Cloud im Sinn

Die Bundesregierung ist in der Wolke angekommen – dies geht aus einem 54seitigen Papier hervor, das unter der Federführung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle entstanden ist. Cloud Computing nämlich, so heißt es da. Strebt die Bundesregierung an, „die Entwicklung und Einführung zu beschleunigen. Gerade mittelständische Unternehmen und der öffentliche Sektor sollen frühzeitig von den Chancen profitieren.“ Fertig. Nächster Punkt.

Man kann sich vorstellen, wie eine Expertenkommission um diesen Passus gerungen hat. Am Ende kommen wolkige Formulierungen heraus, die über Sonntagsredenniveau kaum hinaus kommen.

Gerade zurückgekehrt von zwei Wochen unter Cloud-Berieselung auf der Gartner ITexpo in Orlando und der IBM IOD Conference (Information on Demand) in Las Vegas, wirkt die Belanglosigkeit dieser regierungsamtlichen Mitteilung geradezu schockierend. Cloud Computing ist längst aus dem Niveau des Sprechblasen-Blabla und der Marketing-Makulatur heraus. Das Papier „Deutschland Digital 2015“ ist aber offensichtlich noch im Ungefähren, Wolkenreichen.

Dennoch ist dies bereits ein Fortschritt. Noch im vergangenen März beklagte BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer, dass es der Bundesregierung an einem Gesamtkonzept zur informationstechnischen Zukunft des Standorts Deutschland mangele. Jedes Bundesministerium, so beklagte er damals, zupfe sich die Rosinen aus dem Kuchen – hier ein bisschen Datenschutz, dort ein bisschen Kreativwirtschaft – ja und Cloud Computing, an dem wir nunmehr alle „frühzeitig“ profitieren sollen. Professor Scheer nannte diese Kabinettsstückchen im Frühjahr freundlich „unkoordiniert“.

Konkret wäre es beispielsweise, die Kommunikation mit Behörden in Zusammenhang mit Cloud Computing zu bringen und Maßnahmen zur weiteren Entbürokratisierung über ELENA hinaus zu skizzieren. Arbeitstitel: Gouvernement as a Service. Auch ein erneuertes Bekenntnis zur Gesundheitskarte als Beitrag auch zur Gesundheitsmarktneustrukturierung hat einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Thema Cloud Computing. Und gerade hier ist Datenschutz in der Cloud ein zentrales Problem. An konkreten Themen kann es doch nun wirklich nicht fehlen.

Produkte zu innovieren und Märkte zu erschließen ist sicherlich die Aufgabe der Wirtschaft. Wie man mit der Cloud einen Markt macht und danach so manche Mark (pardon: Euro) macht, dass muss wahrlich nicht Bestandteil einer Regierungsvorlage sein. Aber beispielsweise die konkrete Absichtserklärung, Forschungsaktivitäten auch im IT-Sektor steuerbegünstigt zu würdigen, wäre ein wünschenswerter Passus in „Deutschland Digital 2015“. Die Überführung klassischer (und funktional bewährter) Software in eine On Demand-Welt ist alles andere als banal. Aber die Fördertöpfe sind bei solchen Projekten erstaunlich unergiebig, weil Cloud Computing in der Wahrnehmung nicht zwangsläufig als Innovation bewertet wird. Die Bundesregierung sollte hier unbedingt ihren Technologiebegriff präzisieren.

Stattdessen wird das Papier bei der Ausbreitung von Breitbandanschlüssen konkret: Mindestens drei Viertel aller Haushalte sollen bis 2014 mit hochleistungsfähigen Breitbandnetzen versorgt werden. Klingt gut. Tatsächlich aber ist das Ziel gar nicht so ambitioniert wie es klingt: Wenn allein die Städte versorgt wären, wäre diese Ziel bereits erreicht. Der mobile Anwender aber sehnt sich danach, bei einer Fahrt durch die Rhön oder den Bayerischen Wald nicht den Kontakt mit der Außenwelt zu verlieren.

In Dresden, wo demnächst der nächste IT-Gipfel zwischen Wirtschaft und Politik stattfinden wird, ist „Deutschland Digital 2015“ eine Tischvorlage. Vielleicht gibt’s dann noch ein Papier 2.0. Es reichen auch kleine Schritte, wenn sie nur – bitteschön – etwas konkreter wären.

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