Perso-in-a-Cloud

Der 1. November ist typischerweise ein trüber Tag – Nebel, Regen, Wolken und dann noch die Trauer um die toten Seelen… Dass man aus den Daten der Toten noch so manchen Rubel rollen lassen kann, hat Nikolai Gogol 1842 in seinem Fragment gebliebenen Roman über Die toten Seelen beschrieben – sozusagen Wirtschaftskriminalität im großen Stil der Oligarchen. In der „Erfassungslücke“ zwischen Todesdatum und Erfassungsdatum winkte der große Gewinn.

Jetzt soll der 1. November diese und alle weiteren denkbaren Erfassungslücken schließen: der Perso-on-a-Chip kommt, der wie „ein kleiner Computer“ (Innenminister Thomas de Maizière) mehr kann als nur die Identität seines Besitzers preisgeben. Der Perso ist nicht nur der Generalschlüssel zum öffentlich-rechtlich beglaubigten Leben, sondern der polypotente Passepartout für Urkunden, Urteile, Anträge, Verträge, Anfragen und Umfragen. Mit der Elektronischen Identität steht der Bundesbürger praktisch permanent unter EID.

Das aber wollen laut Hightech-Verband Bitkom 45 Prozent der Deutschen nicht. Sie wollen vielmehr weiterhin ihre Identität auf einer Plastikkarte eingeschweißt wissen und folglich dreimal jährlich die Angaben daraus abschreiben: im Rathaus, im Hotel, an der Grenze. Dies wollen umgekehrt aber wiederum 46 Prozent der Deutschen nicht. Sie begrüßen den Perso-on-a-Chip, mit dem künftig auch mehr Schutz vor Phishing-Attacken im Internet gegeben sein dürfte. Denn wer künftig Transaktionen mit seinem Perso-on-a-Chip bestätigt, kann zugleich die Daten verschlüsseln, die Identität verifizieren und die Authentizität sichern. Das gilt für Geschäfte mit den Banken ebenso wie für Auskünfte an die Behörden. Behörden als sichere Bank, sozusagen.

Vom Perso-on-a-Chip ist es nicht weit zum Corpo-on-a-Chip, der Corporate Identity. Wenn sich Unternehmen mit einer elektronischen Ausweiskarte an die Behörden wenden oder untereinander kommunizieren, dient das auch dem Schutz vor Spionage. Sicher nicht zufällig hat der Innenminister zeitnah zur Vorstellung des neuen Perso auch die jüngste Statistik zur Wirtschaftskriminalität im Rahmen des Verfassungsschutzberichtes 2009 vorgelegt. Die Wirtschaftskrise habe die Unternehmen zu fahrlässigen Einsparungen im Sicherheitsbereich veranlasst, heißt es da, während das Ausspähen von Firmen-Knowhow aus informationellen Schurkenstaaten weiter unvermindert anhält.

Für die Einführung des Perso-on-a-Chip wie auch des Corpo-on-a-Chip gibt es eine bewährte Marktstrategie. Wenn der neue Perso wirklich das Potenzial eines mobilen Endgeräts hat, warum nutzen wir ihn dann nicht auch so. Steckt den Perso in die Wolke und bietet Apps an, die das Leben schöner machen. Hier eine kleine mögliche Auswahl:

  • Die Police-Appsmall bietet einen kleinen Schnüffel-Helfer, der Radarfallen durch leichtes Piepen (Achtung: Nicht mit der Einparkhilfe verwechseln!) anzeigt. Schließlich gibt es Geschwindigkeitsbegrenzungen ja, damit sie eingehalten werden, und nicht, damit kassiert wird. Und wenns doch mal zu schnell sein sollte, bucht der Schnüffel-Helfer gleich die personenbezogenen Punkte in Flensburg – ganz unbürokratisch.
  • Die Galileo-Mall plant bei Verfügbarkeit der Geodaten-Satelliten für jeden Perso ein Nachführsystem. Wer dann sagt, er gehe nur mal Zigaretten kaufen, kann ruhig auch gleich zum Flughafen durchbrennen. Der Perso-on-a-Cloud steckt zwar noch für den Alterscheck im Zigarettenautomaten – aber am Gate reicht ja der Reisepass.
  • Die Kaufhausketten bieten eine RFID-Matchmaking-Lösung an. Damit müssen endlich die Kunden nicht mehr zur Ware, sondern die Ware kommt zum Kunden – wo immer er gerade ist.

Nicht auszudenken, wenn dieser Perso-in-a-Cloud künftig auch telefonieren könnte oder SMS verschicken: „herzliche grüße a.m.“

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