Zwischen Wolken-Kuckucksheim und Wolken-Kukluxklan

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich soll schreckensbleich gewesen sein – schreibt der Spiegel. Kurz vor Amtsantritt habe der Christsoziale sich bei seinen obersten Cyberfahndern über Machenschaften und Machbarkeiten beim Cybercrime informiert –  und es habe sich sozusagen ein Abgrund von WLAN-Verrat aufgetan. Die Beispiele, die Internet-Interpol auftischte, waren dem Spiegel jetzt eine Titelstory wert. Die Erkenntnis: Die Camorra wie die Cloud sind immer und überall.

Am gleichen 4. Juli war die Cloud auch der Süddeutschen Zeitung ein „Thema des Tages“ wert. Auch hier sind es die Bedrängten und Bedrohten, die das Wolken-Feature beherrschen. Der Angriff auf Sony, die Mutmaßungen über Google, die Misere der Musikindustrie – alles dient zur Illustration der Gefahren, die aus der Wolke kommen. Jeder ist irgendwie drin und deshalb ist jeder auch irgendwie dran.

Der Kukluxklan des Cloud Computings hat viele Gesichter. Unternehmer wie Mark Zuckerberg gehören nach der Vorstellung der klassischen Medien ebenso dazu wie Untergrund-Akteure wie „Karwan M.“ Beide verstoßen mit ihren Schnüffel-Algorithmen gegen legitime oder legale Grundlagen. Der eine schafft damit ein weithin anerkanntes Milliardenunternehmen, der andere ein weithin gesuchtes Netzwerk des Cybercrimes.

Die Cloud ist im Blätterwald der Nachrichtenmagazine, Tageszeitungen und Illustrierten angekommen. Eine größere gesellschaftliche Anerkennung kann ihr kaum zuteilwerden. Freilich, in den Wirtschaftsbeilagen der Blätter war die Cloud schon seit Jahren Thema – jetzt aber, im „Jahr Drei“ der Cloud-Ära hat sie es in die Publikums-Publikationen geschafft. Zwar werden die Mechanismen der Wolke mit Musik, Bildern und anderen Up-and-Down-Loadables  erklärt, aber das Prinzip des weltweiten Server-Service spricht sich allmählich bis in das letzte Wolkenkuckucksheim herum. Es fehlt nicht mehr viel, und die Wolke wird vom Magazin Time zum „Man of the Year“ gekürt – eine Auszeichnung, die vor einem Vierteljahrhundert bereits der Personal Computer erreichte. Doch der wird jetzt entmachtet: PC – das steht künftig für Personal Cloud.

Aber bleiben wir noch ein wenig bei der Rezeptionsgeschichte der Cloud. Zu den frühesten Förderern des Cloud-Computings gehören in Deutschland die Online-Ausgaben von Spiegel, FAZ, Süddeutsche oder Stern. Sie haben schon 2009 das Thema im doppelten Sinn für sich entdeckt: Als Special-Interest-Topic einerseits; als Infrastruktur für die eigene Leser-Plattform-Bindung andererseits. Heute werben die großen Nachrichten-Portale mit den Vorteilen der Cloud: Aktuelle Nachrichten, soziale Netzwerke, persönliche Seiten – alles aus der Wolke für das Endgerät der Wahl.

Die Sendung mit der Cloud hat den Nachrichten-Portalen in den letzten Jahren gute Quote gebracht. Jetzt wird mit den Warnungen vor virtuellen Wolkenbrüchen ebenfalls Quote geholt. Doch der Eindruck, in der Cloud werde nur geklaut, in den Wolken gemolken, ist ungefähr so richtig wie die Warnung, dass beim Überqueren der Straße überall der Tod lauert. Vor dem Wolken-Kukluxklan kann man sich schützen, wenn man einfachste Sicherheitsvorkehrungen beachtet und den gesunden Menschenverstand nicht ausschaltet. Wer bei zweifelhaften Sonderangeboten kein Unrat wittert, ist ein Opfer – aber ebenso sehr das Opfer der eigenen Gier und Dummheit.

Die Erkenntnis, dass auch in der Wolke das Verbrechen lauert, kann einen Bundesminister erblassen lassen. Aber eigentlich gelten in der Cloud die gleichen Verstandesregeln wie in der Fußgängerzone. Man lässt seine Geldbörse nicht offen rumliegen – und sein Netbook nicht ungesichert online.

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