Kempf kämpft für die Netze

Gute 136 Milliarden Euro wird die Informations- und (Tele-)Kommunikationsbranche in diesem Jahr umsetzen. Ungefähr die gleiche Summe sollte nach Ansicht des BITKOM im kommenden Jahrzehnt aufgewendet werden, um Deutschland zu einem der „brutalst vernetztesten“ Weltregionen zu machen. Die Super-Breitbandvernetzung soll nicht nur dem Austausch von Tweets, Mails und Blogs über das Internet dienen, sondern wesentliche Infrastrukturleistung der zukünftigen Gemeinschaft leisten: Verkehr, Energie, Behörden, Gesundheitssystem und Bildungswesen. Bis zu 50 Milliarden Euro Ersparnis jährlich wäre der Return-on-Investment, rechnet der BITKOM vor.

Mit Professor Dieter Kempf, dem neuen Präsidenten des größten europäischen High-Tech-Verbands, hat jetzt einer den Staffelstab übernommen, der für solche Mammutprojekte den richtigen Atem hat. Als zwischenzeitlicher Entwicklungschef des drittgrößten deutschen Softwarehauses, der Datev, weiß Kempf, was es bedeutet, eine verlässliche Infrastruktur zu bauen, von der Millionen abhängen – nicht nur Millionen €uro, sondern auch Millionen Unternehmen und damit Abermillionen Menschen. Tatsächlich ist die Datev einer der Pioniere des OnDemand-Computings – auch wenn, das Unternehmen, um es mal salopp auszudrucken, nicht so viel Buhei, ums Cloud Computing macht.

Aber mehr „Buhei“ oder auch „Bohei“ (die Sprachwissenschaft ist sich weder bei der Schreibweise noch bei der Herkunft richtig sicher) um OnDemand und die diese Infrastrukturangebote tragenden Netze ist vonnöten, findet der BITKOM. Was Kempf hier quasi also Vermächtnis vom ausgeschiedenen Präsidenten August-Wilhelm Scheer übernimmt, ist nicht mehr und nicht weniger als die Herkulesaufgabe, in der nächsten Dekade eine Kommunikations- und Informations-Infrastruktur zu schaffen, die uns dabei hilft, Energie effizienter zu nutzen, Informationen im Gesundheitswesen schneller und gezielter zu verbreiten, Wissen und Bildung für breitere Bevölkerungsschichten nutzbar zu machen, die Bürokratisierung weiter abzubauen oder Verkehrsströme besser zu lenken. Es ist noch kein Vierteljahrhundert her, da rühmte sich der damalige Bundeskanzler für das bestausgebaute Autobahnnetz angesichts der Forderung nach einer besseren Datenautobahn. Heute fordern wir die Datenautobahn gerade weil das Autobahnnetz nicht ad libitum erweitert werden kann, gerade weil soeben der Atomausstieg beschlossen wurde, gerade weil wir am wildgewordenen E.coli-Bazillus miterleben mussten, wie langsam die Mühlen der Mikrobiologie mahlen.

Das Thema ist mehr als einen IT-Gipfel, als eine Aktuelle Stunde im Parlament wert. Es bedarf einer Schiller´schen „konzertierten Aktion“, um zügig voranzuschreiten mit Initiativen wie dem „Internet der Dinge“, dem „Internet der Sinne“ (oder weniger pathetisch: der Sensoren) und dem Internet der Dienste. Es geht nicht allein um den Breitbandausbau, sondern auch um die Frage, wie wir die Daten- und sonstigen Ströme steuern, wie wir Muster erkennen, Wissen verknüpfen, Verfügbarkeiten regeln können. Und das Ganze bedarf eines Sicherheitsmanagements, das nicht nur den Einzelnen vor den Sammelwütigen schützt, sondern auch die Sammlungen vor den Zugriffen Einzelner.

Das nächste Silicon Valley, meinte Dieter Kempf in einem seiner ersten Interviews als BITKOM-Präsident, liege wahrscheinlich in China oder Indien. Er bezog sich dabei vor allem auf die Fähigkeit dieser Länder (aber eben auch der USA), nicht nur intelligente Köpfe heranzuziehen, sondern sie auch mit den entsprechenden finanziellen Mitteln auszustatten. Deutschland kann den dritten Weg gehen: Lasst uns einfach besser vernetzt sein. Und Vernetzung war schon immer die Aufgabe eines Branchenverbandes. Für den BITKOM und seinen neuen Präsidenten gilt dies sowohl technisch als auch gesellschaftspolitisch. Lasst uns dafür kempfen.

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