Watson! Watt sonst?

Kommt eine Grundschullehrerin zu Watson und will fragen…, kommt aber nicht dazu, weil IBMs künstlicher Intelligenzler ständig seine Vorzüge vorstellen muss. Schließlich unterbricht sie ihn (also eigentlich „es“ statt „ihn“, so weit wollen wir es mit der Vermenschlichung für AI-Computer nun doch noch nicht treiben) mit einer herrischen Geste und platzt heraus. „Was muss ich tun, damit die Kinder auch mal still sind?“ – Watson schweigt lange und antwortet schließlich: „Zu dieser Frage ist mir keine Lösung bekannt.“

Dies ist einer von vielen Werbespots, mit denen IBM ihren zentralen Hoffnungsträger, das Expertensystem Watson, der Menschheit näher bringen möchte. Cognitive Computing nennt IBM selbst das System, das in der Lage ist, aus unstrukturierten Daten empirisches Wissen zu ziehen und damit Handlungsempfehlungen auszusprechen. Und das ist ein riesiges Arbeitsfeld. Denn trotz der alles speichernden und sammelnden ERP-Systeme in Unternehmen, mit denen die Firmenressourcen verwaltet und verplant und damit praktisch jedes Firmengeschehen gesteuert wird, sind es nach Schätzungen von IT-Wissenschaftlern lediglich acht Prozent aller in einer Organisation vorhandenen Daten und Informationen, die in strukturierter Form vorliegen. Alle anderen Daten entziehen sich als Wort oder Bild den Auswertungsmöglichkeiten von klassischen Datenbanksystemen.

Noch. Denn Watson soll nach den Vorstellungen der IBM in all diese Gebiete vordringen und dabei die Möglichkeiten einer In-Memory Datenbank, dem derzeit hellsten Stern am Big-Data-Firmament, hinter sich lassen.

Doch es ist ein weiter Weg bis zum kommerziellen Erfolg, den IBM nach so vielen Quartalen mit Umsatzrückgang und Verlusten so dringend benötigt. Vor gut einer Dekade begannen IBMs erste Versuche im Gesundheitswesen, die inzwischen – nach jahrelangem Input von Anamnesedaten und Diagnosen und der kontinuierlichen Verbesserung der Denkleistung von Watson und seiner Vorgänger – zu nennenswerten Ergebnissen bei der Identifikation seltener Krankheitsbilder führen.

Neben vornehmlich humanen Projekten im Gesundheitswesen gibt es inzwischen auch handfeste monetär orientierte Kunden. Zum Beispiel Talkspace, das mit CaféWell eine Online-Plattform für die wachsende Zahl der Selbstoptimierer bereithält. Wer Ratschläge und Trainingstipps für sein individuelles Gesundheitsprogramm wünscht, kann hier auf Watsons Wissen zurückgreifen. Das kognitive System hilft auf einer anderen Plattform dabei, für Online-Gesprächstherapien den richtigen (menschlichen) Therapeuten zu finden.

Versicherungen, Ingenieurbüros, Online-Plattformen, Autobauer – sie alle erkennen in Watson ein System, das dabei hilft, firmeninternes Know-how zu bewahren, zu sortieren, auszuwerten und verfügbar zu machen. Jetzt haben sich acht Universitäten zusammengeschlossen, um Watson mit Informationen zu Cyber-Attacken zu füttern. Im Ergebnis soll Watson – Schritt eins – vor Cyber-Attacken warnen, im zweiten Schritt Cyber-Attacken abwehren helfen. Dies wäre in der Tat ein Multimilliarden-Business, das nach einer Lernphase von gut einem Jahr in Angriff genommen werden soll.

Offen ist freilich noch, wie das Watson-Ecosystem, das innerhalb von IBM durch Lauri Saft vertreten wird, finanziell funktionieren soll. Wo liegen die Geldströme, mit denen Big Blue wieder zum Darling der Aktionäre werden möchte? Über die „Watson Developer Cloud“ können Entwickler auf die APIs zurückgreifen, die IBM (das hätte es früher nicht gegeben!) offengelegt hat. Anders als Apple oder Google hofft IBM nicht auf Hunderttausende von Apps mit minimal invasiver Wirkung, sondern auf die mobilen Anwendungsfälle, die Hunderttausende von Spezialisten noch besser, noch effizienter, also maximal invasiv machen sollen. IBM kehrt damit nach einer langen Irrfahrt durch das Me-Too-Business zu dem zurück, was Big Blue einmal groß gemacht hat: Das tun, was andere nicht tun können.

Nur, der Anbietermarkt hat sich geändert: Mit Amazon, Google, Microsoft sind viele unterwegs, die in künstlicher oder kognitiver Intelligenz promovieren und einen Milliardenmarkt anstreben. Der Wettbewerb ist schon heiß gelaufen. Doch für IBM ist Watson die letzte verbliebene Trumpfkarte. Die einzige Antwort, die Watson auf diese Frage hat, lautet: „Watson! Watt sonst?“

 

Stillstand ist Tod

Jeden Tag kann man in einem Beitrag zum Wirtschaftsgeschehen lesen, dass Stillstand Rückstand bedeutet. Wer mit seiner Organisation nicht voranschreitet, wer nicht heute besser ist als gestern, der fällt zurück. Das ist unser Wirtschaftsmantra vom stetigen Wachstum, Besserwerden, Überholen.

Stillstand gilt es zu vermeiden. Doch es ist erstaunlich wie viel Aufmerksamkeit wir dem drohenden Stillstand einer Organisation widmen, und wie wenig dem jederzeit möglichen Stillstand unseres ultimativen Wachstumsmotors – unserem eigenen Herzen. Mir musste dies erst klarwerden, als ich mit Herzstillstand am Gepäckband im Flughafen Toronto zusammenbrach. Gottseidank direkt unter einem an der Wand befestigten öffentlichen Defibrillator. Und Gottseidank in Gegenwart einer sehr kundigen Stewardess, namens Miranda, die wusste, wie man das Ding einsetzt.

Man könnte natürlich – humoristisch wie Kölner nun mal sind – daraus die Lehre ziehen: „Überleg dir gut, wo du dir deinen Herzstillstand gönnst“.

Ich habe daraus die Konsequenz gezogen, in meinem Umfeld alles zu tun, dass der nächste Defibrillator nur wenige Schritte entfernt ist: in allen drei Stockwerken der Firmenzentrale der GUS Group in Köln hängen seit einer Woche Defibrillatoren. In unserer Niederlassung in Hamburg ist ebenfalls so ein gelber Lebensretter installiert. Für jeden „Defi“ sind im Hause Ersthelfer und „kundige Personen“ geschult, die sofort richtig und zielorientiert handeln können, sollte einem meiner Mitarbeiter mein Schicksal widerfahren.

Nach Schätzungen sterben hierzulande jedes Jahr rund 100.000 Menschen den plötzlichen Herztod. Für sie kam schon nach wenigen Minuten jede Hilfe zu spät. Dabei sind es nicht nur ältere Menschen, bei denen „die Pumpe“ plötzlich aussetzt. Gerade junge Menschen sterben, weil bei einer Rhythmusstörung, einem kleinen Infarkt das Herz nicht wieder anspringt. Bei Alten, so sagen Ärzte, hat das Herz durchaus eine gewisse Routine zum Selbststart.

Nur 14 von 100 Reanimationsversuche in Deutschland werden von Laien praktiziert. Die klassische Entscheidung ist, lieber Warten bis der Arzt kommt. Doch schnelle Hilfe hilft doppelt. Deshalb sind öffentliche Defibrillatoren heute mit einer Selbsthilfe-Unterstützung ausgestattet, deren Erklärungskomponenten auch in Stresssituationen klar und verständlich die Schritte der Wiederbelebung vorgeben. Lieber einmal richtig trauen als das ganze Leben Schuldkomplexe haben.

Wie viele Defibrillatoren es in Deutschland tatsächlich gibt, weiß niemand genau. Wie viele davon öffentlich zugänglich sind, versucht derzeit eine App zu ermitteln, die vom Verein Definetz entwickelt wurde. Sie zeigt anhand des Smartphone-Standortes, wo der nächste öffentlich verfügbare Defibrillator zu finden ist. Derzeit sind 24.000 Standorte erfasst. Hier der Link zu iTunes.

Jeder kann dazu beitragen, dass solche Initiativen ein Erfolg werden. Der beste Weg ist, in seinem eigenen Wirkungsbereich dafür zu sorgen, dass ein (öffentlicher) Defibrillator zur Verfügung steht. Sollte sich das Gerät in einem abgeschlossenen Büroraum befinden, kann man immerhin andere Unternehmen in der Hausgemeinschaft informieren.

In einer immer stärker vernetzten Welt, ist es eine Schande, wenn man nicht weiß oder wissen kann, wo die nächste Hilfe erreicht werden kann. Wir wollen nicht nur den nächsten Starbucks um die Ecke finden, um unserem Herzen mit einem guten Kaffee aufzuhelfen. Wir wollen auch wissen, wo der nächste Defibrillator hängt – und wie man ihn benutzt. Lasst uns gemeinsam das Netz so eng wie möglich knüpfen.

 

Wer bringt das nächste große Ding?

Eigentlich müsste sich Tim Cook genüsslich zurücklehnen. Mit insgesamt knapp zehn Millionen Dollar wurde Apples Vorstandsvorsitzender soeben fürstlich dafür belohnt, dass die iCompany sämtliche der gesteckten Ziele erreicht und ein Rekordjahr hingelegt hatte: 53,4 Milliarden Dollar Reingewinn bei 234 Milliarden Dollar Umsatz! Das ist ein Jahrhundertrekord!

Doch die Börse reagierte unwillig – der Apple-Kurs sank innerhalb von fünf Wochen um 18 Prozent und dümpelt nun um die 100 Dollar-Marke. Der Grund: die neuesten Freischaltzahlen rund ums Weihnachtsgeschäft lassen erkennen, dass sich das Interesse an iPhones verringert, nachdem auch die Verkaufszahlen für die Tablets schon zurückgegangen waren. Womit, so fragt man sich, will Apple im neuen Jahr so viel Geld verdienen, dass es zum Rekordjahr aufschließen kann?

Eine Frage, die Microsofts CEO Satya Nadella für seine Company vielleicht schon im zurückliegenden Jahr beantworten konnte. So gelang der Turnaround bei Windows, das mit der „10“ endlich wieder Kunden und Partner gleichermaßen zufriedenzustellen scheint. Selbst das totgeglaubte PC-Geschäft erlebt gegenwärtig ein zartes Revival. Hersteller wie Lenovo investieren nach eigenem Bekunden heftig in Windows 10-basierte Systeme, weil die Kundennachfrage endlich wieder steigt. Lenovo orientiert sich dabei an Produkten, die das Zeug zum nächsten Industriestandard haben: Microsofts Surface Pro 4 und Surface Book als Mittelding zwischen Tablet und Netbook. Sie bilden auch die Plattform für künftige dreidimensionale Anwendungen, die über den Virtual Reality Spezialisten Havok ins Microsoft-Portfolio kommen sollen. Da mag es verschmerzbar sein, das Microsoft im Smartphone-Segment auch mit Windows 10 keine großen Umsatzsprünge macht.

Die gemeinsame Plattform für all das ist hingegen Microsofts Cloud-Strategie, für die nicht nur direkt um große Kunden geworben wird, sondern indirekt um Partner, die mit Infrastrukturangeboten, neuen Dienstleistungen und zukünftigen Anwendungen nicht nur die Cloud beleben sollen, sondern auch das Windows-basierte Geschäft überall: zuhause, im Büro und auf dem Weg zwischen beiden. Die Börse jedenfalls dankt es – mit einem Kursplus von 18,5 Prozent im vergangenen Jahr. Und seit Nadella am Ruder Kurs hält, stieg die Microsoft-Aktie sogar um 45 Prozent!

Und IBM? Big Blue hält seinen Aktienkurs relativ stabil, weil in Armonk konsequent eigene Aktien zurückgekauft werden. Das senkt die Gefahr – so unglaublich es auch klingen mag –, dass IBM zu einem Übernahmekandidat für Apple, Google oder Amazon werden könnte. Aber warum sollte man sich eine Firma mit zu viel altgedientem Personal und Portfolio ans Bein binden? Darauf gibt es eine einfache Antwort: Watson!

Als Jeopardy-Sieger war der Künstliche Intelligenzbolzen noch eine clevere Spielerei, doch schon mit dem Einsatz als Diagnosehelfer im Medizinumfeld bewies der Watson-Computer seine Ernsthaftigkeit. Jetzt, auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas, kündigte IBMs Vorstandsvorsitzende Ginny Rometty nicht weniger als den Beginn eines neuen Computerzeitalters an und untermauerte diesen kühnen Anspruch mit einigen schillernden Partnerschaften. So macht Watson künftig im denkenden Teil des Haushaltsroboters Pepper von Softbank Furore. Die sprachanalytische Komponente soll den kleinen Hausknecht noch besser befähigen, auf Sprachbefehle seiner Familienmitglieder zu hören. Der Sportausrüster Under Armour will mit Watson seine Fitness-Tracker aufpeppen.

Und der Retailer Whirlpool analysiert mit Watson Milliarden von Kundendaten. Für Unternehmen wie Whirlpool soll ein einfach zu bedienendes Software Development Kit zur Verfügung gestellt werden, mit denen Watson in Eigenregie auf die individuellen Anforderungen im Big Data-Segment getrimmt werden kann. Große Datenmengen, wie sie bei der Digitalisierung der Produktionswelten anfallen, sollen Watsons Spezialgebiet werden. Sechs Labors hat IBM dazu weltweit ins Leben gerufen. Dann wären auch Partnerschaften mit den großen Anbietern von Unternehmenslösungen wie SAP oder Oracle nur noch eine Frage der Zeit.

In der Ära des kognitiven Computings wird Watson auf eine Infrastruktur zurückgreifen können, die IBM in 44 Ländern der Erde etabliert hat: hochverfügbare Cloudservices aus Datencentern, die das Number Crunching von der Pike auf gelernt haben. Watson ist bestimmt eines der nächsten ganz großen Dinger. Wem auch immer IBM dann gehören mag…

 

 

Das Internet of Think

Lange nichts mehr von Watson gehört, dem an künstliche Intelligenz glaubenden Supercomputer der IBM! Vorgestern noch hat er in der US-Quizshow „Jeopardy!“ als erster nicht-menschlicher Teilnehmer gewonnen, gestern noch hat er seinen Arbeitgeber, die IBM, bei der Definition der eigenen Produkt- und Marketingstrategie beraten und heute? Ja, heute kann er sogar Ironie! Und das lässt sich wohl nur über die wenigsten US-Bürger sagen.

Aber der Supercomputer Watson, der heute schon Ärzte bei der Diagnose, Börsianer bei der Aktienanalyse und Chemiker bei der Suche nach neuen Molekülen und damit Wirkstoffen unterstützt, dieser Watson ist gar kein US-Citoyen mehr, sondern ein Deutscher. Ein – wie man so sagt – waschechter Münchner gar. Watson ist ab jetzt die Inkarnation des „Laptop-und-Lederhose“-Postulats.

Watson ist nämlich jetzt Kern der neuen IBM Business Unit, die sich um das Internet of Things kümmern soll, aber mit der wissensbasierten Watson-Technologie daraus so etwas wie das Internet of Think machen soll. 1000 Menschen sollen in Kürze von München aus diese vielleicht wichtigste Zukunftstechnologie der IBM mit ihren Tausend-und-Einer-Möglichkeiten in die Wirtschaftswelt bringen.

Beispiele gibt es bereits genug: So hat sich die Versicherungskammer Bayern (VKB) der Dienste von Watson versichert, um die sieben Millionen Kundenbriefe, die über Jahr und Tag im Postfach landen, schneller und vor allem kundengerechter analysieren zu lassen. Watson scannt jetzt die Beschwerden nach semantischen und inhaltlichen Kriterien wie „Auslöser“, „Unmutsäußerung oder „Forderung“. Ein hypothetischer Satz wie etwa „Ich habe von Ihnen seit drei Monaten keine Reaktion auf meine Beschwerde erhalten“ (Auslöser), „deshalb fühle ich mich von Ihnen missachtet“ (Unmutsäußerung) „und fordere Sie letztmalig auf“ (Forderung) wird mit Watsons Hilfe jetzt sofort an den richtigen Kümmerer weitergeleitet – selbst, wenn die Anfrage ironisch daherkommt.

Und wie kommt da das Internet der Dinge ins Spiel? Nun, über kurz oder lang werden die Milliarden von Maschinen, Sensoren und Aktoren, die über das World Wide Work Web Daten austauschen, die größte Datenquelle auf diesem Planeten sein. Aber rund 90 Prozent dieser Informationen wird unausgewertet bleiben, wenn keine Werkzeuge entwickelt werden, die diese Daten analysieren. Das ist einerseits Aufgabe der Big-Data-Analysewerkzeuge, die es über Cloud Services oder als Standalone-Installationen bereits heute gibt. Mit Watson aber, so die Hoffnung der IBM und zahlreicher ihrer Kunden, können diese Daten auch nach Kriterien durchforstet werden, die kognitiven Eigenschaften ziemlich nahe kommen. Künstliche Intelligenz eben.

Deshalb wird es weltweit mehrere Watson IoT Client Experience Centres geben: neben München auch in Böblingen, von wo aus IBM seit jeher die mittelständische deutsche Automobilzuliefer- und Maschinenbauindustrie bedient. Darüber hinaus werden in den Standorten Peking, Seoul, Tokyo in Asien, Sao Paolo und drei weitere US-Standorte in Amerika mit “Watsonites”, also Spezialisten für die kognitive Informationsverarbeitung, ausgestattet. Sie sollen vor allem die Digitalisierung der Fertigungs- und Kundenkommunikationsprozesse vorantreiben und zugleich in dem bereits bewährten Terrain des Gesundheitswesens Fahrt aufnehmen.

80 Prozent der Daten, so glaubt IBM, können mit Watsons Hilfe gedeutet und ausgewertet werden. Und darauf soll sich das zukünftige Geschäftsmodell der IBM gründen. Das wird in der Tat auch dringend gebraucht, denn mit dem bisherigen Portfolio aus Hardware, Systemsoftware, Outsourcing, Beratung oder Cloud Services hat Big Blue Quartal um Quartal Verluste eingefahren. Übernehmen Sie, Watson!