Communications Center in Cheltenham, sondern die Jungunternehmer am „Silicon Roundabout“ in Londons altehrwürdiger Old Street. Start-ups, so lautete das gemeinsame Credo von Bundeskanzlerin Merkel und Prime Minister Cameron, sind der Jungbrunnen der europäischen IT-Industrie und die einzig richtige Antwort auf die US-amerikanische Herausforderung. Und womit sollen sie sich beschäftigen? Mit der Entschlüsselung von Rätseln und der Verschlüsselung von Daten.

Die CeBIT ist in diesem Jahr wahrlich ein Schlüssel-Ereignis.

 

 

Die vier Dimensionen des CIIIIO

Es ist jetzt ein gutes halbes Jahrhundert her, dass die gute alte Datenverarbeitung in Unternehmen und Organisationen Einzug hielt. Nach den Mainframern und Client-Servants folgt jetzt die dritte Generation des IT-Managers: der C-IIII-O. Er ist sowohl Chief Information Officer als auch Chief für die neuen Disziplinen Interpretation, Integration und Innovation. Zusammen mit den Managern für Finance und Controlling dürfte er oder sie entscheidend für den Erfolg sein. Der Job wird hart. Und das sind die vier Aufgaben im modernen CIO-Vierkampf.

Information. Immer mehr Daten von überall her müssen zusammengefasst und verarbeitet werden. Konzepte wie das Internet der Dinge oder der Industrie 4.0 zwingen den CIO, sich mit völlig neuen Datenquellen zu befassen. Die Verbindungen von Maschine zu Maschine gehen heute bereits in die Millionen, ihre Vernetzung wird immer dichter, das Datenvolumen immer umfassender. Hinzu kommen externe Datenquellen, die nach und nach aus der Cloud herniederrieseln – zum Beispiel das Feedback aus dem Markt, das über soziale Medien gepostet wird. Das Speichern großer Datenmengen ist derzeit das ganz große IT-Thema.

Aber die Interpretation der Datenflut – die Big Data Analytics – wird zur gestalterischen Kerndisziplin des CIO. Er oder sie hat erheblichen Einfluss darauf, wie künftig Marketiers auf ihren Markt reagieren, Einkäufer Rohstoffpreise vorhersagen, Controller ihre Plan G+V gestalten, Herstellungsleiter ihre Maschinen einsetzen und Logistiker ihre Touren planen. Das ist eine Langfristaufgabe: Bis 2017, so mutmaßen die Analysten von IDC, werden erst etwa 40 Prozent der Unternehmen und Organisationen die Herausforderung der Big Data Analytics in den Griff bekommen haben – der weitaus größte Teil steckt dann noch mitten im Umstellungsprozess oder fängt gerade erst an.

Deshalb wird die Integration der zentralen Informationstechnik mit den zahlreichen dezentralen Plattformen der dritten Generation – also zum Beispiel mobile Endgeräte, Cloud-Services, soziale Netzwerke, Maschinen und Sensoren oder RFID-Tags – zur entscheidenden technischen Herausforderung der kommenden Jahre. Wenn es nicht gelingt, die derzeit auseinanderstrebenden Systeme, die in die Cloud, in die Hosen- oder Handtasche, auf den Beifahrersitz oder an den Heimarbeitsplatz abwandern, in einer Infrastruktur wieder zusammenzubringen, der verliert den Überblick über die Informationen und die Möglichkeit zu ihrer Interpretation.

Wenn es aber gelingt – und es muss gelingen -, verantwortet der CIIIIO die nächste ganz große Innovation in unserer globalen Wirtschaft. Und das ist nicht weniger als die komplette Umkehrung des Marktes. Nicht das Marketing des Anbieters entscheidet über den Markterfolg, sondern die Customer Experience. Das Echo aus dem Markt treibt den Anbieter vor sich her. Und nicht der Produktionsplaner treibt die komplexen Mechanismen der Wertschöpfung, sondern die vernetzten Maschinen und Cyber Physical Systems, die den aktuellen Status im Produktionsprozess minutiös mitschreiben und zu Realtime-Vorschlägen für die Prozessoptimierung zusammenfassen.

Information, Interpretation, Integration und Innovation werden Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern. Ob der CIIIIO hier Treiber oder Getriebener ist, hängt auch davon ab, ob er oder sie mit den Themen und Thesen der dritten IT-Generation vertraut ist. Es zeichnet sich eine Wachablösung im der IT-Abteilung ab. Die digital Natives streben in die Führungspositionen oder gründen gleich ihre Start-ups, um die Innovation von außen voranzutreiben.

Mobile Computing, Big Data Analytics, Social Media und Cloud Computing sind die vier technischen Treibsätze dieser I-dimensionierten Welt. IDC kürzt dies zum Megatrend MASC ab. Andere nennen es CAMS. Doch wie auch immer die Buchstaben sortiert werden, am Ende trifft es das I des CIO. In seinen oder ihren Händen liegt eine enorme Verantwortung. Kaufen oder gekauft werden, agil oder statisch, expandieren oder implodieren, gewinnen oder verlieren. Am Ende bleiben in der I-dimensionierten Welt nur zwei Optionen.

Am besten, Sie informieren sich gleich auf der CeBIT – oder sollte ich schreiben: CeCAMS. Die Lösungen für die CAMS-Trends kann man jedenfalls dort besichtigen.

 

 

Davos der digitalen Agenda

„Wenn wir die Chancen der intelligenten Auswertung und Verknüpfung von Daten richtig nutzen wollen, müssen wir uns jetzt mit neuen Methoden und Technologien, aber auch neuen Sicherheitsanforderungen auseinandersetzen.“ – Staatstragender, aber auch präziser kann man die Herausforderungen, die mit dem Buzzword „Big Data“ verbunden sind, nicht auf den Punkt bringen, als es Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière  jetzt im Vorfeld der CeBIT getan hat. Immerhin: Der Innenminister repräsentiert eines von vier Ressorts in der Bundesregierung, die sich mit dem Umgang und den Auswirkungen des Internets und ganz besonders mit dem Erkenntnisgewinn auseinandersetzen, der mit der Auswertung von Massendaten möglich ist – zum Guten und zum Schlechten.

Stärker als mit der Befassung der Ressorts Inneres, Justiz, Wirtschaft und Verkehr (mit dem Zuständigkeitsbereich Digitale Agenda) konnte die Große Koalition der Deutschen Messe gar nicht bestätigen, dass sie mit dem Topthema der diesjährigen CeBIT voll ins Schwarze getroffen hat. „Datability“, also die Fähigkeit (Ability) zur Auswertung von großen Datenmengen ist eines der zentralen Technologiethemen der Informationswirtschaft. Schutz vor Ausspähung, Privacy und informationelle Selbstbestimmung hingegen sind gesellschaftspolitische Herausforderungen, mit deren Behandlung die CeBIT nicht nur zur Hightech-Messe erster Ordnung, sondern auch zu einem gesellschaftspolitischen Epizentrum werden kann. Die Foren und Diskussionsrunden lassen hoffen, dass die CeBIT dieser Doppelaufgabe gerecht werden kann.

Es war freilich nicht immer so, dass die Informationswirtschaft und Telekommunikation, die sich im Centrum für Büro- und Informationstechnik ein Welt-Denkmal setzte, eine gesellschaftspolitische Attitüde hatte. Zunächst als Randthema der Industriemesse, dann als Exklusivthema der Halle 1 (die es aufgrund ihrer schieren Größe übrigens ins Guinness-Buch der Rekorde brachte) gewann die CeBIT schließlich auf dem Höhepunkt des Besucherzuspruchs 2001 mit sagenhaften 830.000 Menschen breitestes öffentliches Interesse. IT war aus dem Keller der Maschinen in die Köpfe der Menschen aufgestiegen.

Allerdings waren die Messehighlights 2001 (GPRS und UMTS) auch ein Wendepunkt für das Messewesen insgesamt – und nicht nur für die CeBIT allein. Die Smartphone-Standards leiteten eine Entwicklung ein, die zum Sargnagel der klassischen „Brick-and-Mortar“-Messen werden dürfte: Im Mobile Computing ist jeden Tag Messe – rund um die Uhr und rund um den Globus. Ganz ohne Hallen und Hektar. Und bei dieser totalen Messe fallen zudem jene Massendaten an, deren Analysen nun zum ganz großen Wirtschafts- und Gesellschaftsthema avancieren: Produktbeurteilungen, Kaufentscheidungen, Chats, Bewegungsdaten, Kontakte, Verbindungsdaten und und und. Im Internet der Dinge könnte – überspitzt formuliert –  jedes Sandkorn auf der Welt seinen Status posten. Und damit würden aus Big Data Bigger Data werden.

Die CeBIT-Verantwortlichen haben – übrigens anders als die Planer der CES in Las Vegas – das Verdienst, diese Entwicklung schon früh thematisiert zu haben. „Managing Trust“ hieß 2012 das Leitmotiv, 2013 war es die „Shareconomy“. Es könnte ein Erfolgsmodell sein, dass der CeBIT auch weiterhin eine Daseinsberechtigung erhält – auch wenn die Zahl der Besucher in diesem Jahr auf einen weiteren Tiefststand rutschen kann (zum Vergleich: die erste unabhängige CeBIT 1986 besuchten 334.000 Menschen).

Auch wenn immerhin 500 Unternehmen die CeBIT dieses Jahr nutzen wollen, um Sicherheitstechnologie zu zeigen, liegt der Schwerpunkt der Debatte diesmal vielleicht weniger auf den Ausstellerständen als auf den Konferenzen und Foren. Denn die CeBIT kann sich von einer reinen Technologieshow zu einem „Davos der digitalen Agenda“ mausern. Begleitkongresse wie die „CeBIT Global Conferences“ (früher ein wenig spartanisch „Firmenvorträge“ genannt, ehe der BITKOM die Schirmherrschaft übernahm) würdigen jetzt vor allem den (welt)wirtschaftlichen und (gesellschafts)politischen Aspekt der Informationswirtschaft und Telekommunikation. Dass in diesem Jahr unter anderem der stellvertretende NATO-Generalsekretär Dr. Jamie Shea und die EU-Kommissarin Neelie Kroes die Global Conferences zu ihrer Bühne machen, um sich zu Themen wie Cyber War, Ausspähung und Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu äußern, ist ein Beweis für den allgemeinpolitischen Anspruch, den die CeBIT reklamieren kann. Das Engagement von Bundesinnenminister Thomas de Maizières als Schirmherr des Public Sector Parc unterstreicht dies noch. Und zur Eröffnung werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Prime Minister David Cameron (als Vertreter des Gastlands) kommen. Dass mit Martin Winterkorn nicht nur der Vertreter des größten deutschen Industriekonzerns die Messe eröffnet, sondern auch damit die Konvergenz von Auto und Computer durch das Internet zu würdigen weiß, ist wiederum ebenso eine gesellschaftspolitische wie weltwirtschaftliche Note. Also ein bisschen Klein-Davos ist Hannover dann doch.