IT-Gipfel in Dresden – die silizianische Eröffnung

Fehlt uns dieses Gen? Dieses Software-Erfolgsgen, mit dem die europäischen Einwanderer ihre US-amerikanischen Nachfahren offenbar so überreichlich ausgestattet haben? Fast möchte man verzagen, wenn man die Weltbedeutung von Microsoft, Google oder gar Oracle sieht. Auch Ebay oder Amazon, deren zentraler Geschäftsbaustein eigentlich in Software gegossene Prozesse sind, lassen Daten und Programme aus deutschen Sourcen blass aussehen. Dabei ist doch Software eigentlich und vor allem programmierte Verfahrenstechnik – also eine der Domänen aus dem Land der Denker und Lenker.

Für den heute beginnenden deutschen IT-Gipfel hätte es kaum einen sinnfälligeren Standort geben können: Dresden. Von diesem Hightech-Standort – dem Silicon Saxony, das wiederum Teil des SolarValleys Mitteldeutschland ist – soll der entscheidende Impuls für einen veritablen IT-Gipfelsturm ausgehen. „Dresden21“, so hofft der Austragungsort, soll neuen Schwung in die Anstrengungen um halbleitergestützte „grüne Energie“ bringen – wobei der christdemokratische EU-Kommissar Günther Oettinger unlängst die parteipolitische Prädisposition des Begriffs „grüne Irgendwas“ bemängelte. Aber im verschneiten Elbflorenz spürt man die silizianische Eröffnung im High-Tech-Chess: mit Sensoren, Halbleitern, Energiesparkonzepten und der nötigen Software lässt sich ein Wachstums-Cocktail mixen – parteiübergreifend.

Denn nachdem die Sherpas ein halbes Jahrzehnt  lang immer wieder Koffer voller Investitions- und Innovationspläne für die Telekommunikations-Infrastruktur zum Gipfelkreuz getragen haben, wird diesmal intensiv darüber diskutiert, wie den Produzenten der Inhalte, die über dieses Kommunikationsnetzwerk transportiert werden sollen, unter die Arme gegriffen werden kann. Mit SAP und SAG kommen zwar zwei Weltmarktführer aus deutschen Landen, „das war es aber auch“, wie Zeit-Redakteur Marcus Rohwetter letzte Woche wenig feinsinnig im Gespräch mit SAG´s Frontmann Karl-Heinz Streibich dazwischen warf.

Es ist die alte Argumentation der 68er, für die der Zeit-Kollege (Jahrgang 73) aber eigentlich zu jung sein dürfte. Der Tatsache, dass Deutschland Gefahr läuft, im internationalen Vergleich der Softwaregiganten den Anschluss zu verlieren, wird der Szene genau so zum Vorwurf gemacht wie die Tatsache, dass sie auf einem IT-Gipfel konzertierte Maßnahmen zur Behebung dieses Rückstands fordert. Es ist eine gefährliche Logik, Zuwendungen für traditionelle Branchen wie Kohle und Stahl, Auto- und Maschinenbau mit Blick auf deren schmeichelnden Wirkung am Arbeitsmarkt gutzuheißen, während Anfragen aus Zukunftsbranchen wie der Software-Industrie wie ein unsittlicher Antrag behandelt werden.

Dabei könnte die Förderpolitik zur Informationswirtschaft und Telekommunikation absurder kaum sein: Als würden die Autos schon entstehen, wenn man nur breit Autobahnen baut, wird in Deutschland das Breitbandnetz konsequent erweitert, während Inhalte der Kommunikation aus dem angloamerikanischen Raum stammen: Wir subventionieren Google ebenso wie eBay, wenn wir die Leitungen ausbauen ohne auf die Stärkung der eigenen Leistungen zu achten. Zu Recht beklagt dies Karl-Heinz Streibich im Zeit-Interview – auch wenn es den Anschein hat, als würde sein Interviewpartner ihn nicht verstehen wollen.

Die Kanzlerin aber sollte. Denn gerade Maschinen- und Automobilbau haben einen besonderen Vorteil, wenn Systemtechnik, Software und Internet mit deutscher Ingenieurskunst vorangetrieben werden. Wir sind gerade dort gut, wo ganzheitliche Ansätze gefragt sind – in der Logistik und im Verkehrswesen, in der Steuerung von Maschinen und Prozessen, im Zusammenspiel von Sensoren und Aktoren. Das „Internet der Dinge“ und das „Internet der Sinne“ sind Beispiele für Zukunftsoptionen der deutschen Hightech-Branchen. Und die „grüne“, pardon: parteipolitisch farblose, Energie ist ebenfalls ein Betätigungsfeld für deutsche Ingenieurtugenden. Wer in Dresden Strom erzeugt, dreht den Strom auch in Hamburg oder Bremen – das entsprechende Internet der Hochspannungsleitungen vorausgesetzt.

Wenn vom Gipfel in Dresden ein Signal für „Silicon21“, „Software 21“ oder für das „Web 21“ ausgeht, hat sich die Schlepperei für die Sherpas und Gipfelstürmer gelohnt. Wenn nicht, geht es vom Gipfel aus nur noch in eine Richtung – nämlich bergab.

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