Spezielle Kommunikationssysteme

Als „führendes Unternehmen für die systemintegrierte Realisierung von Datenerhebungs- und Bewertungssystemen im Bereich der Telekommunikation“ verzichtet DigiTask auf eine der bewährten Methoden des Marketings: auf Referenzberichte. Kein Testimonial einer Behörde oder anderweitig interessierten Organisation würdigt die Leistungen des jetzt als Entwickler des sogenannten Bundestrojaner in die Schlagzeilen geratenen Anbieters „spezieller Kommunikationssysteme“. Es ist wahrscheinlich „Diskretion“, die dem hessischen Unternehmen dieses selbst auferlegte Schweigen anempfiehlt – obwohl Diskretion in diesem besonderen Fall einen geradezu grotesken Beigeschmack bekommt…

Nun, trotz aller Diskretion wissen wir (oder wussten es längst): der Bundestrojaner, jene jetzt vom Chaos Computer Club auf der Grundlage unseres Grundgesetzes sezierte Schnüffelsoftware, die – unter anderem – kontinuierlich Screenshots vom PC-Geschehen schießt und übermittelt, „verschlüsselte“ Skype-Kommunikation dechiffriert und mitschreibt, wenn übermäßig große Mengen Backpulver im Internet bestellt werden, stammt nicht von den Bundesbehörden, sondern von einem kommerziellen Anbieter. Der habe, so wird jetzt verbreitet, mehr Funktionen angeboten, als bestellt worden seien. So ist der große Lauschangriff zwar technisch, jedoch nicht juristisch möglich. Aber da der Hunger ja bekanntlich beim Essen kommt, folgt, dass der Datenhunger sich beim Lauschen einstellt.

Hat der Bund das nötig? Erst kürzlich hatten die Bundesbehörden bewiesen, wie zielgenau gesetzeskonforme Maßnahmen und Vorgehensweisen sind – ganz ohne zusätzlichen Trojaner:  Der Paragraf 98a des Strafgesetzbuches zum Beispiel erlaubt es, beim Verdacht auf die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, Telefone abzuhören oder Wohnungen zu durchsuchen. Computer können in diesem Sinne so unverletzlich wie Telefone oder wie Wohnungen sein. Richtig eingesetzt, folgt der Bundestrojaner diesem Gebot. Gemessen an seinen jetzt funktionalen Möglichkeiten ist aber wohl weit mehr möglich als juristisch gedeckt werden kann.

Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn der Bund seine Lauschware jetzt selbst produzieren will. Dann ist nur drin, was drin sein darf. Ansonsten meldet sich mit Sicherheit der Bundesrechnungshof. So, wie er das schon beim Mammutprojekt „Fiscus“ getan hat, als die Finanzbehörden des Bundes und der Länder in den neunziger Jahren eine allumfassende Finanzsoftware kreieren wollten. Wenig blieb von dieser dreistelligen Millioneninvestition (damals allerdings noch D-Mark) übrig.

Auch sonst hat der Bund kein glückliches Händchen bei der Entwicklung und Fertigstellung von „speziellen Kommunikationssystemen“: ELENA zum Beispiel, der jüngst wieder vom Amt genommene Elektronische Entgeltnachweis, für den die Wirtschaft Millionen (diesmal Euro) investieren musste. Oder die LKW-Mautsoftware, die das sie tragende Konsortium heftig überforderte. Auch die Bundeswehr erlebte bei ihren Software-Projekten so manche Mission Impossible.

Ein in Eigenregie entwickelter Bundestrojaner – wäre das nicht ein Danaergeschenk? Es war Laokoon, der angesichts des hölzernen Pferdes ausrief: „Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen.“ Danach verstrickte er sich mit seinen Söhnen in von Athene gesandte Lindwürmer. Die Laokoon-Gruppe – heute auch das Sinnbild für im Sourcecode verstrickte Softwareentwickler!

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