Kein Digital-Debit nach der Computer-CEBIT

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Lücke, die durch die Absage der CEBIT in Hannover gerissen wurde, durch andere gefüllt werden würde. Denn eines ist klar: Die CEBIT ist nicht aus Mangel an Bedarf gestorben, sondern aus Mangel an Begeisterung. Die aber konnte man nahezu parallel zur CEBIT-Absage bei unserem südlichen Nachbarn besichtigen. Der Digitaltag in der Schweiz interessierte Hunderttausende, die Digitalisierung zum Anfassen an Bahnhöfen und anderen Standorten im öffentlichen Raum erfahren konnten. Für einen Tag war die Schweiz in allen Kantonen Digitalien.

Schon wenige Tage nach der CEBIT-Absage kündigte der Bundesverband Deutsche Startups an, einen solchen Digitaltag auch nach Deutschland zu holen – am 24. Juli soll er stattfinden. Immerhin bildeten Startups nach und nach mit mehreren hallenfüllenden Gemeinschaftsständen eine der größten Ausstellergruppen auf der CEBIT. Dass ausgerechnet die Protagonisten der Plattform-Ökonomie schnell auf der Suche nach einer neuen Plattform für ihre Präsentationen sein würde, war eigentlich keine Überraschung – vorausgesetzt, man hatte das Ohr am Gleis und hörte den Zug kommen. Die Initiative digitalgermany ist längst unter Dampf.

Inzwischen hat der Vorsitzende des Bundesverbands, Florian Nöll, namhafte Unterstützer: Digital-Staatsministerin Dorothee Bär beispielsweise meint, die Initiative digitalgermany habe die Zeichen der Zeit erkannt – und es klingt, als seien eigentlich die Verantwortlichen der Deutschen Messe AG in Hannover gemeint, wenn sie schreibt: „Die digitale Revolution ist im Kern eine soziale, in allen Lebensbereichen. Daher muss der Mensch und sein Erlebnis auch bei Events viel mehr im Mittelpunkt stehen. Das ist der Weg der Digitalisierung in die Köpfe und Herzen der Menschen.“

Nicht anders klingt es beim ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der auch als Mitglied des Kuratoriums Digitales Deutschland für mehr Dialog zwischen Startups und Gesellschaft eintritt: „Digitalisierung macht den Straßenverkehr sicherer, verlängert das Leben und bekämpft den Klimawandel. Über diese und viele andere Potentiale müssen wir besser aufklären, damit jeder seinen persönlichen Nutzen kennt.“

Und auch Marc Walder, der Initiator des Schweizer Digitaltags, sieht digitalgermany auf dem richtigen Weg: „Wir müssen die gesamte Bevölkerung für die Digitalisierung gewinnen, sodass alle davon profitieren können. Wenn wir es nicht schaffen, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, ja jede Einzelne und jeden Einzelnen mitzunehmen, werden viele beginnen, zu blockieren und abzuklemmen“, warnt der CEO der Ringier AG.

Der Digitaltag ist eine perfekte Idee – denn spätestens seit dem Fußball-Sommermärchen 2006 können die Deutschen Festival. Das hätte auch (oder selbst) in Hannover funktioniert, wenn die Stadt und die Messe eine reelle Chance bekommen hätten. Doch eigentlich ist jeder Tag ein Digitaltag. Insofern wird der 24. Juli, an dem mehrere Millionen Bahnreisende an den Hauptbahnhöfen der Bundesrepublik mit digitalen Exponaten konfrontiert werden sollen, nicht nur viele Mitmacher bekommen, sondern auch viele Nachahmer.

Praktisch alle großen Anbieter der Digital-Ökonomie – egal, ob IT-Dienstleister, Software-Hersteller oder Plattform-Betreiber – denken darüber nach, wie sie die durch die CEBIT-Absage freigewordenen Marketing-Gelder anderweitig und zielführender einsetzen werden. Gerade Unternehmen wie Microsoft, SAP, IBM oder Deutsche Telekom mit ihren nach Tausenden zählenden Partner-Ökosystemen werden ihre Eigenmessen zu Events für alle ausbauen. Und Autobauer, Elektronik-Spezialisten, Konsumgüterhersteller und Handelsorganisationen werden ihre digitalen Kundentage erfinden. Aus Messen werden Hausmessen, aus einem Tag der offenen Tür ein Digitaltag. Der Eventkalender wird bunter, vielseitiger – aber auch anstrengender. Denn egal, ob diese Events offline oder online stattfinden – analog in Firmenzentralen, Conference Centers, im öffentlichen Raum oder digital im World Wide Web – man muss sich Zeit nehmen für die Wanderungen durch Digitalien. Nach der CEBIT wird es an Digitalevents keinen Mangel geben. Der digitale Debit nach der CEBIT fällt gottseidank aus.