Wer draußen zuhause ist, sollte nicht allzu viel Gepäck mit sich schleppen. Die alte Wanderburschen-Weisheit kommt in den Werbeeinblendungen der Outdoor-Outfit-Ausstatter bei meist neblig kühlem Wetter ganz cool und relaxt daher. Für das mobile Internet scheint dieses Schlankheitsgebot jedoch nicht oder noch nicht zu gelten. Da werden Apps downgeloadet, was die Flatrate hergibt. Am Ende ist das Smartphone trotz stromlinienförmigen Designs ein Fat Client – mobil, aber fett.
Es ist vor allem das Unternehmen, das das Kürzel App bereits historisch im Namen trägt, das mit seinem Apple(t)-Store Millionenumsätze generiert und dabei – viel wichtiger als das bisschen Geld – einen gigantischen Markt gegenüber Wettbewerbern abschottet. Denn Apps folgen einem uralten Marktmodell, das wir eigentlich überwunden glaubten: proprietäre Welten. Die Vielzahl herstellereigener Systeme war der Hinderungsgrund für einen schnellen Durchbruch der sogenannten Mittleren Datentechnik in den siebziger und achtziger Jahren. Was Softwareentwickler damals in den Wahnsinn trieb, nämlich Anwendungen für unterschiedliche Plattformen parallel entwickeln und pflegen zu müssen, feiert nun wieder fröhliche Urstände.
Das Déjà-vu könnte vollständiger nicht sein: Während Apples App-Store mit seinen Tausend und einen Anwendungen für seine “iSystems“ – iPhone und iPad – den Löwenanteil der für das Jahr 2010 prognostizierten 15 Milliarden Apps-Downloads erobert, verschenkt Google sein teiloffenes Betriebssystem Androix – pardon: Android – , um Marktanteile zu gewinnen und eine breite Basis für spätere Werbeeinnahmen aufzubauen. Rockefeller lässt grüßen. Eric Schmidt rechnet schon mal vor, dass bei einer angestrebten Milliarde Android-Smartphones zehn Dollar per Annum und Android drin sind.
Googles Android unterstützt HTML5 und ist damit prominentester Verfechter des möglichst offenen mobilen Internets. Statt unsere Smartphones mit Apps abzufüllen, sollen wir eigentlich direkt aus dem Web bereitgestellte Browser-Anwendungen nutzen. Dann lassen sich Anwendungen und Anwender noch intensiver durch den Anbieter steuern – und natürlich auch die begleitenden Werbeeinnahmen. Aber noch sehen HTML5-basierte Anwendungen einfach nicht so schick aus und verfügen auch nicht über den Funktionsumfang, den proprietäre Apps bieten. Nach diesen Kriterien aber entscheidet der Anwender – und nicht nach der Frage, ob seine Browserlösung als offenes Angebot auch auf anderen Smartphones lauffähig wäre. Über den Ausgang im Kampf um Betriebssysteme und Marktmodelle wird bei jedem dritten Handy-Kauf abgestimmt. Nach Schätzungen des BITKOM fällt derzeit ein Drittel aller Kaufentscheidungen zugunsten eines smarten Phones.
So folgen wir also dem guten alten Geschäftsmodell, das auch schon Microsoft zur Marktbeherrschung verholfen hat, und knüppeln uns immer mehr Anwendungen auf den fetten mobilen Client, statt dem Server irgendwo auf der Welt zu vertrauen. Gut sechs Milliarden Dollar werden wir dabei in diesem Jahr für Apps-Downloads ausgeben, sagen Marktbeobachter voraus. 2011 sollen es dann schon rund elf Milliarden Dollar sein, die wir für nahezu 30 Milliarden Downloads ausgegeben haben werden.
Und wofür? Navigationssysteme sind offensichtlich die Killer-Anwendungen auf dem Smartphone. 67,5 Prozent aller genutzten Apps-Typen helfen dem mobilen Anwender, sich in der realen Welt zurechtzufinden. Damit werden Spiele, die angeblichen Ikonen der Daddel-Generation, auf den zweiten Rang verwiesen. News-Apps stehen auf Platz drei vor dem Wetter. Zur Pflege der sozialen Netzwerke brauchen die mobilen Egonauten offensichtlich seltener Apps. Lediglich 44 Prozent der Apps-Typen unterstützen diese Funktion – ungefähr so viele, wie für Unterhaltung zur Verfügung stehen.
Das mobile Internet kommt – erst fett, dann schlank. Und die Smartphones werden mindestens so viel Traffic in der Cloud erzeugen, wie es das stationäre Internet mit den unternehmensweiten SaaS- und PaaS-Angeboten erzeugen wird. Kein Wunder, dass Carrier und Großanbieter jetzt schon darüber nachdenken, wie sie sich dann Vorfahrtsrechte erkaufen können. Denn eines verzeiht der mobile Anwender nicht – egal ob fett oder schlank: Wartezeiten.