Die sichtbare Hand

Ein Sonder-Etat, der Wunder wirken könnte: The Giving Pledge – das Spende-Versprechen – hat in kürzester Zeit 40 US-amerikanische Milliardäre zusammengeschnürt, die jeweils mindestens die Hälfte ihres Vermögens spenden wollen und damit bereits jetzt eine satte dreistellige Milliardenzahl zusammengestottert haben. Griechenlands Schulden wären auf einen Schlag weg, alle Überschwemmungsgebiete erhielten ihren Drei-Schluchten-Damm, Solarstrom aus der Wüste könnte sofort in Angriff genommen werden, die konzentrierte Suche nach einem Mittel gegen AIDS wäre endlich von Erfolg gekrönt. Bildung, Gesundheit, Wohlfahrt, Infrastruktur – das sind die hoheitlichen Aufgaben, die die Milliardäre rund um den Initiator Bill Gates für alle sichtbar in die Hand nehmen.

Als der schottische Ökonom Adam Smith 1776 die wirtschaftstheoretischen Gedanken seiner Zeit zu seinem Werk vom „Wohlstand der Nationen“ zusammenfasste, schuf er nicht nur die Grundlagen einer Nationalökonomie und eines Wirtschaftsliberalismus, sondern er schenkte der Welt auch die Wirtschaftsmetapher von der „unsichtbaren Hand“.

„Wenn daher jeder einzelne soviel wie nur möglich danach trachtet, sein Kapital zur Unterstützung der einheimischen Erwerbstätigkeit einzusetzen und dadurch dieses so lenkt, dass ihr Ertrag den höchsten Wertzuwachs erwarten lässt, dann bemüht sich auch jeder einzelne ganz zwangsläufig, dass das Volkseinkommen im Jahr so groß wie möglich werden wird. Tatsächlich fördert er in der Regel nicht bewusst das Allgemeinwohl, noch weiß er wie hoch der eigene Beitrag ist. Wenn er es vorzieht, die eigene nationale Wirtschaft anstatt die ausländische zu unterstützen, denkt er eigentlich nur an die eigene Sicherheit, und wenn er dadurch die Erwerbstätigkeit so fördert, dass ihr Ertrag den höchsten Wert erzielen kann, strebt er lediglich nach eigenem Gewinn. Er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat.“ (4. Buch, Kapitel 2)

Jetzt ist es nicht der Wohlstand der Nationen, sondern der Wohlstand der Patrone, der die westliche Welt aufblicken lässt. Bills Billionäre – The Giving Pledge – machen mehr noch als die alljährlichen Forbes- oder Fortune-Listen deutlich, welche unglaublichen Allokationen von Money möglich sind. Sie zeigen auch, in welchen Branchen und in welchem Business der finanzielle Erfolg winkt: Software, Finanztransaktionen und Medien – allesamt Dienstleistungen. Angesehene Pharma-Könige, Minenbesitzer, Ölmagnaten wirken hingegen mit ihren Hinterkommaspenden wie die Juniorpartner der Big Spender.

Welche erdrutschartigen Veränderungen könnten diese Gravitationszentren des Geldes bewirken: Bill Gates könnte SAP aus dem Privatguthaben übernehmen, Larry Ellison könnte, ohne mit der Wimper zu zucken, das Werk seines Ziehsohns Mark Benioff (Salesforce.com) an sich reißen. Doch alle zusammen hätten nicht einmal genug Rücklagen, um die faulen Schulden der Banken zu übernehmen.

The Giving Pledge ist die sichtbare Hand, die der unsichtbaren Hand des Marktes assistieren, sie korrigieren und bestärken kann. Anders als in Europa, wo die Diskussion um die Verantwortung, die aus großen Vermögen entsteht, gerade erst angeregt wird, soll dies direkt und unmittelbar geschehen. In Europa glaubt man noch an den großen staatlich organisierten Umverteilerich, der mit einer Reichensteuer in Gang gesetzt würde. Dass hierbei mehr Charity, sinnvollere Korrekturen oder konkretere Visionen angetrieben werden könnten, kann keiner ernsthaft glauben, der die tagtäglichen Verluste durch die Bürokratie der öffentlichen Hand erlebt. Denn da weiß oft die linke Hand nicht, was die rechte tut.

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