Man riecht sie nicht, man sieht sie nicht – aber man spürt sie: Die Aschewolke. Was wie der neue Bestseller von Herta Müller klingt, wurde zur sanften, aber folgenreichen Naturgewalt. Mehr als eine Milliarde €uro Verlust, so rechneten die Airlines nach der Aufhebung des Flugverbots über Europa, habe es die Luftverkehrstreibenden gekostet, dass eine knappe Woche lang die Flugzeuge an den Boden genagelt blieben. Hunderttausende Passagiere saßen an Flughäfen fest, übten Sardinenstehen in der Bahn, stellten sich mit vielen Gleichgesinnten in den Autobahnstau – oder ließen den Termin gleich sausen.
Noch ist nicht kalkuliert, wie groß der wirtschaftliche Nutzen der Aschewolke ist. Nutzen? Ja, richtig. Hunderttausende Geschäftsreisende haben eingesehen, dass ihr Termin (oder ihre Anwesenheit bei diesem Termin) vielleicht doch nicht so wichtig ist, wie zu Normalzeiten gedacht, und haben sich ganz einfach wie jeden Morgen im Büro zur Arbeit gemeldet. Und sie haben in dieser Woche überraschenderweise mehr Arbeit vom Schreibtisch gefegt, als wenn sie vollkommen störungsfrei den Terminen nachgejagt hätten. Hamburg, Zürich, Mailand – die Frisur hält, aber das Reisen hält auf.
Und im Büro? – Da wurde gecallt, geSMSt, gemailt, geskypet, getwittert, gefacebookt, genetworkt, gepostet, gebloggt, gevideoconferencet, was die Cloud hergibt. Unser CO2-Footprint hat sich deutlich verkleinert. Während der Ash-Cloud haben wir mit der Web-Cloud mal ganz kräftig die Ozon-Cloud geschützt. Ist doch was, oder? Green ICT dank Eyjafjalla. Die Kommunikationstechniken steigen wie Phoenix aus der Asche.
Bei aller Skepsis, die auch Anno 2010 (das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen) gegenüber der Cloud noch herrscht – als wir alle am Boden lagen, weil die Flieger nicht abheben durften, hat uns das Web genügend Beinfreiheit gegeben. Okay – auf den Transport von Waren werden wir noch warten müssen, bis das Internet der Dinge und das Beamen wirklich fehlerfrei funktionieren. Aber die weltweite Kakophonie der Absprachen, Verhandlungen und Präsentationen können wir ohne großen Medienbruch aufrecht erhalten. Die Aschewolke zwang uns zur Tatenlosigkeit, nicht nur Datenlosigkeit.
Und noch etwas ist bemerkenswert in Zeiten der Wolken-Brüche: Während das Aufkommen an Mails und Klicks, Tweets und Blogs sprunghaft anstieg, ging die Kommunikationsinfrastruktur kaum erkennbar in die Knie. Das Web trägt die Last des weltweiten Wort- und Bildverkehrs ohne Mühe. Wie wird das erst sein, wenn wir die digitale Dividende einlösen und mit den freien Frequenzen auch auf dem Land endlich fest unter einer Wolke stecken? Während dieser Text entsteht, sprengt die 67. Auktionsrunde soeben die Ein-Milliarden-€uro-Grenze. Nicht auszudenken, wenn die Auktion wegen des Flugverbots hätte abgesagt werden müssen.