Letzte Zuflucht

Muss die Evolutionsgeschichte der Informationstechnologie umgeschrieben werden? Bisher war es ja so (in fast forward): Mainframe-Terminal, Minimainframe-Client, Client-Server, Server-Centric, Internet-aware, Hosted Services, Cloud. Richtig zweifelsfrei fest steht dabei eigentlich nur (laut Genesis 1.1): Am Anfang war der Host (und der Host war von IBM).

Jetzt, hier auf dem Gartner Symposium in Orlando, scheint sich so etwas wie die Vertreibung aus dem Wolken-Paradies abzuzeichnen. Die Anwender haben offensichtlich vom Verzeichnisbaum der Erkenntnis genommen und festgestellt: Die Cloud ist keineswegs so kostengünstig wie gedacht. So mancher Anbieter schaute zudem an sich herunter und erkannte, dass er nackt war.

Die Cloud findet irgendwie in jedem Einzelvortrag statt, ist zwar kaum das Thema, aber immer im Subtext der Analysen vorhanden. Die Wolke hat sich – wenn man so sagen darf – gesetzt. Dabei sind die Gartner-Analysten immer noch auf der Suche nach der definitorischen Bewältigung des Cloud-Begriffs. Und siehe da: ein bisschen was von Mainframe-Terminal, Server-centric oder Hosting schwingt in den Infrastrukturangeboten mit. Die Cloud als Rückschritt oder als letzte Zuflucht?

Massenkonsum, Mass-Customization, Massendatenhaltung oder auch massives Rechnen – das alles geht künftig gar nicht mehr ohne die Wolkenangebote. Aber dort, wo der Kern eines Unternehmens liegt, da hält sich beharrlich die onPremise-Lösung. Sie wird in den kommenden Jahren allenfalls von der privaten Wolkeninfrastruktur abgelöst. Services aus dem Internet? Im Prinzip ja. In den peripheren Bereichen des Unternehmens sogar als multi-tenant SaaS. Aber direkt am Herzen wird nur im privat verwalteten Web operiert.

Das hat verdammt Ähnlichkeit mit Hosting oder Server-centric Computing. Macht aber nichts – denn es scheint, dass nach dem Gipfel der Erkenntnis nun das Tal des Pragmatismus folgt.

Die klassische Euphoriekurve kann Gartner sogar in Zahlen belegen:

Zwölf Milliarden Dollar geben Unternehmen im laufenden Jahr für Software aus, die sie OnDemand beziehen. Dabei handelt es sich vor allem um CRM-Lösungen, Mail-Accounts und Dokumentenmanagement. Für Speicher, Rechnerzeit und Werkzeuge aus der Cloud, also für Infrastruktur as a Service, investieren die Firmen im laufenden Jahr rund 4,2 Milliarden Dollar. Frisch und neu und erst im Entstehen sind die Plattformen, auf denen Anbieter ihre integrierten Lösungen bereitstellen. Sie machen gegenwärtig immerhin ein Volumen von 1,2 Milliarden Dollar aus.

Infrastruktur als Service wird der boomende Markt der Zukunft. In fünf Jahren wird der jährliche Umsatz mit „Hardware“ aus dem Internet auf 18 Milliarden angewachsen sein. Der Trend könnte allerdings von einem ganz anderen Trend völlig überlagert werden: Mobility as a Service. Wenn fünf Milliarden Smartphone-Benutzer ihre Apps im gleichen Tempo downloaden wie bisher und sich gewollt oder ungewollt mit ebenso viel Milliarden Maschinen vernetzen, die Services aus der Cloud in die Endgeräte pushen, dann wächst der Umsatz mit den Cent-Beträgen locker über die 20 Milliarden-Dollar-Grenze.

Wahrscheinlich sind die öffentlichen Wolkenbänke dann so überlaufen, dass dem seriösen Anwender ohnehin nur die Zuflucht in die eigene, private Wolke 7 bleibt – nicht als letzte Ruhestätte, aber als letzte Zuflucht.

PS: Nutznießer dieses Cloud-Booms, meint Gartner, sind weniger die Old School-Anbieter, sondern die Facebooks und Googles dieser Welt. Facebook ist hier bei Gartner die gefeierte Company – auch dass das Unternehmen nun BITKOM-Mitglied ist, schlägt bis in die USA Wellen. Herzlich Willkommen, Facebook.

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