Gesucht: Die Ikone der Informationstechnik

Eine Entschuldigung schon mal vorweg: Nach einer Woche Standdienst auf der weltgrößten IT-Messe, der CeBIT in Hannover, hält man Hard- und Software nebst Telekommunikation sowieso für den Nabel der Welt (und sich selbst gleich mit). Aber Hand aufs Herz: Wenn Sie an ITK denken (schon das Kürzel verscheucht jeden kreativen Gedanken), was sehen Sie dann vor Ihrem inneren Auge? So ein kleines, wellenförmig gezeichnetes Fenster in lustigen Farben; oder so einen kleinen, brillenförmigen Schriftzug in lustigen Farben; oder die Silhouette eines Apfels in lustigen Farben; oder einen blauweiß (nein, nicht weißblau) gestreiften Schriftzug mit drei Buchstaben; vielleicht sehen Sie auch ein Mini-Tangram aus Quadrat und Dreieck? Oder einfach nur so ein kleines blaues „e“.

Wenn wir an Software denken, denken wir eigentlich nicht an Software. Wir denken an nichts. Bei Computern sehen wir das jüngste Produkt unserer Lieblingsmarke, bei der Telekommunikation hören wir unser Lieblingsjingle (Tadadadida). Aber Software? Ein Gesicht vielleicht: Der nerdige Bill Gates, der arrogante Larry Ellison, der pausbäckige Marc Benioff.

Dass dies alles US-Amerikaner sind, ist grundsätzlich kein Problem. Nicht nur Hollywood, sondern auch Silicon Valley ikonisiert unsere Bilderwelt. Bill Gates sozusagen als der Hugh Grant der Softwareindustrie. Kann man mit leben.

Aber Ikonen sind Stellvertreter – sie stehen nicht nur für den konkreten oder abstrakten Begriff, sie ersetzen ihn auch. Fußball? Der Kaiser! Hartz IV-Dekadenz? Westerwelle! Computer? Nixdorf – das war einmal. Software aus Deutschland? Moment, da ist doch dieser freundliche Herr, der samstags bratwurstessend in der VIP-Lounge der TSG 1899 Hoffenheim sitzt – oder war das jetzt wieder der Kaiser?

Nein, Deutschland hat keine Software-Ikone, keine Computer-Ikone und überhaupt praktisch keine High-Tech-Ikone. Wir sind ein Volk der gesichtslosen Ingenieure. Wir sind „Hidden Champions“, wie BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer zusammen mit seinen Softwarekollegen Karl-Heinz Streibich (Software AG) und Michael Kleinemeier (SAP AG) jetzt feststellte. Software und IT-Services sind die „Arbeitsplatzmotoren“ der Wirtschaft. Aber wir sehen nicht, wie dieser Motor arbeitet. Und wir zeigen auch nicht die Männer und Frauen, die diesen Motor täglich optimieren.

Amerika, du hast es besser. Dort werden IT-Unternehmer zu Kultfiguren stilisiert, die zwar keine Oskar-Nominierung aufweisen können, aber nicht selten in die Bestenliste „Man of the Year“ des Time Magazines vordringen. Hat es ein Deutscher Softwerker schon auf den Titel des Stern oder des Spiegel gebracht? Will er da überhaupt hin?

Es ist geradezu faszinierend, mit welcher erwartungsvollen Freundlichkeit die beiden neuen Co-CEOs der SAP auf der CeBIT aufgenommen wurden. Sicher, Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott haben eine Mission, die ihnen ihr Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner (beinahe eine Ikone) aufgetragen hat: das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen. Aber ganz nebenbei gelingt es dem Duo, auch eine ganze Messe für sich und ihre Charming-Offensive einzunehmen. Und diese Mittvierziger sind auch noch vergleichsweise jung!

Wenn BITKOM-Sprecher Scheer der Bundesregierung zu einem „IT-Minister“ rät, so nicht unbedingt nur deshalb, weil derzeit so ziemlich jeder im Kabinett Merkel eine Meinung zu den Auswirkungen der Informationstechnik entwickelt, während eine einheitliche und geglückte Politikstrategie nicht zu erkennen ist. Es geht auch darum, ein Zukunftsthema zu personalisieren. Einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche der deutschen Industrie, ein Enabler für andere Industriezweige, eine Querschnitttechnologie braucht einen Darsteller. Einen, der den Hidden Champion aus der Kulisse holt. Deutschland sucht den Superstar der IT. Stefan Raab – übernehmen Sie.

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