Orlando-Blog: Die Offensive der Integrationswilligen

Deutschland ringt mit sich selbst in der Integrationsdebatte, die Amerikaner handeln. Wer beim Cloud Computing global erfolgreich sein will, muss sein Angebot nicht nur weltumspannend offerieren, sondern auch integrieren und Hardware, Software, Service aus einer Hand bieten.

Die Einsicht, einen Cloud-Anbieter wieder zu einem vertikal integrierten Unternehmen zu machen, das nahezu die gesamte Angebotstiefe anbietet, führt derzeit zu wildesten Übernahmekämpfen und –gerüchten. Ob HP allerdings tatsächlich ein Anwendungshaus übernimmt – und wenn ja, ob dies tatsächlich SAP sein könnte – bleibt in der Tat noch eine Weile Spekulation. IBM – ebenfalls als möglicher Käufer für SAP gehandelt – müsste dazu ein lang gehegtes Tabu brechen: das Geschäft mit der Anwendungssoftware gehört den Partnern. Dabei scheint es auch in Zukunft zu bleiben.

Vielmehr aktualisiert IBM seine gute, alte Co-Marketing-Strategie, mit der schon die AS/400 vor einem knappen Vierteljahrhundert (mein Gott! so lange ist das schon her) schönste Markterfolge gefeiert hat. Tausend und Deine Anwendung – nur, dass die Plattform jetzt nicht mehr Hardware ist, die sich die Kunden in den Keller stellen, sondern eine Plattform, auf der sich Anbieter und Anwender treffen und gemeinsam Private Clouds gründen. Das Konzept ist der jüngste Ausbruch aus einem Angebotsdilemma: Wenn keiner mehr Hardware kauft, dann soll er eben eine Plattform kaufen.

IBMs jüngster Outburst in diese Richtung heißt CloudBurst, der auf der POWER7-Architektur angeboten wird. Das Angebot richtet sich weniger an Anwender als vielmehr an Softwarehersteller (ISVs – Independent Software Vendors), die über diese Plattform nahezu die gesamten Aufwände an Systemintegration einsparen können: Hardware, Storage, Netzwerk, Virtualisierung, Monitoring und Service Management soll über den CloudBurst-Server ablaufen. Der ISV fügt nur noch seine Anwendungssoftware hinzu.

Das ist das Konzept, das IBM im Mittelstand groß gemacht hat und das PC-Hersteller wie Dell und HP lange Zeit zu kopieren versucht haben. Die vertikale Integration, die IBM dabei im Auge hat, besteht nicht im alleinigen Gesamtangebot der IT-Bausteine, sondern in einer durch die Partner auch auf Branchenspezialitäten hin ausgerichteten Vertikalisierung. Auch das war bereits das Erfolgsgeheimnis der „Schrägen Dreier“ und deren Nachfolger, der AS/400.

Indirekt Applaus bekommt IBM für diesen Ansatz von der Gartner Group, die gegenwärtig in Orlando, Florida, ihren weltweiten Powwow abhält. „Der Strudel an unstillbaren Mergern führt zu Super-Anbietern“, meinte Peter Sondergaard, Senior Vice President of Research bei Gartner, zu Beginn der ITexpo am Montag, die alsbald Gefahr laufen, ins Mittelmäßige abzusinken. „Innovationen kaufen ist eine Sache, aber diese Innovationsfähigkeit auch weiter zu pflegen eine andere.“ Der Kunde aber akzeptiert kein Mittelmaß – nicht mal im Mittelstand.

Aber man kann ja auch wieder auseinander gehen – noch nach jeder Integrationswelle erfolgte die „Deintegration“. Derzeit aber wird gekauft, was die Portokasse hergibt: Oracle hat dem Vernehmen nach 40 bis 50 Milliarden Dollar für Luxuseinkäufe im Portemonnaie. Und auch IBM denkt an Großeinkäufe:  20 Milliarden Dollar sollen es in den nächsten fünf Jahren sein, die der Gigant locker machen will – nachdem er in den letzten zehn Jahren bereits alles in allem 40 Milliarden Dollar ausgegeben hat. In den Statistiken ändert sich dadurch nur wenig: Die großen Fünf der Integration bleiben die großen Fünf.

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